Erinnerungskultur und deren Lehre

Sich zu erinnern ist nicht nur menschlich, sondern einer der Grundpfeiler der Kultur. Aus der Erinnerung an vergangene Ereignisse gilt es zu lernen. Das traumatischer Erbe der Nazidiktatur, des Holocausts und des verheerenden 2. Weltkrieges sollte darum nicht nur mit Entsetzen und Trauer gedacht werden, sondern auch zur Erweiterung unseres Denkens führen, aber nicht zur Lähmung. Bundespräsident Steinmeier sagte anlässlich des Gedenkens in Yad Vashem:

Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.

Irgendwas passt hier nicht. Und was genau können wir lernen?

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Klimamoral

Stellen Sie sich vor, die Menschheit und die Erde steht vor einer großen Katastrophe … und sie können sie retten. Oder – andere Variante: Sie sind schuld! Das klingt irgendwie nach einer abgedrehten Hollywood-Produktion, die Motive aus einer Comix-Story re-iteriert. Im Zeichen der medial verbreiteten Klimakrise scheint dieses Denken aber größere Mengen von Menschen zu betreffen. Massenbewegungen werden herbeigerufen und tatsächlich kommen Massen. Was treibt sie an? Eine kollektive Zukunftsangst? Oder ist es ein moralischer Impetus, der geradezu aus einer Verpflichtung zum Handeln geboren wurde? Anstoß zu den weiteren Überlegungen gab der Artikel Klimamoral von Dr. Joachim Dengler .

Natürlich kann man sich mit den Sachargumenten und den Inhalten beschäftigen, mit Ursachen und Konsequenzen von Handlungen und Maßnahmen zum Klimawandel und Klimaschutz. Das ist hier aber nicht Gegenstand, sondern die Frage, was das Verhalten im Kontext wirklich bestimmt. Menschen handeln vor allem aus wenigen Antrieben. Das eine sind biologisch-psychologische Befindlichkeiten, wie Grundbedürfnisse und gesellschaftlich-sozialisationsbedingte Rollenmuster. Das andere sind bewusste Entscheidungen, die auf einem ethisch-moralischen Modell aufsetzen. Um letzteres geht es hier. Und die Methode ist das Durchspielen in diversen Szenarien.

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Freihandel und Liberalismus

Sind Themen der Volkswirtschaft Gegenstand philosophischer Betrachtung? Ist das nicht eher was für Fachleute? Ein klares nein, denn die Vorgaben an die Volkswirtschaft laufen immer in einem philosophischen Kontext. Die persönlichen Freiheiten sind oft verwoben in einem wirtschaftlichen Kontext, in dem die Volkswirtschaft und Staat eine prägende Rolle spielen. Man muss der Marx’schen These ‚Das Sein bestimmt das Bewusstsein‘ keineswegs vollumfänglich zustimmen um zu erkennen, dass da durchaus etwas dran ist.

Weiterhin zeigten die grandiosen Fehl-Prognosen führender Volkswirtschaftler, dass diese keineswegs über jede Kritik der Laien erhaben sind. Im Besondern gilt es hier zu fragen, ob Liberalismus – im Sinne von Kapitalismus – und Freihandel denn erstrebenswert und gut seien, bzw. Protektionismus negativ … und ob das Eine das Andere bedingt. Genau so wenig ist eine pauschale Globalisierungskritik geeignet, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Neben den Zielen und Bewertungen, die fraglos philosophische Gegenstände sind, sind kausale Zusammenhänge und Wirkketten über das Fachstudium hinaus auf einer Ebene, die die Bewertung stark beeinflusst – auch wenn das Nachdenken darüber nicht gerade Behaglichkeit verheißt..

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Objektivistische Ethik

Die Tugend des Egoismus … hört sich seltsam an … der Text stellt einige interessante Fragen:

Durch Jahrhunderte von Geißeln und Katastrophen, die durch deinen Moralkodex verursacht wurden, hast du geweint, dass dein Kodex gebrochen wurde, dass die Geißeln eine Strafe dafür waren, dass du ihn gebrochen hast, dass die Menschen zu schwach und zu egoistisch waren, um all das Blut zu vergießen, das er erforderte. … Du hast weiter geweint, dass dein Kodex edel sei, aber die menschliche Natur nicht gut genug, um ihn zu praktizieren. Und niemand erhob sich, um die Frage zu stellen: Gut?- Nach welchem Maßstab?

Ayn Rand, THE VIRTUE OF SELFISHNESS 1964 Übersetzt mit https://www.deepl.com/translator

Was ist der Maßstab von gut und böse? Ist es ein angeborenes Empfinden? Eine göttliche Gabe, seit dem Sündenfall dem Menschen zu eigen? Umsetzung der Bibel? Eine kulturelle Ausprägung? Oder gibt es objektive Grundlagen, den wir auf dem Weg des Denkens erschließen können? Doch weiter im Text:

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Totensonntag

Heute wird in den Kirchen der Toten und der eigenen Sterblichkeit gedacht. Manch einer erschrickt und verdrängt den Gedanken, so wie in dem Song:

Come in here, dear boy, have a cigar,
You’re gonna go far,
You’re gonna fly high,
You’re never gonna die,
You’re gonna make it if you try,
They’re gonna love you.

‚Have a Cigar‘ von Pink Floyd

Andere haben sich mit dem Gedanken des – auf kurz oder lang -kommenden Todes bereits angefreundet. Manche versuchen fast zwanghaft, ihr Leben zu verlängern, dem Tod zu entkommen. Und wieder Andere fragen: Gibt es ein Leben vor dem Tod?

