Sinn des Lebens … und der Zufall

Hat das Leben überhaupt einen Sinn? Oder ist doch alles sinnlos und leere Illusion? Kann man dem Leben, das von Sich aus keinen vorgegebenen Sinn haben könnte, im nachhinein einen Sinn geben? Die Fragen entstehen vor allem dann, wenn wir den Zufall eine bestimmende Rolle in unserer Existenz beimessen. Sind wir allerdings gegründet in dem Schöpfungswillen Gottes, hat unser Leben den von Gott vorgegebenen Sinn. Es gilt dann, diesen zu erkunden.

Hier wollen wir uns in beiden Richtungen einige Gedanken machen. Sich selber Ziele im Leben zu geben, Werte zu erkennen und ein Streben nach dem Glück alleine ist nicht zu verwechseln mit dem Sinn des Lebens. Ein Gerät, das Menschen erbauen, hat seinen Sinn darin, dass es bestimmten Funktionen dient. Auch ein Kunstwerk hat den Sinn, sich auszudrücken, einen Gedanken oder Gefühl zu vermitteln, oder schlicht Ästhetik zu realisieren. Doch was ist mit mir selbst?

„Sinn des Lebens … und der Zufall“ weiterlesen

Diskurs und alternative Fakten

Unlängst machte die Bundeskanzlerin von sich reden, dass sie den Anspruch der Wahrheit in besonderer Weise vertrat:

Merkel sagte, der Umgang mit dem Phänomen werde „vielleicht auch eine Aufgabe für Psychologen sein.“ Forschung zur Frage sei nötig: „Wie verabschiedet man sich eigentlich aus der Welt der Fakten und gerät in eine Welt, die sozusagen eine andere Sprache spricht und die wir mit unserer faktenbasierten Sprache gar nicht erreichen können?“ Es gebe bei Anhängern solcher Denkmuster „eine richtige Diskussionsverweigerung“.

Tagesschau vom 15.12.2020

Abgesehen von der Drohung mit der Psychiatrie für Kritiker und Oppositionellen, die an die finstersten Zeiten des Nazi- und stalinistischen Terror erinnern, führt zum Entsetzen, dass sie nahezu die Vorwürfe an sie spiegelt, die seit langer Zeit an die Regierung gerichtet wird. Was ist nun richtig? Natürlich ist es, wenn jemand glaubt, die eigene Weltsicht sei wahr. Problematisch ist, wenn jeder Zweifel daran ausgeschlossen wird. Im Besonderen der Anspruch, das Eigene sei ausschließlich auf Fakten beruhende Ansicht, quasi unhinterfragbar.

Wer verweigert den Diskurs, wenn man den Meinungsgegnern unterstellt, dass sie nicht faktenbasiert argumentieren? Darf man nicht den Fehler eines Grabenkampfes machen, sondern muss zum offenen Diskurs zurück kehren? Was ist, wenn zumindest ein Seite recht hätte, und die Gegenseite tatsächlich keinen Diskurs will?

„Diskurs und alternative Fakten“ weiterlesen

Es gibt richtiges Leben nur im Falschen

Dieser sperrige Titel ist die trotzige Gegenthese zu :

Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Theodor W. Adorno: Minima Moralia, I, 18 S.42

Das dieser Satz höchst unterschiedlich verstanden werden kann, durchleuchtet Florian Roth und gibt einige Beispiele:

Wenn deine Lebensführung, deine Lebensform in ihrem internen Gesamtzusammenhang und in ihrem Eingebettetsein in einem gesellschaftlichen Kontext infiziert ist durch das Falsche, das moralisch böse, den Menschen beschädigende, in entfremdende, zur Falschheit und Unaufrichtigkeit treibende – wie können dann eben Teilbereiche, Lebensbereiche, einzelne Handlungen z.B. privater Art wahrhaftig und moralisch aufrecht sein.

