Verschwörungsleugner und Framing

Können toxische Begriffe aus dem öffentlichen Diskurs durch Offenlegung entschärft werden? Denn allenthalben wird mit pejorativen Begriffen der Meinungsgegner diskreditiert und ausgegrenzt. Argumente scheinen nicht mehr zu zählen. Argumenten wird generell mit Skepsis begegnet: Seien diese nicht grundsätzlich nur Ergebnisse von tendenzieller Positionen – vor allem, wenn sie der eigenen Meinung widersprechen? Negative Attribuierung stößt dagegen seltener auf pauschale Zurückweisung, sondern zeigt Wirkung.

Wir erinnern uns an das aus der Mode gekommene Ideal der Erkenntnis und des Diskurses: Wir suchen möglichst offen und vorurteilsfrei nach der Wahrheit, auch wenn wir Irrtümer nicht ausschließen können. Der Diskurs kann durch einen offenen Austausch der Argumente helfen, die Erkenntnis fortschreiten zu lassen und eigene Fixierungen in Irrtümern zu lösen. Tendenziell aber finden wir dagegen einen Grabenkrieg, in dem vorgefertigte Meinungen mit allen Mitteln verteidigt und durchgesetzt werden. Ist das der gordische Knoten, den es zu durchschlagen gilt?

Fraglos ist es legitim und notwendig, die eigenen Erkenntnisse auch so zu vermitteln, dass sie bei dem Adressaten der Botschaft auch verstanden und angenommen werden können. Es wäre bedauerlich, wenn eine solide Erkenntnis nur nicht vermittelt werden könnte, weil man die Botschaft schlicht schlecht verpackt hat. Die Kunst der Überzeugung ist darum nicht grundsätzlich die verfeinerte Version des Betruges. Wenn aber die Mittel der Überzeugung dahin verwendet werden, falsches zu verkaufen oder fragwürdiges als fundierte Wahrheit präsentiert wird, ist der Begriff ‚Betrug‘ durchaus angemessen und vergiftet den öffentlichen Diskurs. Sicher ist es nicht leicht, apriori Wahres von Falschem oder Ungewissen zu unterscheiden, aber das ist kein Freibrief für jene, die Bedenkenlos diese Kategorien ignorieren und eine Botschaft ungeachtet ihrer Seriosität mit allen Mitteln verbreiten.

Eine Grauzone bleibt, wenn jemand nach bestem Wissen und Gewissen seine Überzeugung verbreitet, die sich aber später als falsch erweist. Ist dann der Gebrauch von Mitteln der Überzeugung moralisch gerechtfertigt, die sich vor allem einer Technik bedienen?

Eristische Dialektik ist der Name eines um 1830 entstandenen Manuskripts von Arthur Schopenhauer, in dem er als Eristik oder Eristische Dialektik eine Kunstlehre beschreibt, um in einem Disput per fas et nefas (lateinisch für „mit erlaubten und unerlaubten Mitteln“) als derjenige zu erscheinen, der sich im Recht befindet. Zu diesem Zweck gibt er 38 rhetorische Strategeme an, die folglich nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern dem Erfolg in einem Streitgespräch durch bestimmte argumentative Formen.

Wikipedia Eristische Dialektik

Schopenhauer blieb hier aber noch beim Diskurs, während moderne Framing Experten an Emotionen und Ängste, Konformismusdruck und Ausgrenzung appellieren. Schwache und unbelegte Behauptungen werden auf diese Weise in das Zentrum der Strategie befördert.

Dies jedoch wird immer öfter propagiert, zuweilen mit dem scheinmoralischen Argument, dass eben auch Gefahren mit unsicherer Beleglage unbedingte Reaktionen erfordern, denn wollte man erst die soliden Belege abwarten, könnte es zu spät zum Handeln sein. Das hört sich durchaus plausibel an, aber dann könnten alle möglichen herbeiphantasierte Gefahren der Maßstab des Handelns werden .. mit erratischem, meist negativen Ausgang.

