Identität des Konvertiten

Konvertiten kennt man meist aus der Bestimmung der Religionen. Ein Mensch, der sich zu einem Religionswechsel entschließt, wird als Konvertit bezeichnet. Im Kontext der Islamisierung stehen neue Moslems unter den Verdacht, besonders zur Radikalisierung zu neigen. Christliche Konvertiten, die von einem anderen Bekenntnis zum Christlichen, bzw. einer spezifischen Prägung konvertieren, werden oft ebenso kritisch gesehen. Sollten Moslems zum Christentum konvertieren, wird ihr Leben von ihren ehemaligen Glaubensbrüdern bedroht. Manchmal wird auch das Motiv jener bezweifelt, warum sie konvertieren: Sie könnten andere Motive haben, Stichwort Reischristen. Darum stoßen jene auch bei ihren neuen Glaubensbrüdern auf Misstrauen. Zumeist wird Mission mit dem Ziel der Konversion häufig mit dem Vorwurf der Proselytenmacherei bedacht, als dass es eben nicht ein Sache von Überzeugung und Einsicht sei, den Status der eigenen Sozialisation nicht als schicksalhaft zu erkennen. Aber auch jenseits der Religion ist im Zeitalter der Migration die Frage der ethnischen Zugehörigkeit eine Frage des Bekenntnisses der Zugehörigkeit.

Ist die Herkunft – ob nun genetisch oder kulturell bestimmt – eine Kategorie unwandelbaren Schicksals? Oder bietet die Möglichkeit des Wechsels der Zugehörigkeit eine neue menschliche Dimension, die eben jene schicksalhafte Verknüpfung überwinden kann? … und was bedeutet das für die Identität des Betroffenen?

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Sapere aude … und was die anderen sagen

Sapere aude ist ein lateinisches Sprichwort und bedeutet Wage es, weise zu sein!  Meist wird es in der Interpretation Immanuel Kants zitiert, der es 1784 zum Leitspruch der Aufklärung erklärte: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Es wäre ein Missverständnis, wenn der Lob von Aufklärung und dem eigenen Denken als Ignoranz oder pauschale Ablehnung der Ansichten Dritter verstanden würde. Lediglich sollte der unkritische Übernahme von Ansichten der Autoritäten gewehrt sein. Durch Bezugnahme auf Denker der Geschichte und Gegenwart wird das eigene Denken geschärft und ein möglicher Dilettantismus bekämpft.

Aber nicht nur anerkannte Größen sind Referenz, sondern die dialogische Bezugnahme auf Dritte, die sich als fruchtbar erweisen kann. Im Zuge von Menschen, die einen ähnlichen Ansatz vertreten, bin ich auf Johannes Heinle und seine beachtliche Webpräsenz sapereaudepls.de gestoßen. Hier einige Gedanken dazu:

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Wovon reden Menschen, wenn sie von Gott reden?

Ist die Frage nach Gott noch zeitgemäß? Unter dem obigen Titel hat Dushan Wegner eine interessante Diskussion angestoßen. Ich fand es so spannend, über den Tellerrand des Artikels und der Antworten etwas vertiefter der Frage nachzugehen. Das Besondere an Wegners Artikel ist, dass er im Eingangsstatement alles offen ließ, sogar seine eigene Meinung zum Thema. Er hat die  atheistische Position dahin relativiert, dass er jenen oftmals eine fragwürdige Haltung unterstellte:

Was manche Städter für „Atheismus“ halten, scheint mir mehr eine Ablenkung auf hohem Niveau zu sein. Zeigen Sie mir doch einen glücklichen Atheisten, der seinen Atheismus nicht durch Unterhaltung, Konsum, diverse Abhängigkeiten (heute z.B. Smartphones) und Dauer-Kultur-Berieselung täglich neu am Leben halten muss!

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Kulturbetrachtungen in Wehmut

Ein Konzert der Barockmusik, Telemann, Vivaldi und Bach, vorgetragen von meist jungen Musikern der Musikhochschule, lieferte ein außergewöhnliches Erlebnis. Die Zuschauer sahen Menschen, die sich nach jahrelangen und intensiven Studium zu Virtuosen auf ihren Instrumenten entwickelt haben. Alles atmete Konzentration. Sicher ging es auch ein wenig um die Konventionen des Kulturbetriebs, um den guten Ton, aber das liefert nur die Leinwand, auf der sich eine wertvolle Substanz offenbarte: Hingabe, Komplexität, Harmonie.  Doch was bedeutet das?

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Grundfragen oder Grundausrichtung?