Florian Roth

Das wäre gänzlich pessimistisch, da es ein ‚richtiges‘ Ganzes eben in dieser Welt nicht gibt, sondern lediglich das Streben nach der Heilung der Welt, dem Dürsten nach Frieden und Gerechtigkeit. Adorno bliebe gefangen in einem selbstgestrickten Modell, dass keine Auflösung zulässt. Denn dieses Streben mag zwar zu punktuellen Verbesserungen führen, öffnet aber zugleich neue eklatante Schwächen. Eine Welt, die sich asymptotisch dem ‚Richtigen‘ annähert, bleibt eine fragwürdige Hoffnung, die im Diesseits grundsätzlich unerfüllt bleiben muss.

Die Gegenthese verweist auf die Möglichkeit, dass trotz der Schwere der Belastungen in einer wahrlich unvollkommenen Welt sich neue Dimensionen aufspannen, die eben die Flachheit der Adorno’schen Erde hinter sich lässt. Das Richtige Leben benötigt geradezu die Emanzipation von einer unvollkommenen Welt. Dies gilt es zu erläutern.

„Es gibt richtiges Leben nur im Falschen“ weiterlesen

Glaube und Staat – Ein Einstieg

Unser Selbstverständnis ist nicht zuletzt von unserer Position im Staatsgefüge geprägt. Ein freier Bürger hat offensichtlich andere Denkvoraussetzungen wie der Sklave, Revolutionär oder Untertan. Doch weder der Staat, noch der Mensch ist in sich absolut, sondern versteht sich in sich gegenseitig beeinflussenden Kräften. Die Weltanschauung ist hier das starke Bindeglied, aber ebenso dynamisch dem Spiel der Kräfte unterworfen. Weltanschauung ist das Verständnis der Welt, das sich bekanntlich nicht auf letzte Gewissheiten stützen kann. Überzeugung ist nichts weniger hier als Glaube, der sich sowohl in klassischen Religionen, als auch in anderen Ideologien finden, die allzu oft den Charakter von Ersatzreligionen tragen, auch wenn sie sich säkular gerieren.

In der westlichen Welt hatte das Christentum einen markenten und prägenden Einfluss, ohne den das modernen Denken nicht zu verstehen ist. Im Besonderen geht der Laizismus – Trennung von Religion und Staat -letztlich auf die Lehre Jesus zurück, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Um diese Feinheiten im geschichtlichen Kontext zu erkennen bedarf es eingehender Betrachtungen, die den Rahmen eines überschaubaren Essays sprengen. Ich habe mich darum entschlossen, eine Aufsatzreihe zu beginnen, die hier unterschiedliche Aspekte beleuchtet.

„Glaube und Staat – Ein Einstieg“ weiterlesen

Die Entdeckung des Feindes

Uns ist es fern geworden, zumindest auf bewusster Ebene, die Welt in Freund und Feind aufzuteilen. Faktisch werden auch in zivilen Gesellschaften Feindschaften gepflegt, aber moderne Konflikte werden oft subtiler als mit physischer Gewalt geführt. Aber die Ebene, in der ein Gegenargument als das Kampfmittel angesehen wird und der Diskurs das Schlachtfeld ist, wird oft verlassen. Es geht dann um ausgrenzen, um delegitimieren, die Cancel-Culture, den Rufmord, die Assoziation mit den Bösewichtern. Trotz des sich intellektuell gerierenden Stils wird aber selten das Thema Feinderkennung, Feindbild und seine Berechtigung diskutieren. Bestenfalls in selbstverständlicher Ablehnung: Man pflegt doch keine Feindbilder! Offensichtlich faktisch sehr wohl, aber eben nicht explizit.

Uns begegnet steigende Gewalt in verschiedenen Formen. In einer anwachsenden Messerkriminalität, sexuellen Attacken und Terrorismus. Diese gehen überwiegend von Zuwanderern aus unserer Mitte aus, die kulturfremd ihre eigene Kultur der Gewalt mitbringen. Das Erschrecken darüber verstört: Warum ist das so? Was treibt diese Menschen, uns nahezu Wehrlosen anzugreifen? Alexander Meschnig liefert hier eine beachtliche Analyse.

