Populismus und Demokratie

Demokratie ist klar ein positiv konnotierter Wert, den es zu erhalten gilt. Populismus ist dagegen die negative Gegenseite … so zumindest die öffentlichen Medien. Aber passt das – und wie hält man diese auseinander?

Das Thema habe ich schon in Populismus – Ein Kunstbegriff? und Unpopulistisch? diskutiert. Zeit für ein Update, denn die Begriffe haben nach wie vor Konjunktur. Der Duden erklärt:

[Populismus:] von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen

Duden

Ich schrieb bereits: Hier finden wir eine eindeutig negative Konnotation, die sich kaum von der Definition von Demokratie abgrenzen lässt. ‚Opportunismus‘ erklärt dieser als: ‚allzu bereitwillige Anpassung an die jeweilige Lage aus Nützlichkeitserwägungen‚ – wohl eher im Gegensatz zur Prinzipientreue und Wertebezug. Und was ist die ‚Dramatisierung‘? Wohl eher, wenn die persönliche Einschätzung weniger dramatisch ist … oder man gar dem so Bezeichneten unterstellt, dass er die Lage selbst für weniger dramatisch hält, als er sie wegen der vorgeblichen Nützlichkeit darstellt. Damit wird der Begriff zur Beliebigkeit und im Grunde, ohne jeweils die Definitionen zu nennen, leer. Würde man jene, die nach 1930 vor der Gefahr des Faschismus warnten, ‚Dramatisierung‘ vorwerfen?

Aber es gibt doch jene, die den Menschen Angst machen … vor der Überfremdung, vor dem Wirtschaftszusammenbruch, vor den Impf-Schäden, vor dem Totalitarismus, dem Klimawandel, der Pandemie, Atomunfällen, Verschwörungen … Fraglos halten einige Menschen einige Bedrohungen für real, andere für nicht. Von jenen werden einige recht behalten, andere nicht.

Jene, die recht behalten, wurden demnach fälschlicherweise als Populisten bezeichnet. Aber auch jene die falsch liegen, werden dadurch nicht automatisch zu Populisten, denn ein Irrtum ist moralisch nicht verwerflich oder opportunistisch, wenn man sich hinreichend bemühte, jenen Irrtum zu vermeiden. Wir werden die einzelnen Bereiche näher betrachten. Aber zunächst ist das Prinzip der Demokratie, dass es eine Vielzahl von Ansichten gibt, die im demokratischen Prozess zu einem Ergebnis führen soll. Dies setzt voraus, dass eben nicht eine Mehrheit rücksichtslos ihre Position durchsetzt, sondern argumentativ eine verantwortbare Position neu bestimmen – unter Berücksichtigung von Minderheitsmeinungen. Die Diskreditierung von Meinungsgegnern als Populisten – und damit die Unterstellung des Opportunismus – ist wenig geeignet, einen demokratischen Diskurs zu führen. Sie verleugnet das Prinzip der Demokratie – es sei denn, man kann diesen Vorwurf durch Evidenz erhärten.

Prüfen wir darum die einzelnen Bereiche. Welche Einschätzungen sind vertretbar, welche sind erkennbare Verharmlosungen, welche sind panikschürende Dramatisierungen. Daran kann man ersehen, welche Positionen überhaupt populistisch genannt werden könnten.

Überfremdung

Dieser Begriff ist geradezu ein Signalwort aus dem rechten Spektrum. Es kennzeichnet die Angst, die Heimat und Selbstbestimmung zu verlieren. Im besonderen ist hier nicht die Offenheit gegenüber einer maßvollen Veränderung durch immer vorkommende Migrationsbewegungen gemeint, sondern das anteilsmäßige Überschreiten einer kritischen Grenze, die die substanzielle Integrität beschädigt. Also verstärkt eine quantitative Beurteilung von Entwicklungen. Wer den Begriff als solches völlig ablehnt, sieht hier keine Gefahr, dass diese Veränderungen durch massive Migration einen desintegrierenden Charakter haben könnte.

