Die Entdeckung des Feindes

Uns ist es fern geworden, zumindest auf bewusster Ebene, die Welt in Freund und Feind aufzuteilen. Faktisch werden auch in zivilen Gesellschaften Feindschaften gepflegt, aber moderne Konflikte werden oft subtiler als mit physischer Gewalt geführt. Aber die Ebene, in der ein Gegenargument als das Kampfmittel angesehen wird und der Diskurs das Schlachtfeld ist, wird oft verlassen. Es geht dann um ausgrenzen, um delegitimieren, die Cancel-Culture, den Rufmord, die Assoziation mit den Bösewichtern. Trotz des sich intellektuell gerierenden Stils wird aber selten das Thema Feinderkennung, Feindbild und seine Berechtigung diskutieren. Bestenfalls in selbstverständlicher Ablehnung: Man pflegt doch keine Feindbilder! Offensichtlich faktisch sehr wohl, aber eben nicht explizit.

Uns begegnet steigende Gewalt in verschiedenen Formen. In einer anwachsenden Messerkriminalität, sexuellen Attacken und Terrorismus. Diese gehen überwiegend von Zuwanderern aus unserer Mitte aus, die kulturfremd ihre eigene Kultur der Gewalt mitbringen. Das Erschrecken darüber verstört: Warum ist das so? Was treibt diese Menschen, uns nahezu Wehrlosen anzugreifen? Alexander Meschnig liefert hier eine beachtliche Analyse.

Mit seiner Feindschaft zwingt mich der Feind, mir Rechenschaft darüber abzugeben, warum ich Opfer bringen soll, um diese Identität zu verteidigen, warum es lohnen soll, der zu sein, der ich bleiben und werden will.

Egon Flaig
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Offener Brief an Björn Höcke

Sehr geehrter Herr Höcke

Spätestens seit der Lektüre ihres Buches ‚Nie zweimal in den selben Fluss‚ sind Sie mir ausgesprochen sympathisch. Dennoch sehe ich einige ihrer Aussagen eher kritisch. Hier geht es mir aber nicht um kontroverse Positionen, sondern ihre Einstellung zum christlichen Glauben (Seite 49 ff), die ich vor einigen Jahrzehnten voll und ganz teilte, und mich nun gerade in ihrer differenzierten Darstellung beschäftigt.

Zum Einen geht es mir darin um die argumentative, denkerische Aufbereitung, zum Anderen um den Beziehungsaspekt. Nicht zuletzt, da Sie ja auf die Dialogphilosophie Martin Bubers (Seite 83 ff) eingehen.

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Alterativlos entschuldigt?

Fraglos gibt es erzwungene Handlungen, bei der jede denkbare Alternative deutlich negativer ist. Dann, und nur dann, kann man von Alternativlosigkeit sprechen. Es sei denn, man ist Anhänger des Determinismus, der de Freiheitsgrade von Ereignissen auf Null reduziert ansieht – diesen schließen wir hier aus der Betrachtung aus. Zumeist aber ist die Behauptung der Alternativlosigkeit, vor allem in der Politik, äußerst fragwürdig. Die Behauptung, Sachzwängen zu unterliegen, rechtfertigt letztlich jede Entscheidung und entschuldigt den, der ja gar nicht anders kann. Auch werden demokratische Entscheidungsprozesse ausgehebelt, wenn man diese mit der Alternativlosigkeit begründet.

Aber was ist, wenn es durchaus Alternativen gibt? Vielleicht wesentlich bessere Alternativen? Entschuldigt dann die irrtümlich für alternativlos eingeschätzte Lage die fragwürdige Entscheidung? Vor dem Gesetz gilt, dass Unwissenheit vor Strafe nicht schützt. Noch schlimmer ist, wenn die behauptete Alternativlosigkeit nur als strategisches Argument verwendet wird, aber die Alternativen durchaus bekannt sind. Dann wäre es eine glatte Lüge, die in jedem Fall schuldig macht. In meinem letzten Essay ‚Sehnsucht nach Selbstzerstörung‚ wurden die These vertreten, dass die erkennbaren Fehlentwicklungen, die in mehrfacher Hinsicht in den Untergang führen, durch einen tiefenpsychologisch getriebenen Zeitgeist moduliert werden. Hier wollen wir dies auf Alternativen prüfen.