Mit seiner Feindschaft zwingt mich der Feind, mir Rechenschaft darüber abzugeben, warum ich Opfer bringen soll, um diese Identität zu verteidigen, warum es lohnen soll, der zu sein, der ich bleiben und werden will.

Egon Flaig
„Die Entdeckung des Feindes“ weiterlesen

Offener Brief an Björn Höcke

Sehr geehrter Herr Höcke

Spätestens seit der Lektüre ihres Buches ‚Nie zweimal in den selben Fluss‚ sind Sie mir ausgesprochen sympathisch. Dennoch sehe ich einige ihrer Aussagen eher kritisch. Hier geht es mir aber nicht um kontroverse Positionen, sondern ihre Einstellung zum christlichen Glauben (Seite 49 ff), die ich vor einigen Jahrzehnten voll und ganz teilte, und mich nun gerade in ihrer differenzierten Darstellung beschäftigt.

Zum Einen geht es mir darin um die argumentative, denkerische Aufbereitung, zum Anderen um den Beziehungsaspekt. Nicht zuletzt, da Sie ja auf die Dialogphilosophie Martin Bubers (Seite 83 ff) eingehen.

„Offener Brief an Björn Höcke“ weiterlesen

Ein philosophischer Elefant

Was treibt die Welt letztlich an? Ist es das Schicksal? Die Vorsehung? Gott oder Götter? Der Zufall? Der gestaltende Mensch? Oder die reine deterministische Notwendigkeit? Diese Grundfrage ist zentral für fast alles. Religionen und Kulturen ranken um diese Frage und Antworten. Die Dynamik der Gesellschaft wird maßgeblich von der Antwort geprägt und ist über den reinen Erkenntnisdrang auch politisch relevant. Fast alle Wissenschaften haben hierin ein starkes Motiv: Man will erforschen, wie die Welt bestimmt ist. Nicht nur in den Naturwissenschaften, die Gesetzmäßigkeiten und Bedingtheiten genauer erklärt, sondern natürlich auch die Humanwissenschaften. Es ist die Frage nach Freiheit und Herrschaft, die Frage nach dem Selbstverständnis … aber trotzdem spricht man nicht darüber. Man verliert sich im Detail und fragt nicht mehr nach den Grundlagen. Jeder glaubt irgend was, die meisten haben eher eine diffuse Überzeugung, die sie nicht hinterfragen.

Die Metapher vom Elefanten im Raum, an dem eigentlich keiner vorbei kommt, aber dennoch ignoriert wird, liefert keine Erklärung, sondern stellt nur die erstaunliche Beobachtung dessen dar. Hier wollen wir ein wenig über diese Grundfrage nachdenken.

„Ein philosophischer Elefant“ weiterlesen

Alterativlos entschuldigt?

Fraglos gibt es erzwungene Handlungen, bei der jede denkbare Alternative deutlich negativer ist. Dann, und nur dann, kann man von Alternativlosigkeit sprechen. Es sei denn, man ist Anhänger des Determinismus, der de Freiheitsgrade von Ereignissen auf Null reduziert ansieht – diesen schließen wir hier aus der Betrachtung aus. Zumeist aber ist die Behauptung der Alternativlosigkeit, vor allem in der Politik, äußerst fragwürdig. Die Behauptung, Sachzwängen zu unterliegen, rechtfertigt letztlich jede Entscheidung und entschuldigt den, der ja gar nicht anders kann. Auch werden demokratische Entscheidungsprozesse ausgehebelt, wenn man diese mit der Alternativlosigkeit begründet.