Die Grundfragen des Lebens, wie sie auch Kant formulierte, empfindet Mancher als den Kern der Philosophie schlechthin:

1. Was kann ich wissen?
2. Was soll ich tun?
3. Was darf ich hoffen?
4. Was ist der Mensch?

Anderen erscheint es fruchtlos, per Frontalangriff ein hoffnungsloses Unternehmen zu starten, als ob es poetisch sei, Windmühlenflügel zu attackieren. Ein anderer Ansatz wäre die Frage der Grundausrichtung des eigenen Lebens. Ich habe sieben Motive als Grundformen der Lebensentwürfe betrachtet. „Grundfragen oder Grundausrichtung?“ weiterlesen

Du sollst lieben!

Die Lehre von Jesus fokussiert sich gemäß der Evangelien auf das Doppelgebot der Liebe – hier nach Markus 12:

Welches ist das höchste Gebot von allen?
29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5).
31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
Es ist kein christliche Erfindung, denn der Bezug zum Tanach ist offensichtlich. Aber was heißt das und wie ist denn die Umsetzung zu verstehen?
Manche sehen die Liebe als das höchste Ideal und messen ihr Denken und Tun an eben jener Forderung. Andere verstehen es als aktiven Imperativ – und kritisieren diesen.

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Labyrinth

Die Geschichte der Irrgärten reicht bis in die Vorzeit. Bekannt wurde es nicht zuletzt in der Sage vom Minotaurus. aber auch in jüngerer Zeit gewinnen Labyrinthe in Literatur und Film eine besondere Beachtung. Vor allem wegen seiner Sinnbildlichkeit. Das Leben selbst, dass in verschlungenen Pfaden allzu oft in Sackgassen führt und dem Menschen in seiner Verzweiflung ein schier unlösbares Rätsel aufgibt. Nicht zuletzt wurde es zur zentralen Metapher der neuen Serie Westworld.

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Unzulänglichkeit

Ein Kennzeichen des Lebens schlechthin, und damit auch der Erfahrung jedes Einzelnen, ist die Unzulänglichkeit. Einerseits ist es die absolute Wissensgrenze, dass es eben nicht zu erwarten sei, alle Geheimnisse des Lebens völlig erforschen zu können. Dann die relative Wissensgrenze, denn das aktuell verfügbare Wissen der Menschheit bleibt weit deutlicher begrenzt – auch wenn man noch erheblich mehr wissen könnte. Schließlich aber weiß kein lebender Mensch im Wesentlichen das, was im gesamten Menschheitswissen vorhanden ist, und die meisten Menschen wissen, dass sie weit weniger wissen, als eben gebildetere Leute wissen. Es ist somit von der Erkenntnis der Unzulänglichkeit auszugehen.

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Phämomenologie der Erfahrung

Ronald D. Laing wählte 1967 den Titel The Politics of Experience, der nicht zu Unrecht von Suhrkamp in Deutsch unter Phämomenologie der Erfahrung erschien. Verglichen mit den Klassikern gilt das fraglos als moderner Text. Als wissenschaftlicher Text wäre er mit seinen 50 Jahren bereits fragwürdig. Als philosophischer Text ist er allemal aktuell, denn Laing beschäftigt sich, ähnlich wie Victor Frankl, keineswegs ausschließlich mit psychologisch-wissenschaftlichen Fragestellungen, sondern dringt zu Grundfragen der Existenz schlechthin durch. Wer sich darauf einlässt, erfährt einen Perpektivwechesel … besser: Ich erfuhr einen Perspektivwechesel:

Selbst Fakten werden zu Fiktionen, wenn >die Fakten< nicht adequat gesehen werden. Wir brauchen weniger Theorien als vielmehr Erfahrung, die Quelle der Theorie ist. (S.11)

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Selbstverständnis und Identität

Was ist der Mensch? … so lautet eine der philosophischen Grundfragen, auch in der Ausprägung: Wer oder was bin ich?

Dies lässt sich auch nicht trennen von soziologischen und entwicklungpsychologischen Aspekten. Aber es ist keine exklusive Frage der Adoleszens, sondern eine existenzielle Frage. Hier will ich einen Aspekt daraus betrachten: Einbettung des Einzelnen in die Gemeinschaft – der Mensch als soziales Wesen. Gerade durch die Anerkennung in der Gemeinschaft erhält so mancher Mensch seine Identität. Alleine in die Welt geworfen mag ihn die Einsamkeit und Leere umfangen, aber in seiner Verortung als Teil einer Gemeinschaft versteht er sich selbst erst als Person in einem Sinnzusammenhang.

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