Framing

Framing ist ein Prozess einer Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster. Komplexe Informationen werden dadurch selektiert und strukturiert aufbereitet, sodass eine bestimmte Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung in der jeweiligen Thematik betont wird.

Wikipedia

Was nun, wenn diese Deutungsraster einen problematischen ideologisch bedingte Ausrichtung hat? Ist es dann nicht eine Verzerrung der Realität und systematisches Umdeuten von Meinungen und Beobachtungen – so dass der Weg zur wahren Erkenntnis verbaut wird?

„Framing bedeutet, einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für den beschriebenen Gegenstand gefördert wird.“

Robert Entman: Framing: Towards a Clarification of a Fractured Paradigm, 1993.[8] nach Wikipedia

Implizites oder explizites Framing, also solches, bei der die Methode des Framing bewusst eingesetzt wird, trägt darum in sich den Keim des Betruges. Im besonderen, wenn der Aspekt des Framing und des schlichten Überzeugen-Wollen ein Übergewicht gegenüber den Begriffen der Wahrheit und Redlichkeit erhalten. In den Medien, in denen traditionell galt, zwischen (neutraler) Meldung und engagiertem Kommentar zu trennen, weht auf breiter Front ein anderer Wind. Nahezu jede kleine Meldung wird in einen Deutungskontext gestellt, der an sich nicht ideologiefrei sein kann.

Framing bedeutet, dem Betrachter einen Rahmen zu bauen, innerhalb dessen eine Information so erscheint, wie sie gewünscht wird. Edward Bernays, der Erfinder der modernen Propaganda, bei dem sich wiederum Goebbels Inspiration geholt hat, machte einst Zigaretten als «Fackeln der Freiheit» für die Frau von Welt attraktiv. Die Nationalsozialisten versteckten ihre Vernichtungspolitik hinter kryptischen Code-Begriffen oder nannten sie Umsiedlungen. Bernays benannte «Propaganda» später in «Public Relations» um. Frame erkannt, Gefahr gebannt. Begriffe und Bilder sind mächtig. Wer die Sprache kontrolliert, kontrolliert das Denken und lenkt damit demokratische Entscheidungen.

Auch wenn man es sich ungern eingestehen mag: Der Medienkonsument hat keine Chance, sich vor Beeinflussung zu wehren, oder diese auch nur zu erkennen, wenn er sich nicht selbst mit den Schwachstellen des menschlichen Geistes beschäftigt, die jeden Menschen auf natürliche Weise anfällig für Manipulationen machen. Das ist keine Frage von Bildung, sondern eine Frage der Grundkenntnis von der Funktionsweise des Verstandes. Francis Bacon hat diese Vulnerabilitäten schon im 17. Jahrhundert beschrieben.

Framing ist eine Art Brainhack. Als Beitragszahler erwartet man objektive Berichterstattung und Pluralität und nicht, für die eigene Beeinflussung zur Kasse gebeten zu werden. Wer dieses Tool nutzt, weiss, warum. Wer nicht einmal weiss, dass es das gibt, wird irgendwann in einer anderen Wirklichkeit aufwachen.

Milosz Matuschek in der NZZ

Nicht umsonst gilt im amerikanischen Sprachgebrauch Framing als Synonym für Herein-gelegt-werden:

He said he never wrote that story, and that he was being framed.
Er sagte er hätte diese Geschichte nie geschrieben und, dass er reingelegt wird.

context.reverso.net

Verschwörungsleugner

In einer Talkshow versuchte eine Teilnehmerin die disqualifizierenden Begriffe Verschwörungs(-Theoretiker) und (Holocaust / Klima / Corona-)Leugner zu kombinieren, um einen möglichst disqualifizierenden Frame für die Angesprochenen zu erzeugen. Dies war vermutlich eher ein Versprecher, denn es enthüllt die Lächerlichkeit des Anwurfs. Immerhin werden mittlerweile Verschwörungstheoretiker mit Spinnern assoziiert, die erfundene Gefahren über böswillige Vereinigungen oder Sachverhalte heraufbeschwören. Natürlich müsste es im Interesse jeder echten Verschwörung sein, eine Menge erfundener und absurder Verschwörungstheorien zu befördern, um diese zu widerlegen und sich selbst in diesem Dunstkreis zu verstecken. Was allerdings lässt da ein pauschales Urteil aufkommen, dass jede Verschwörungs-‚Theorie‘ falsch sein muss? Kann es denn grundsätzlich keine Verschwörung geben?