Aber was ist, wenn es durchaus Alternativen gibt? Vielleicht wesentlich bessere Alternativen? Entschuldigt dann die irrtümlich für alternativlos eingeschätzte Lage die fragwürdige Entscheidung? Vor dem Gesetz gilt, dass Unwissenheit vor Strafe nicht schützt. Noch schlimmer ist, wenn die behauptete Alternativlosigkeit nur als strategisches Argument verwendet wird, aber die Alternativen durchaus bekannt sind. Dann wäre es eine glatte Lüge, die in jedem Fall schuldig macht. In meinem letzten Essay ‚Sehnsucht nach Selbstzerstörung‚ wurden die These vertreten, dass die erkennbaren Fehlentwicklungen, die in mehrfacher Hinsicht in den Untergang führen, durch einen tiefenpsychologisch getriebenen Zeitgeist moduliert werden. Hier wollen wir dies auf Alternativen prüfen.

„Alterativlos entschuldigt?“ weiterlesen

Lesefrüchte: „Rettet den gesunden Menschenverstand!“

Ich bin zuweilen regelrecht begeistert über kluge Texte, die sich ohne Mühen finden lassen. Darum will ich eine neue Rubrik erstellen, in der ich auf fremde Federn – die mir gedanklich gar nicht so fremd erscheinen – aufmerksam machen möchte. Heute verweise ich auf den Eintrag für den 26. Oktober 2020 in Michael Klonovskys Acta diurna. Es geht um eine inhaltsschwere Buchrezension:

„Rettet den gesunden Menschenverstand!“ von Eva Rex

Einige Gedanken sind so gut formuliert, dass ich sie hier weitgehend unkommentiert zitieren möchte:

„Wie kommt es, dass die meisten Mitglieder der westlichen Gesellschaften so merkwürdig apathisch und desinteressiert an ihrem eigenen Geschick agieren und ihrer eigenen Verdrängung (als Volk, als Nation, als Kultur) entgegensehen, ja diese sogar beklatschen? Warum sind moderne Menschen trotz ausdifferenzierter Individualisierung und Aufgeklärtheit so empfänglich für ideologische Großkonzepte wie Gleichstellung, Multikulturalismus und Kampf gegen den Klimawandel? Warum begegnen uns gerade in Künstlern und Intellektuellen die fanatischsten Befürworter dieser neuen Ideologien? … Wie kommt es, dass so viele sich nicht mehr auf ihre eigene Wahrnehmung verlassen und nicht den Mut haben, sich ihres Verstandes zu bedienen?“

Eva Rex

Sie wird bei Hannah Arendt fündig, die man gar für eine sehr hellsichtige Prophetin halten möchte. …

„Lesefrüchte: „Rettet den gesunden Menschenverstand!““ weiterlesen

Sehnsucht nach Selbstzerstörung

Wir leben in seltsamen Zeiten. Einerseits leben wir in Westeuropa in einer Periode des Wohlstands und Friedens, die vielleicht beispiellos ist. Andererseits häufen sich die Indikatoren, dass diese Periode zu Ende geht, und zwar aus eigenen, innergesellschaftlichen Antrieben heraus. Alexander Meschnig bezog diesen gesellschaftlichen Trend auf die These Freuds, dass es im Menschen einen Todestrieb gibt, der einen Erklärungsansatz für diese Entwicklungen geben kann.

In seinem 1920 erschienen Werk Jenseits des Lustprinzips hat Sigmund Freud, auf dem Hintergrund der Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, den in der psychoanalytischen Diskussion von Anfang an umstrittenen Begriff des Todestriebs eingeführt. Letzterer strebt danach, so Freuds theoretische Annahme, in den anorganischen Zustand zurückzuführen. Denn: „Das Ziel alles Lebens ist der Tod.“ Zu dieser Triebgruppe gehört ein Streben nach Selbstzerstörung und, daraus abgeleitet, eine Neigung zu Aggression und Destruktion.

Alexander Meschnig

Es ist nichts ungewöhnliches, wenn aus inneren individuellen Befindlichkeiten auf gesellschaftliche Relevanz geschlossen wird, wenn diese inneren Antriebe entsprechende Resonanz in der Gesellschaft erhalten, entwickeln sich Massenbewegungen. Auch das kollektive Unbewusste (C.G. Jung) ist ein ähnlicher Erklärungsansatz. Aber trifft die These Meschnigs auch zu?

„Sehnsucht nach Selbstzerstörung“ weiterlesen