Günter Gaus / Rudi Dutschke (1967) / Große Transformation

Rudi Dutschke war der Anführer und Vordenker der Studentenbewegung. Ist es nicht total out, Interviews vor über 50 Jahren zu diskutieren? Ich halte es für top aktuell, denn hier können wir erstaunliches lernen:

  • Inhaltlich: Was hat sich an den Einschätzungen der damaligen und heutigen Zeit geändert? Was hat sich bestätigt? Was hat sich nicht verändert?
  • Stilistisch: Wie war der Umgang in kontroversen Diskussionen? Günter Gaus lässt keinen Zweifel an der Ablehnung von Dutschkes Position … aber was macht er daraus?
  • Philosophisch: Was bedeuten diese Perspektiven für unser Selbstverständnis und unser Urteile zum Zeitgeist?

Schauen sie sich das Video selbst an! 42 Minuten, die sich sehr lohnen.

Zuerst fällt in der Einleitung auf, dass Gaus die Bedeutung Dutschkes herunterspielt. Wir wissen, dass das Hauptjahr der Studentenbewegung 1968 war, also erst danach an Breite gewann. Darum ist es zu diesem Zeitpunkt durchaus zutreffend, von einem kleinen Teil der Studenten zu sprechen. Er ahnt jedoch, dass hinter diesen Ansätzen mehr steckt …

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Bauchgefühl und Kopfhörer

Mache nennen stolz das Bauchgefühl als gute Quelle der Entscheidungsfindung. Dies beruht darauf, dass man unmittelbare Erkenntnis der Realität für weniger trügerisch einschätzt als die verwirrende Flut von Nachrichten, Fakten und Propaganda. Aber ist dem auch so? Der Bauch fühlt eigentlich nichts, denn Gefühle werden zuerst im Hirn zu verortet. Das Bild will lediglich aussagen, dass man Verdrehungen durch Lügen und Propaganda keinen Raum geben will.

Nur: Auch diese Gefühle werden durch den Zeitgeist und die herrschende Meinung stark beeinflusst. Zuweilen flammt ein rebellischer Geist auf, der diesen Trends rein ‚gefühlsmäßig‘ misstraut. Ist den Autoritäten wirklich zu trauen? Kann es stimmen, was die Masse kritiklos nachplappert? Wie aber können wir unterscheiden, ob unser Gefühl uns nicht ebenso in die Irre führt? Ist der rebellische Geist grundsätzlich im Recht? Sicher ist das nicht, aber auch wenn der Mensch und sein Verständnis Opfer von Propaganda und Irrtümern werden kann, führt dennoch absolut gar nichts an der rationalen Durchdringung und Reflektion vorbei.

Kopfhörer meint, dass man das Gehörte nicht nur wahrnehmen soll, sondern mit Kopf und Verstand die Verarbeitung und Prüfung durchführt. Das ist keine magische Silberkugel und feit selbstverständlich nicht vor Irrtümern und Korruption, aber es hat zumindest die Chance, sich gegen jene zu erwehren.

Realität vs. poststrukturalistische Linke

Lesen bildet. Aber nicht alles, was intellektuell anspruchsvoll und akademisch klingt, ist auch wohl durchdacht oder zutreffend. Auf den Begriff der ‚poststrukturalistischen Linken‘ stieß ich beim Lesen von Vive la Diffé­rence! Wenn Linke und Rechte von #Diffe­renz reden, meinen sie nicht das Gleiche von Jule Govrin und Andreas Gehrlach. Die Einleitung behauptet:

Alle reden von Differenz – die reaktionäre Rechte, die poststrukturalistische Linke und die Neoliberalen. Der Begriff begann seine Karriere um das Jahr 1968 herum, und man kann sich im Gewirr seiner politischen unterschiedlichen Bedeutungen leicht verlieren. Dabei sind die Fronten eigentlich klar.

Jule Govrin / Andreas Gehrlach

Natürlich stellt sich die Frage, wie sich Differenzen in der Realität darstellen. Im Poststrukturalismus zweifelt man jedoch an der Realität als objektiven Maßstab und hält diese durch die Sprache erst konstruiert. Als großer Freund des Phantastischen liebe ich nicht nur Pippi Langstrumpf – Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt – als die Symbolfigur des Zeitgeistes. Science Fiction und phantastische Literatur (z.B. das Werk von Walter Moers) haben es mir angetan.

Dagegen meint Dushan Wegner:  »Am Ende gewinnt immer die Realität!« . Wegner hält darin offensichtlich die Realität für eine unbestechliche Befindlichkeit, die man nicht durch die Kraft des Geistes beliebig verändern kann. Trotz meines Faibles für das Phantastische bin ich geneigt, Wegners profane Ansicht zu teilen. Ich habe darum den Text von Jule Govrin und Andreas Gehrlach genauer unter die Lupe genommen: Gibt es die behaupteten klare Fronten … im Poststrukturalismus? Oder ist das alles nur ein Konstrukt ohne Bedeutung?

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Rechte (Vor-)denke?

Mir ist die Klassifizierung nach binärem rechts/links-Schema zuwider, das einer Verweigerung zum Diskurs gleich kommt. Warum sollte man auch mit dem vermeintlich bösen Lager des Feindes reden? Weder das pauschale Exkludieren von Linken seitens konservativer oder rechter Kreise, noch das Gegenteil halte ich für hilfreich. Es ist ein Ungeist, nicht mehr Argumente oder Menschen zu sehen, mit denen man sich austauscht, sondern Schubladen, Positionen und Haltung für wichtig hält – eine Verweigerung des Lebens, ein Totenkult. Auf das Konstrukt ‚Rechte (Vor-)denke?‘ Stieß ich in einem Kommentar von Uwe Friesel zu Intellektualismus und Jörg Bernig ››Habe Mut …‹‹. Eine Einmischung

‚Kampf gegen Rechts‘ wird faktisch nicht verstanden als engagiertes Vertreten einer eigenen Meinung, die sich eben gegen das Andere abgrenzt, sondern bekommt einen Programm-Charakter, der zum Selbstläufer wird. Die eigene beschworene Position wird darin immer verschwommener und substanzloser. Sie definiert sich aus der Ablehnung des vermeintlichen Feindes, der jeweils neu mittels Assoziation und Schlagworten als solcher identifiziert wird. Dushan Wegner hat nun eine Gegenparole propagiert: Es ist Zeit für den Kampf gegen Links. Nur eine Provokation?

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