Der Begriff ‚Leugner‚ wird in jüngster Zeit in inflationär verwendet, obwohl er als maskuliner Begriff offensichtlich weibliche Leugnende ausschließt … aber so weit reicht die Gendrei dann wohl doch nicht.

Wortbedeutung/Definition:
1) jemand, der leugnet, der etwas in Abrede stellt oder verneint

Begriffsursprung:
Ableitung des Substantivs (Substantivierung) vom Stamm des Verbs leugnen mit dem Derivatem (Ableitungsmorphem-er

Weibliche Wortformen:
1) Leugnerin
Übergeordnete Begriffe:
1) Lügner
Untergeordnete Begriffe:
1) AIDS-Leugner, Christus-Leugner, Gottesleugner, HIV-Leugner, Holocaust-Leugner, KlimaleugnerKlimawandelleugner
Anwendungsbeispiele:
1) Er war ein Leugner ewiger Wahrheiten, ein Rebell und ein Rationalist.

Wortbedeutung Leugner

Dies ist noch etwas unklar, man muss dem Verweis folgen:

Wortbedeutung/Definition:
1) etwas abstreiten; behaupten, dass etwas nicht zutrifft
2) Offenkundiges wider besseres Wissen bestreiten, als unwahr hinstellen
3) Weltanschauungen oder Lehren, die allgemein anerkannt sind oder ernsthaft vertreten werden, für nicht existent erklären

leugnen 

Im Grund ist die Attribuierung der Leugnung eine implizite Behauptung, dass der tatsächliche oder zugeschriebene Gegenstand der angeblichen Leugnung ohne nähere Begründung eben unzutreffend sei. Ein kritischer Diskurs über den Sachverhalt wird nicht angestrebt. Während der Begriff des Gottesleugner heute in Kreisen von Atheisten und Agnostikern eher positiv konnotiert sind, und auch die meisten Gottesgläubigen diesen Begriff ablehnen, denn es würde ja implizit ihren Glauben fälschlich als erwiesene Tatsache hinstellen, sind die anderen Zusammenhänge eher gebräuchlich und klar negativ konnotiert.

Der Begriff Holocaust-Leugner ist weitgehend unstrittig, weil erwiesene Belege der geschichtliche Existenz des Holocausts eigentlich keine Zweifel zulassen.

Anders dagegen die Klimaleugner. Diese Leugnen weder die Existenz des Klimas, noch die Existenz des Klimawandels. Gemeint sei:

Person, die den menschengemachten Klimawandel abstreitet/verneint

wortbedeutung.info/Klimaleugner

Tatsächlich aber bestreiten die so Genannten keineswegs, dass der Mensch das Klima beeinflusst. Allerdings bezweifeln diese, ob ausschließlich der Mensch das (jüngere) Klima beeinflusst, zumal das Klima seit der Entstehung der Welt veränderlich ist. In einer offenen wissenschaftlichen Fragestellung kann es aber keine verlässlichen Wahrheiten der Deutung geben. Folglich ist der Begriff der Leugnung ein reiner Propagandabegriff. Man kann jeden, der diesen Begriff unkritisch verwendet entweder als intentionalen Betrüger oder als verblendeter Mitläufer titulieren.

Im gleichen Stil wird der Begriff des Corona-Leugners verwendet, bei denen die so Titulierten weder die Existenz von Corona-Viren bestreiten, noch die von SARS-Cov2,noch deren mögliche Todesfolge, sondern lediglich über die Gefährlichkeit und ergriffenen Maßnahmen eine Meinung vertreten, die von der bundesdeutschen Regierungsmeinung abweicht.