Jene, die diese Gefahr der Überfremdung als generelle Fremdenfeindlichkeit diskreditieren, müssen sich fragen lassen, inwieweit sie die Bedenken jener ignorieren, die hier eine Gefahr sehen. Faktisch haben sich die Bevölkerungsanteile und die Erscheinung im öffentlichen Raum stark verändert. Dies betrifft nachweislich sowohl das Empfinden von Heimat und Kultur, als auch die Sicherheitslage und die Belastungen der öffentlichen Haushalte.

Nun bleibt es jedem unbenommen, die Einschätzung jener Änderungen zu begrüßen, z.B. aus humanitären Gründen, oder abzulehnen. Der moralische Anspruch, Menschen in Not nicht im Stich zu lassen, wirkt oft wie ein Totschlag-Argument: Wer fragt, wie Hilfe denn auch effektiv möglich ist, oder wo die Grenzen der Hilfsleistungen sind, wird als inhuman diskreditiert. Ein rationaler Diskurs ist damit weitgehend ausgeschlossen.

Die Begriffe Dramatisierung und Verharmlosung passen hier gar nicht, denn die Fakten sind seit langem klar und offensichtlich, nicht zuletzt dokumentiert in ‚Deutschland schafft sich ab‘ von Thilo Sarrazin. Es ist darum lediglich ein persönliches Werturteil und Priorität, was wohl kaum generell als Opportunismus zu kennzeichnen ist. Menschen, die hier eine negative Entwicklung kritisieren und sich dieser entgegenstellen wollen, haben natürlich das demokratische Recht, dies im politischen Diskurs einzubringen.

Die zweite Verschwörungstheorie, auf die ich eingehen möchte, ist der sogenannte „Große Austausch” („Grand Replacement”), starkdeutsch auch „Umvolkung” genannt.  Auf Wikipedia lesen wir, es handle sich um einen „politischen Kampfbegriff der Neuen Rechten, mit dem Einwanderung von Nichtweißen und Muslimen auf eine angebliche Verschwörung mit dem Ziel zurückgeführt wird, die weißen Mehrheitsbevölkerungen zu ersetzen. Als Urheber des angeblichen Plans werden etwa die Globalisten, die Eliten, die Privatwirtschaft, die Juden, Multikulturalisten oder supranationale Organisationen wie die EU oder die Vereinten Nationen genannt. Dieses gilt als rassistische und antisemitische Verschwörungstheorie.“

Der Witz bei dieser Darstellung besteht darin, dass die Passagiere der „Titanic“ zwar durchaus zur Kenntnis nehmen dürfen, wie stark das Vorderdeck bereits überspült ist, aber nicht das eindringende Wasser und der drohende Untergang soll sie interessieren, sondern dass es Leute gibt, die behaupten, die ganze Sache sei von vornherein geplant gewesen. Dabei war der Kapitän nur unvorsichtig, und der Reeder wollte einen Preis gewinnen.

Michael Klonovski

Wirtschaftszusammenbruch

Die Angst vor einem kollektiven Wohlstandsverlust ist grundsätzlich nicht unbegründet, denn es hat sich derartiges häufig in der Geschichte ereignet. Hier stellt sich ehr die Frage der Einschätzung der Gefahr, dass solches durch die Lage und die ergriffenen Maßnahmen befördert oder gemindert werde.

Einerseits gibt es die Einschätzung, dass es sich um eine kommende temporäre und unvermeidliche Kriese handelt, die eben überwunden werden müsse, oder das die befürchteten negativen Effekte quantitativ und qualitativ weit geringer als befürchtet sei. Andererseits ist die Angst, dass sich um eine strukturellen und anhaltenden Niedergang dramatischen Ausmaßes durchaus mit guten Argumenten zu begründen. Es ist darum möglich beide Positionen zu vertreten, die gegenseitig Dramatisierung oder Verharmlosung benannt werden.