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Trennschärfe und Unschärfe

Ordnung fragt nach Unterscheidung von Ungleichem und Feststellung der Gleichheit. Was ist richtig – was falsch? Was ist wahr oder unwahr? Was ist gut oder böse? Nun ist es modern geworden, Grauzonen zu entdecken. Also nicht mehr klar zu unterscheiden, was richtig oder falsch ist. Darin liegt einerseits eine neue Ehrlichkeit, die sich gegen Simplifizierung wehrt, zugleich eine erschreckende Indifferenz zur Auflösung der Werte. Es lohnt sich, diesen Sachverhalt, den unerfüllten Wunsch nach Trennschärfe von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten.

Im Laufe dieser Betrachtung werden wir dies anhand von zwei Beispielen untersuchen, der Sünde und der nationalen Identität.

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Gerechtigkeit, Gott und das Glück

Wer von Gerechtigkeit spricht meint heute ein Empfinden, dass allen Menschen gleiche Chancen zuspricht und Regeln, deren Verletzung einer Ahndung oder ‚Heilung‘ bedürfen. Dennoch bleibt unklar, ob dieses Empfinden ein Gewordenes und damit Kulturrelatives bleibt, oder ob es an das Absolute heranreicht. Früher sprach man von den Universalien: Gibt es die Gerechtigkeit, die Liebe, das Glück, die Freiheit etc. überhaupt? … oder ist es nur ein Attribut, eine Zuschreibung. Würde es die Gerechtigkeit als Absolutes nicht geben, so bliebe sie willkürlich und verfügbar. Jeder, der im Namen der Gerechtigkeit oder der Freiheit irgendetwas fordert, hätte nicht nur einen leeren Satz produziert, sondern man könnte jenem Irrelevanz unterstellen, weil ja sein Gegenüber eben ein anderes Empfinden habe … und was mache dann des Einen Empfindung gegenüber des Anderen vorzüglich?

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Das Lob des Undogmatischen

Da war es wieder: In einem kleinen Bericht über einen Vortrag von
Prof. Rolf Lessenich über die Philosophie von Anthony Ashley Cooper, des 3. Grafen von Shaftesbury
war zu es zu lesen.

Der Schüler John Lockes bevorzugte in seinen Schriften den lebendigen Dialog gegenüber der trockenen systematischen Abhandlung. Diese undogmatische, anti-systematische, literarische Form seines Philosophierens faszinierte neben anderen auch bedeutende deutschsprachige Schriftsteller wie Wieland, Herder, Goethe und vor allem Schiller

Aber im gelobten Undogmatischen stecken gleich zwei Ansichten: Zum einen versteht der Leser, dass es eben um eine unmittelbare Erfahrung geht, die sich nicht von vornherein in ein Korsett einer weltanschaulichen Lehre zwängen lässt. Zugleich aber verweigert er sich der Schlussfolgerung aus der Beobachtung. Warum?

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Christentum und AfD

Politik und Philosophie haben viele Berührungspunkte, denn sie stellen ein gemeinsames Feld von Ethik und Selbstverständnis dar. Christlicher Glaube ist ein Bekenntnis, dass sich auf eine bestimmte Grundlage festgelegt hat. Im Besonderen ist es ein Bekenntnis zum Doppelgebot der Liebe, dass nicht nur den Nächsten (Schwester und Bruder) sondern auch den hilfsbedürftigen Fremden  und den Feind einschließt. Damit eine durchaus relevante Problemstellung einer philosophisch-ethischen Grundausrichtung.

In der bundesdeutschen Parteienlandschaft ist vor allem die AfD umstritten. Die Kirchenleitungen engagieren sich sehr explizit in einer Gegenposition und warnen dafür. Aber tun sie das mit Recht? Ist es für den Christen ein Problem des Bekenntnisses, sich in Wahlentscheidungen hinter die AfD zu stellen oder gar aktives Mitglied zu sein?

Weiter gedacht stellt sich die Frage, wie denn nun diese beiden Pole Christentum und AfD zum Zeitgeist und den Megatrends verhalten. Denn es ist nicht nur die Frage, dass es ein fest umrissenes Christentum vs. DIE AfD gibt, sondern auch die Formung einer aktuellen Denkrichtung, de zwar ebensowenig sich punktuell fixieren ließe, dennoch wirkmächtig auch die Deutung des Christentums beeinflusst, bzw. die ihrerseits das Christentum ins Abseits stellt. Davon wird am Schluss die Rede sein.

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Der Staat und der Einzelne

Die Frage, in wie weit der Staat, vor allem in der Demokratie, die Aufgabe der Einzelnen wahrnehmen soll, ja deren Ethik im Großen gleichförmig fortführen muss, wurde Heute im Gespräch mit Wieland Arnold thematisiert. Dies bezog sich auf den Aufsatz Migration und christlicher Glaube und der damit gemachten Aufgabe, dass Nächstenliebe ein Gebot für den Einzelnen sei, nicht ein Gebot für den Staat. Diese Unterscheidung sei nicht gerechtfertigt, denn der Staat entsteht je erst durch die Summe seiner Bürger. Darum bestehe grundsätzliche Homogenität zwischen der Moral des Einzelnen und des Staates.

Bei allem Respekt für diese Position, die man auch als Fortführung oder Umkehrung des Kant’schen Kategorischen Imperativs:

Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.

Ich hege aber Zweifel, ob dies ein durchdachter Ansatz ist. Der Grund ist die Frage nach Aufgabe und Verantwortung.

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