Bauchgefühl und Kopfhörer

Mache nennen stolz das Bauchgefühl als gute Quelle der Entscheidungsfindung. Dies beruht darauf, dass man unmittelbare Erkenntnis der Realität für weniger trügerisch einschätzt als die verwirrende Flut von Nachrichten, Fakten und Propaganda. Aber ist dem auch so? Der Bauch fühlt eigentlich nichts, denn Gefühle werden zuerst im Hirn zu verortet. Das Bild will lediglich aussagen, dass man Verdrehungen durch Lügen und Propaganda keinen Raum geben will.

Nur: Auch diese Gefühle werden durch den Zeitgeist und die herrschende Meinung stark beeinflusst. Zuweilen flammt ein rebellischer Geist auf, der diesen Trends rein ‚gefühlsmäßig‘ misstraut. Ist den Autoritäten wirklich zu trauen? Kann es stimmen, was die Masse kritiklos nachplappert? Wie aber können wir unterscheiden, ob unser Gefühl uns nicht ebenso in die Irre führt? Ist der rebellische Geist grundsätzlich im Recht? Sicher ist das nicht, aber auch wenn der Mensch und sein Verständnis Opfer von Propaganda und Irrtümern werden kann, führt dennoch absolut gar nichts an der rationalen Durchdringung und Reflektion vorbei.

Kopfhörer meint, dass man das Gehörte nicht nur wahrnehmen soll, sondern mit Kopf und Verstand die Verarbeitung und Prüfung durchführt. Das ist keine magische Silberkugel und feit selbstverständlich nicht vor Irrtümern und Korruption, aber es hat zumindest die Chance, sich gegen jene zu erwehren.

Gutmensch … gut gemeint und schlecht gemacht

Ich habe ein Faible für Moralisten, und irgendwie bin selbst so einer.  Wenn ich mich über andere Gutmenschen empöre, dann sehe ich mich immer ein wenig im Spiegel. Aber die Empörung ist dennoch berechtigt. Denn nicht die Intention, dem Guten entsprechen zu wollen, ist zu denunzieren, sondern eine skrupellose Gesinnungsethik, die dem Gefühl folgt, ohne die Verantwortung für das angerichtete Unheil übernehmen zu wollen. … oder: Vielleicht will der Gutmensch sogar die Verantwortung übernehmen, aber er kann das Unheil eben nicht ungeschehen machen. Darum wäre es gerade das moralische Imperativ gewesen, vorher über die Konsequenzen nachzudenken.

Konkret wurde dies durch einen Ausspruch von Katarina Barley, immerhin Justizministerin, den sie in einer Talk-Runde tätigte – und das von Robert von Loewenstern kommentiert wurde :

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Schachtaktiken

Manche Menschen, so auch ich, vertrödeln ihre Zeit mit völlig Unwichtigem. Das Schachspiel zum Beispiel. Zusammengerechnet über die Stunden, die Menschen konzentriert vor einem Schachspiel saßen, ergeben bestimmte viele, viele Menschenleben. Was bleibt übrig? Kein Kunstwerk, das in der Geschichte bestand hätte. Keine gesellschaftliche Wertschöpfung, keine höhere Erkenntnis, keine persönliche Ertüchtigung, wie bei anderen Sportarten.  Zu letzteren beiden zwei Anmerkungen.

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Betrachtungen zur Meinungsbildung

Manche haben zu allem eine Meinung, manche zu sehr wenigem. Wo kommt die Meinung eigentlich her?  Oft werden Meinungen tradiert über Kultur, Familie, Schule und Peer-Group. Das rationale Ideal sieht den Prozess der Meinungsbildung so:

  1. Der Mensch wird sich gewahr, dass ihm die Bedeutung eines Sachverhaltes nicht klar ist, er aber dazu Kenntnisse und Meinung erwerben will.
  2. Er macht sich möglichst umfassend sachkundig und studiert Quellen kritisch.
  3. Aus dem Gelernten bildet er sich ein Urteil: Seine Meinung.

Dieser einfache Prozess funktioniert oft nicht.

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Der gewöhnliche Wahn: Der Jugend gehört die Zukunft

Manche vermeintliche Weisheiten werden in der Öffentlichkeit oft genug wiederholt, dass man diese für valide hält. So bin ich über diesen Satz gestolpert, den der Redner offensichtlich nicht für völlig absurd hält. Dabei offenbart er nur die Mißkonzeption der Zeit.

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Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze?

Diese Frage erscheint uns heute skurril, zumal wir die Existenz von Engeln bezweifeln – wenn aber, dann sind es Geistwesen, die nicht an Lokationen gebunden sind. Aber gebildete Menschen des Mittelalters hat diese Frage beschäftigt … wirklich?

Es ist zumeist alles was der Feuilletonist von der Scholastik weiß. Z.B. Robert Leicht in der Zeit:

Dabei zählt die berühmte scholastische Frage, wie viele Engel denn auf einer Nadelspitze Platz hätten, noch zu den harmloseren Gedankenübungen.

In der Tat zählt es zum angeblichen Allgemeinwissen, und auch Berühmtheiten wie Hans Küng erwähnen diese als Merkmal der Scholastik … allerdings meint das viel gescholtene Wikipedia dazu:

In Bezug auf das berühmte Problem, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen – bekannt etwa durch Christian Morgensterns Gedicht Scholastikerprobleme  – ist zu bemerken, dass diese Frage für das Mittelalter nicht belegt ist. Dass diese Frage überhaupt behandelt worden sei, ist wohl eine böswillige Unterstellung des Humanismus.

Dagegen ist die Scholastik die heute weit unterschätzte Disziplin, die die Wiege der modernen Wissenschaften baute:

Die Bezeichnung Quaestio lässt sich aus dem Lateinischen ableiten und bedeutet Die Frage. Während der Scholastik war die unter dem Namen Quaestio stehende Methode eine verbreitete Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Als Ausgangsform jeden wissenschaftlichen Denkens war die Quaestio in Form der „quaestio disputata“ (Disputation) neben der „lectio“ (Vorlesung) im scholastisch bestimmten Mittelalter die übliche Lehr- und Lernmethode. Angelehnt an diese Methode ist eine entsprechende literarische Form, die Quaestiones, in der viele mittelalterliche Abhandlungen verfasst waren.