Jene Dame mit der fragwürdigen Botschaft des Verschwörungsleugners kann sich allerdings nicht rühmen, selbst den Begriff erfunden zu haben. Ein entsprechender Artikel erschien am Freitag, 22. Januar 2021, 16:00 Uhr auf Rubikon

Vor allem Zeitgenossen, die sich für aufgeklärt und rational denkend halten, verunglimpfen gerne die sogenannten „Verschwörungstheoretiker“ als pathologische oder infantile Wirrköpfe. Dabei sind es gerade diejenigen, die Menschen mit anderen Meinungen mit ebendieser Bezeichnung herabsetzen wollen, die sowohl psychisch-mentale als auch argumentative Defizite aufweisen.

Stefan Barme

Weiter schreibt er über die Mechanismen derartiger Wortverwendungen und deren Proponenten:

Sehr viele Menschen sind einfach nicht dazu fähig, wirklich skeptisch zu denken, da sie neue Informationen nicht rational, sondern in Abgleichung mit dem Weltbild, das sich in ihrem Kopf etabliert hat, sogleich rein emotional abschließend bewerten und sich dabei zudem als äußerst autoritätsgläubig erweisen. Wenn sie im Rahmen einer Diskussion merken, dass sie argumentativ unterlegen sind, greifen sie heutzutage nur allzu gerne zu der für solche Fälle bereitstehenden „Wunderwaffe“: Sie werden persönlich und diffamieren ihr Gegenüber als „Verschwörungstheoretiker“.

Stefan Barme

Filterblase

Menschen neigen dazu, dass sie sich eher mit den Informationen beschäftigen die ihre – vorher gewonnene – Einstellung bestätigt, anstelle mit jenen, die diesen widerspricht. Diesen sich verstärkende Effekt wurde früher mit dem Begriff ‚Stammtisch‘ charakterisiert. Neuerdings wird hier unscharf ‚Filterblase‘ verwendet. Er stammt eigentlich aus der Annahme, dass die Algorithmen bei Google in der Präsentation von Suchergebnissen diese verstärken. Das allerdings ist noch umstritten. Der Begriff Filterblase wird nun eher dazu verwendet, um bestimmte – abweichende – Meinungen als Folge einer einseitigen Informationsbeschaffung, der man sich gar nicht erwehren könnte, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, ohne auf konkrete Argumente eingehen zu müssen.

Das ist allerdings nur eingeschränkt stichhaltig. Denn es mag durchaus möglich sein, auch entgegenstehende Quellen und Argumente kritisch zu prüfen, und dennoch zu einer dezidierten Meinung zu kommen, die weniger abhängig ist von Vorurteilen und sozialen Gruppen, sondern von sachlicher Prüfung durch die Urteilskraft. Allerdings kann die Überlegung einer sogenannten Filterblase durchaus helfen, auch die entsprechende Gegenseite zu rezipieren. Eine schicksalhafte Fixierung liegt dagegen nur dann vor, wenn man diese anstrebt und sich selbst gegen andere Meinungen und Argumente immunisiert.

… und die Moral von der Geschicht?

Das Ideal der Erkenntnis, die durch die breiten Informationsangebote heutzutage immer stärker umgesetzt werden könnte, wird durch die diskutierten Methoden in Frage gestellt. Eine Grabenkampf-Polemik kann wohl kaum der Wahrheitsfindung dienen. Die Prinzipien der kritischen Prüfung, sowohl der ‚gegenerischen‘, als auch der eigenen Position, sollten bindend bleiben und einer falschen Lagerbildung entgegen wirken. Aber es bleibt, dass auch nach eine sorgfältigen Prüfung eine sehr entschiedene Meinung vertreten werden kann. Selbstkritik muss keineswegs zur Unentschiedenheit führen. Um aber unterschwelliger Manipulation (Framing, Filterblase , Eristik ) zu begegnen und zu neutralisieren, sollten wir dies Einflüsse erkennen.

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