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Lesefrüchte: „Rettet den gesunden Menschenverstand!“

Ich bin zuweilen regelrecht begeistert über kluge Texte, die sich ohne Mühen finden lassen. Darum will ich eine neue Rubrik erstellen, in der ich auf fremde Federn – die mir gedanklich gar nicht so fremd erscheinen – aufmerksam machen möchte. Heute verweise ich auf den Eintrag für den 26. Oktober 2020 in Michael Klonovskys Acta diurna. Es geht um eine inhaltsschwere Buchrezension:

„Rettet den gesunden Menschenverstand!“ von Eva Rex

Einige Gedanken sind so gut formuliert, dass ich sie hier weitgehend unkommentiert zitieren möchte:

„Wie kommt es, dass die meisten Mitglieder der westlichen Gesellschaften so merkwürdig apathisch und desinteressiert an ihrem eigenen Geschick agieren und ihrer eigenen Verdrängung (als Volk, als Nation, als Kultur) entgegensehen, ja diese sogar beklatschen? Warum sind moderne Menschen trotz ausdifferenzierter Individualisierung und Aufgeklärtheit so empfänglich für ideologische Großkonzepte wie Gleichstellung, Multikulturalismus und Kampf gegen den Klimawandel? Warum begegnen uns gerade in Künstlern und Intellektuellen die fanatischsten Befürworter dieser neuen Ideologien? … Wie kommt es, dass so viele sich nicht mehr auf ihre eigene Wahrnehmung verlassen und nicht den Mut haben, sich ihres Verstandes zu bedienen?“

Eva Rex

Sie wird bei Hannah Arendt fündig, die man gar für eine sehr hellsichtige Prophetin halten möchte. …

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Sehnsucht nach Selbstzerstörung

Wir leben in seltsamen Zeiten. Einerseits leben wir in Westeuropa in einer Periode des Wohlstands und Friedens, die vielleicht beispiellos ist. Andererseits häufen sich die Indikatoren, dass diese Periode zu Ende geht, und zwar aus eigenen, innergesellschaftlichen Antrieben heraus. Alexander Meschnig bezog diesen gesellschaftlichen Trend auf die These Freuds, dass es im Menschen einen Todestrieb gibt, der einen Erklärungsansatz für diese Entwicklungen geben kann.

In seinem 1920 erschienen Werk Jenseits des Lustprinzips hat Sigmund Freud, auf dem Hintergrund der Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, den in der psychoanalytischen Diskussion von Anfang an umstrittenen Begriff des Todestriebs eingeführt. Letzterer strebt danach, so Freuds theoretische Annahme, in den anorganischen Zustand zurückzuführen. Denn: „Das Ziel alles Lebens ist der Tod.“ Zu dieser Triebgruppe gehört ein Streben nach Selbstzerstörung und, daraus abgeleitet, eine Neigung zu Aggression und Destruktion.

Alexander Meschnig

Es ist nichts ungewöhnliches, wenn aus inneren individuellen Befindlichkeiten auf gesellschaftliche Relevanz geschlossen wird, wenn diese inneren Antriebe entsprechende Resonanz in der Gesellschaft erhalten, entwickeln sich Massenbewegungen. Auch das kollektive Unbewusste (C.G. Jung) ist ein ähnlicher Erklärungsansatz. Aber trifft die These Meschnigs auch zu?