Populistisch wären demnach nur jene Aussagen, die aus opportunistischen Gründen, z.B. das Vertrauen der Wähler zu erheischen, vorgetragen werden, obwohl jener Proponent von dessen Inhalt nicht überzeugt ist.

Pandemie und Impf-Schäden

Seit über 2 Jahren ist die Propaganda bezüglich der Covid-19 Pandemie allgegenwertig. Umfangreiche Maßnahmen wurden zu hohen sozialen und wirtschaftlichen Kosten durchgesetzt. Ein Nachweis der Wirksamkeit der Maßnahmen fehlt, im Besonderen wegen der Nichtermittlung erforderlichen Daten, die gemäß des gesetzlichen Auftrags – Infektionsschutzgesetz – hätten erhoben werden müssen. Soweit der Evaluationsbericht der Expertenkomission. Ein Vergleich mit anderen Ländern, die weit geringere Maßnahmen ergriffen haben zeigt, dass diese das Infektionsgeschehen mit weniger medizinischen Schäden überstanden haben, und mit massiv weniger Schäden durch die Maßnamen.

Wer demnach die Gefährlichkeit des Erregers in einem Kontext betrachtet, gilt oft als Leugner oder Verharmloser. Dies wird zumindest häufig von den Medien und namhaften Eliten der Politik kolportiert. Zugleich werden von jenen aber die Nebenwirkungen der Maßnahmen und der Impfungen marginalisiert und Verharmlost, obwohl es bereits seit Beginn der Impfkampagnen massive Zweifel an der Nützlichkeit jener gegeben hat. Zumindest in Deutschland gibt es eine Mehrheit der Befürworter der Maßnahmen, die sich auch im politischen Raum und bei Wahlen niederschlagen. Impf- und Maßnahmenskeptiker werden dagegen mit scharfen Maßnahmen verfolgt: Hausdurchsuchungen unter fadenscheinigen Vorwand, Gerichtsverfahren, Arbeitsplatzverluste und öffentliche Diffamierungen ereignen sich wiederholt.

Es kann darum kein Opportunist auf die Idee kommen, sich als Impf- und Maßnahmenskeptiker darzustellen, demnach auch kein Populist sein. Die Gegenseite – Impf- und Maßnahmenbefürworter können dagegen auf breite Unterstützung setzen und bieten ein starkes Motiv für Opportunismus und Populismus.

Totalitarismus

Die Angst vor massiven Freiheitseinschränkungen und Regularien, die das ganze Leben betreffen, einschließlich eines starken Konformitätsdruck scheinen in jüngerer Zeit allzu berechtigt. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit setzte in vielen Staaten dieser Erde ein Trend ein, der an die dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte erinnert. Dies lässt sich vielfach belegen.

Andere meinen dagegen, dass sich eine wehrhafte und moralische Demokratie gegen Bedrohungen verteidigen müsse und darum jene Indizien, die als Trend zu einem massiven Freiheitsverlust belegen, eine Dramatisierung sei. Die Kritiker dieser Tendenzen halten das für eine gefährliche Verharmlosung.

Bei der Beurteilung, welche Position mehr von Opportunisten und Populisten eher gewählt wird, genügt es, sich das vorherrschende Meinungsbild in Parlamenten und Medien zu betrachten.

Klimawandel

Eine große Anzahl von Menschen ist in Angst und Panik vor einem Klimawandel, der nach deren Ansicht menschengemacht sei. Diese Ansicht wird seit Jahren durch unzählige Propagadamaßnahmen verbreitet. Tatsächlich befindet sich aktuell das Erdklima in einem Optimum. Aber jede Naturkatastrophe – die es seit jeher gab – wird als Indiz für einen gefährlichen Klimawandel stilisiert. Selbst alarmistische Wissenschaftler warnen lediglich vor zukünftigen Katastrophen, die ihre Szenarien ergäben.

