Das deterministische Paradoxon

Mehr oder minder explizit wird oft ein Determinismus behauptet. Ein vollständiger Determinismus setzt alle Ereignisse, auch die zukünftigen, als vorbestimmt an. Dies wird sowohl vom materialistischen Standpunkt als mechanistischer Zeitablauf im Sinne von Laplace als auch von einigen Neurophilosophen vertreten. Ebenso sehen viele Religionen, einschließlich einiger christlicher Theologien (aber nicht aller!) den Zeitlauf als vorherbestimmt an. Jede Entscheidung und jede Erkenntnis wären damit nur eine Illusion, da man dem Zeitenlauf auf einem vorgegebenen Pfad folgt, so wie Schauspieler in einem Theaterstück dem Manuskript folgen. Echte Willensfreiheit existiert damit nicht. Aber das führt zu einem Paradox, zu einem Selbstwiderspruch, einem Oxymoron.

Die Frage, ob es Ursache und Wirkung gibt, und die Einsicht, dass viele unserer Entscheidungen und Erkenntnisse Sachzwängen folgen, steht dabei nicht für einen Determinismus, sondern nur dafür, dass die Freiheit eben nicht wie die Freiheit des Reiters in der Prärie ist, sondern eher wie die des Zuges im Schienennetz: Man kann die Weichen stellen und so kann der Zug überall hinkommen, wo es Schienen gibt – dies ist die Position des Indeterminismus.

Ein ’schwacher‘ Determinismus, der also nicht alle Ereignisse vollständig bedingt, wäre, dass das Denken des Ichs gewisse Freiheitsgrade aufweist. Dann könnte der Mensch als machtloser Beobachter der Welt den Determinismus erkennen. Er wäre dann gleichsam wie Cassandra, die den Untergang Trojas kommen sah, aber nichts daran ändern konnte. Allerdings wird nicht erklärt, warum denn das Denken des Menschen im Gegensatz zu allem andern eben Freiheitsgrade habe. Es ist darum auch eine Nicht-Erklärung. Denn wenn sich der Mensch dennoch so verhält, dass er im deterministischen Rahmen bleibt, wäre seine vermeintlich wahre Erkenntnis ebenso eine Illusion. Er könnte nie wissen, ob er da einem Programm folgt wie einem Film, der ihm eben Freiheit des Denkens nur vorgaukelt. Siehe: Ein philosophischer Elefant

Wer also glaubt, dass er den ‚wahren‘ Determinismus erkannt habe, landet in einem performativen Widerspruch: Wenn er wahr wäre, dann hätte ihn dieser mit gleichem Recht zu seinem Gegenteil führen können. Es ist dann eine Erkenntnis ohne Wert und von einer Illusion nicht mehr zu unterscheiden. Denn dieses Denken beruht dann nicht auf Erkenntnis im Gegensatz zur Nicht-Erkenntnis, auch nicht auf Irrtum und Wahrheit, sondern auf der Notwendigkeit des Determinismus.

Ein wahrer Determinismus würde uns alle zu Sklaven machen, in der jede Konformität und jedes Aufbegehren Teil der deterministischen Rolle wäre. Es ist darum Banane, einem ‚echtem‘ Determinismus zu folgen, eine Lose-Lose Situation: Ist er unwahr, entmündigst du dich grundlos selbst. Ist er wahr, ist es sowieso vorgegeben, wozu du dich entscheidest. Es ist darum folgerichtig, den Determinismus robust zurückzuweisen.

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