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Kontaktschuld – das Corona Narrativ

Die Virusepidemie stellt recht treffend den Zeitgeist dar: Stellen Sie sich vor, sie kommen mit einem Menschen zusammen, der mit dem Corona Virus Covid19 infiziert sind. Das macht Sie zu einem potentiell Infizierten. Wenn sie nun weiter mit anderen Menschen Umgang pflegen, könnten diese ebenso infiziert werden, und so zu Tode kommen. Sie hätten damit Schuld an deren Erkrankung. Also müssten sie selbst streng Hygiene und ggf. Quarantäne beachten. Was aber, wenn jener Erstinfizierte nichts davon weiß … und entsprechend Sie auch nicht? Hätten Sie dann ‚Schuld‘ an einer Virus-Weitergabe? Gemeinhin wird die Frage bejaht, denn ein objektiver Tatbestand wird nicht durch Unwissen geheilt.

Daraus ergeben sich folgende Pflichten: Um nicht nur sich selbst, sondern auch Dritte in Folge zu schützen, ist der Kontakt zu potentiell Infizierten unter strengster Vorsicht zu betrachten. Hygieneregeln sind immer aufs schärfste zu befolgen, selbst wenn weit und breit kein echter Infizierter existiert, ja selbst wenn es keine Epidemie mehr gibt. Es könnten ja auch andere Infektionskrankheiten bestehen, nicht zuletzt die ’normale‘ Grippe, an der zuweilen mehr Menschen starben als an Covid19. Kontaktverbot als neuer Normalzustand. Und das nicht nur auf die ‚echten‘ Virusgefahren, sondern auch in Bezug auf den geistigen Umgang mit Anderen.

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Unpopulistisch?

Die Bertelsmann Stiftung gibt wohl jährlich einen Populismusbarometer mit wissenschaftlichem Anspruch heraus. So auch 2020 … aber wie wissenschaftlich ist diese Studie? Oder handelt es sich doch eher um eine Propaganda-Schrift ohne Mehrwert? Die Probleme fangen vor allem in der Definition an: Wovon wird überhaupt gesprochen? Der Duden erklärt:

[Populismus:] von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen

Duden

Hier finden wir eine eindeutig negative Konnotation, die sich kaum von der Definition von Demokratie abgrenzen lässt. ‚Opportunismus‘ erklärt dieser als: ‚allzu bereitwillige Anpassung an die jeweilige Lage aus Nützlichkeitserwägungen‚ – wohl eher im Gegensatz zur Prinzipientreue und Wertebezug. Und was ist die ‚Dramatisierung‘? Wohl eher, wenn die persönliche Einschätzung weniger Dramatisch ist … oder man gar dem so Bezeicheten unterstellt, dass er die Lage für weniger dramatisch hält, als er sie wegen der vorgeblichen Nützlichkeit darstellt. Die ‚Studie‘ benutzt allerdings völlig andere Kriterien, als der Duden. Damit wird der Begriff zur Beliebigkeit und im Grunde ohne jeweils die Definitionen zu nennen, leer. Das trift im Besonderen auch der Negation des Begriffs zu, den die Studie erfindet.

Dieses Essay beschäftigt sich mit der aktuellen Studie und schreibt somit Populismus – Ein Kunstbegriff? fort.

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Günter Gaus / Rudi Dutschke (1967) / Große Transformation

Rudi Dutschke war der Anführer und Vordenker der Studentenbewegung. Ist es nicht total out, Interviews vor über 50 Jahren zu diskutieren? Ich halte es für top aktuell, denn hier können wir erstaunliches lernen:

  • Inhaltlich: Was hat sich an den Einschätzungen der damaligen und heutigen Zeit geändert? Was hat sich bestätigt? Was hat sich nicht verändert?
  • Stilistisch: Wie war der Umgang in kontroversen Diskussionen? Günter Gaus lässt keinen Zweifel an der Ablehnung von Dutschkes Position … aber was macht er daraus?
  • Philosophisch: Was bedeuten diese Perspektiven für unser Selbstverständnis und unser Urteile zum Zeitgeist?

Schauen sie sich das Video selbst an! 42 Minuten, die sich sehr lohnen.