Nicht nur, wer diese düsteren Prognosen und deren vermeintlichen Ursachen bezweifelt, wird als Leugner und Verharmloser diffamiert. Sondern auch jene, die keinen Zweifel an der Gefährlichkeit des ‚menschengemachten‘ Klimawandel hegen, aber die ergriffenen und propagierten Maßnahmen für unwirksam und schädlich halten. Zu letzteren zählen Bjørn Lomborg und Hans-Werner Sinn. Diese argumentieren zwingend, dass die propagierten Maßnahmen wirkungslos verpuffen und selbst dann keinen Nutzen tragen, selbst wenn die schlimmsten Klimaszenarien zutreffend wären. Folglich wäre es ein gefährliche Dramatisierung, mit ungeeigneten Maßnahmen knappe Ressourcen zu vergeuden.

Bei der Beurteilung, welche Position mehr von Opportunisten und Populisten eher gewählt wird, genügt es, sich das vorherrschende Meinungsbild in Parlamenten und Medien zu betrachten.

Atomunfälle und Endlagerprobleme

Die Angst vor Atomunfällen und vermeintlich ungelösten Problemen bei der Lagerung radioaktiver Abfälle führte vor allem in Deutschland und Österreich zu einer radikalen Ablehnung der Nutzung der Kernkraft und zum Atomausstieg. Kernkraftbefürworter geben an, dass diese jedoch sicher sei, vergleichsweise kostengünstig und am wenigsten umweltbelastend von allen Stromerzegungstechnologien, die nicht vom Wetter abhängig sind. Atomkraftgegner bezeichnen jene als Verharmloser, während diese der Dramatisierung bezichtigt werden.

Verschwörungen

Natürlich gab es zu allen Zeiten Verschwörungen, also Vereinigungen, die zum Schaden vieler Anderer ihre Interessen durchsetzten oder dies zumindest versuchten. Einige wurden verdächtigt, obwohl dieser Verdacht absurd erscheint. Darum wird auch heute der Begriff Verschwörungstheorien in dem Sinne gebraucht, dass es sich um eine abwegige Spekulation handelt. Selbst da wo es gar nicht um den Vorwurf der Vereinigung zum Zwecke finsterer Ziele wird das Wort in den Raum geworfen, um unerwünschte Fakten und Deutungen pauschal zu diskreditieren. Im Besonderen, so zeigt Michael Klonovski, gibt es viele Varianten davon:

Andere sogenannte Verschwörungstheorien sind lediglich Vermutungen oder Gerüchte, und die können sogar untertrieben sein. Wenn ich das, was ich in meinen knapp dreißig DDR-Jahren an Gerüchten über die Stasi gehört habe, im Nachhinein mit der Wirklichkeit vergleiche, dann war die Wirklichkeit dem Gerücht um Längen voraus.

Michael Klonovski

Nun gibt es eine besondere Variante jener Verschwörung. Sie finden öffentlich statt:

Die Eliten des multimedialen Zeitalters haben gelernt, dass verdammt wenig verborgen bleibt, und sich für eine neue Strategie entschieden. Sie geben ihre Pläne der Öffentlichkeit mehr oder weniger bekannt. Der „Great reset“ des Weltwirtschaftsforums wird so offiziell verkündet wie die „Große Transformation“ unserer Industriegesellschaft oder der „Global Compact for Migration“. Wer diese Pläne allerdings für bare Münze nimmt und die Folgen allzu genau abzuwägen versucht, bekommt zu hören, er sei ein Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger, der alles verzerre und falsch verstehe.

Michael Klonovski

Es ist darum nicht schwer zu identifizieren, welche Position eher zur Definition des Populismus passt. In der Regel dürfte das den Propagandisten des Mainstreams zuzuordnen sein.

Es bleibt zu hoffen, dass derartige Entwicklungen wieder eingedämmt werden und der demokratische Diskurs, der von der freien Meinungsvielfalt und dem Respekt vor dem sachlichen Argument lebt, eine Renaissance erlebt.

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