Zuerst fällt in der Einleitung auf, dass Gaus die Bedeutung Dutschkes herunterspielt. Wir wissen, dass das Hauptjahr der Studentenbewegung 1968 war, also erst danach an Breite gewann. Darum ist es zu diesem Zeitpunkt durchaus zutreffend, von einem kleinen Teil der Studenten zu sprechen. Er ahnt jedoch, dass hinter diesen Ansätzen mehr steckt …

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Realität vs. poststrukturalistische Linke

Lesen bildet. Aber nicht alles, was intellektuell anspruchsvoll und akademisch klingt, ist auch wohl durchdacht oder zutreffend. Auf den Begriff der ‚poststrukturalistischen Linken‘ stieß ich beim Lesen von Vive la Diffé­rence! Wenn Linke und Rechte von #Diffe­renz reden, meinen sie nicht das Gleiche von Jule Govrin und Andreas Gehrlach. Die Einleitung behauptet:

Alle reden von Differenz – die reaktionäre Rechte, die poststrukturalistische Linke und die Neoliberalen. Der Begriff begann seine Karriere um das Jahr 1968 herum, und man kann sich im Gewirr seiner politischen unterschiedlichen Bedeutungen leicht verlieren. Dabei sind die Fronten eigentlich klar.

Jule Govrin / Andreas Gehrlach

Natürlich stellt sich die Frage, wie sich Differenzen in der Realität darstellen. Im Poststrukturalismus zweifelt man jedoch an der Realität als objektiven Maßstab und hält diese durch die Sprache erst konstruiert. Als großer Freund des Phantastischen liebe ich nicht nur Pippi Langstrumpf – Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt – als die Symbolfigur des Zeitgeistes. Science Fiction und phantastische Literatur (z.B. das Werk von Walter Moers) haben es mir angetan.

Dagegen meint Dushan Wegner:  »Am Ende gewinnt immer die Realität!« . Wegner hält darin offensichtlich die Realität für eine unbestechliche Befindlichkeit, die man nicht durch die Kraft des Geistes beliebig verändern kann. Trotz meines Faibles für das Phantastische bin ich geneigt, Wegners profane Ansicht zu teilen. Ich habe darum den Text von Jule Govrin und Andreas Gehrlach genauer unter die Lupe genommen: Gibt es die behaupteten klare Fronten … im Poststrukturalismus? Oder ist das alles nur ein Konstrukt ohne Bedeutung?

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Rechte (Vor-)denke?

Mir ist die Klassifizierung nach binärem rechts/links-Schema zuwider, das einer Verweigerung zum Diskurs gleich kommt. Warum sollte man auch mit dem vermeintlich bösen Lager des Feindes reden? Weder das pauschale Exkludieren von Linken seitens konservativer oder rechter Kreise, noch das Gegenteil halte ich für hilfreich. Es ist ein Ungeist, nicht mehr Argumente oder Menschen zu sehen, mit denen man sich austauscht, sondern Schubladen, Positionen und Haltung für wichtig hält – eine Verweigerung des Lebens, ein Totenkult. Auf das Konstrukt ‚Rechte (Vor-)denke?‘ Stieß ich in einem Kommentar von Uwe Friesel zu Intellektualismus und Jörg Bernig ››Habe Mut …‹‹. Eine Einmischung

‚Kampf gegen Rechts‘ wird faktisch nicht verstanden als engagiertes Vertreten einer eigenen Meinung, die sich eben gegen das Andere abgrenzt, sondern bekommt einen Programm-Charakter, der zum Selbstläufer wird. Die eigene beschworene Position wird darin immer verschwommener und substanzloser. Sie definiert sich aus der Ablehnung des vermeintlichen Feindes, der jeweils neu mittels Assoziation und Schlagworten als solcher identifiziert wird. Dushan Wegner hat nun eine Gegenparole propagiert: Es ist Zeit für den Kampf gegen Links. Nur eine Provokation?

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