Philosophie und christlicher Glaube

Prallen hier Gegensätze aufeinander? Ist die Philosophie nicht der Einsatz von Skepsis und des nüchternen Verstandes, der christliche Glaube dagegen irrational und von Gefühlen getrieben? Tatsächlich verstehen sich viele atheistische Philosophen als Gegner zu jeglicher Religion. Gläubige, insbesondere Evangelikale fürchten, dass sie mit einem leeren Wind der Worte vom Weg der Wahrheit abgebracht werden könnten. Und dazu gibt es auch eine Belegstelle:

Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.

Kolosser 2,8 – nach Luther 2017

Ist damit schon alles wichtige gesagt? So einfach ist es nicht, denn Paulus argumentiert hier nicht gegen eine Gattung des Denkens, sondern bestimmter Philosophien, die das eigentliche Ziel der Liebe zur Weisheit verraten. Wer wollte bestreiten, dass es auch Wortklauber und Sinnverdreher gibt, die sich Philosophen nennen? Dem Sinn besser entsprechend ist diese Übertragung:

Passt auf, dass ihr nicht auf Weltanschauungen und Hirngespinste hereinfallt. All das haben sich Menschen ausgedacht; aber hinter ihren Gedanken stehen dunkle Mächte und nicht Christus.

Kolosser 2,8 – nach Hoffnung für alle

Tatsächlich gab es in der Geschichte keineswegs nur atheistische Philosophen, sondern häufig auch solche mit klarem christlichem Bekenntnis. Viele Gedanken der Bibel, im Besonderen des Neuen Testaments, korrespondieren mit philosophischen Ansätzen und befruchten sich gegenseitig, denn auch in der Folge bezogen sich Philosophen häufig genau auf jene. Nicht zuletzt die dialektische Struktur der christlichen Lehre verhinderte, dass sie sich von Dogmatikern völlig vereinnahmen ließ. Es gibt gute Gründe, die christliche Lehre wegweisend nicht nur für die Geistesgeschichte des Abendlandes und der Ausbildung moderner Wissenschaften war, sondern letztlich auch der ganzen Welt, wenngleich in modifizierter Form. Ebenso wichtig ist der Dienst der Philosophie für den christlichen Glauben: Er kann Irrtümer und Sektierertum reduzieren.

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Wahrheit und Konsens

Die Unterstellung, dass es den meisten Menschen um die Erkenntnis der Wahrheit geht, kann als hinreichend plausibel gelten. Dennoch tun sich zuweilen Zweifel auf. Wenn Interessen oder Ideologie im Spiel ist, wird man der Wahrheitserkenntnis möglicherweise eine geringere Priorität einräumen. Dennoch erscheint eine Behauptung vielen Menschen glaubwürdig, wenn sich die Fachleute zum Thema scheinbar einig sind. Dies ist im Besonderen dann der näheren Betrachtung wert, wenn es um komplexe Sachverhalte geht, die dann Gegenstand der Wissenschaft werden. Also traut sich ein Fachfremder selten ein eigenes Urteil zu. Der vermeintliche Konsens wird dann zum Gegenstand unbestreitbarer Wahrheit.

Im Besonderen wird der sogenannten Klimakonsens häufig zum Hauptargument weitreichender politischen Entscheidungen heran gezogen. Bedenklich daran ist, dass es zunehmend weniger um das fachliche Argument geht, sondern das eine Ersatz-Wahrheit auf den Sockel gesetzt wird. Gleichsam gilt es als weitgehend akzeptiert, dass es ein absolute Wahrheit nicht gäbe. Natürlich könne man sich auch irren, aber durch hohe Werte der Gewissheit versus der Irrtumswahrscheinlichkeit wäre dies praktisch von geringer Relevanz.

Die folgende Untersuchung bezieht sich einerseits auf sprachliche und wissenschaftliche Grundlagen, wie auch auf die aktuelle Studie Greater than 99% consensus on human caused climate change in the peer-reviewed scientific literature von Mark Lynas, Benjamin Z Houlton and Simon Perry – Published 19 October 2021. Dieser Veröffentlichung wurde das Beitragsbild oben entnommen, das bereits selbst den vermeintlichen ‚Schlussfolgerung‘ dieser Arbeit widerspricht.

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Verschwörungsleugner und Framing

Können toxische Begriffe aus dem öffentlichen Diskurs durch Offenlegung entschärft werden? Denn allenthalben wird mit pejorativen Begriffen der Meinungsgegner diskreditiert und ausgegrenzt. Argumente scheinen nicht mehr zu zählen. Argumenten wird generell mit Skepsis begegnet: Seien diese nicht grundsätzlich nur Ergebnisse von tendenzieller Positionen – vor allem, wenn sie der eigenen Meinung widersprechen? Negative Attribuierung stößt dagegen seltener auf pauschale Zurückweisung, sondern zeigt Wirkung.

Wir erinnern uns an das aus der Mode gekommene Ideal der Erkenntnis und des Diskurses: Wir suchen möglichst offen und vorurteilsfrei nach der Wahrheit, auch wenn wir Irrtümer nicht ausschließen können. Der Diskurs kann durch einen offenen Austausch der Argumente helfen, die Erkenntnis fortschreiten zu lassen und eigene Fixierungen in Irrtümern zu lösen. Tendenziell aber finden wir dagegen einen Grabenkrieg, in dem vorgefertigte Meinungen mit allen Mitteln verteidigt und durchgesetzt werden. Ist das der gordische Knoten, den es zu durchschlagen gilt?

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Der Reiz des Aktuellen

Ist es nicht eine Binsenweisheit, dass eben das, was gerade on Vogue ist, viel mehr begeistert? Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Neugier nach News den Hang zu Banalem und Oberflächlichen verstärkt. Immer weniger ist die Grundlagenforschung Thema, denn die kostet Zeit und Anstrengung. Sie ist nicht Hipp und passt auch nicht zu den Top-Themen des Tages. Zumindest bei mir selbst habe ich diesen Trend wahrgenommen. Wie angenehm, wenn man ein wenig über den Tellerrand der eigenen Kurzsichtigkeit gehoben wird. Einen derartiger Artikel von Rob Henderson, der beim Aktuellen startet, dann aber mehr nach den Gründen fragt, habe ich unter dem Titel Wer ist leichtgläubiger: Feine Leute oder gemeines Volk? gefunden.

Er schreibt: „In den 1980er Jahren entwickelten die Psychologen Richard E. Petty und John T. Cacioppo das „Elaboration Likelihood Model“, um zu beschreiben, wie das Überzeugen funktioniert.“ Und da steht dann doch sehr wichtiges, auch wenn der Ausgangstext schon rund 40 Jahre alt ist.

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Klimakirche

Mich beschäftigen Fragen nach Gott, Kirche und Klimawandel. Darum ist es unvermeidlich, sich mit der Predigt von Luisa Neubauer, prominente Klimaaktivistin, am Abendgottesdienst in der Fastenpredigtreihe, Sonntag Reminiscere, 28.02.2021, 18 Uhr (32:57 bis 50:04 ) zu befassen. Im Umfeld und in der Kritik wurde das jugendliche Alter, der persönliche Lebensstil und die Ideologie kritisiert und die Frage nach der Rolle der Kirche in der Politik. Dies alles mögen berechtigte Fragen sein, aber man muss den Beitrag direkt wahrnehmen, anstelle durch Vorurteile nicht mehr zuzuhören. Darum ist die Originalquelle unverzichtbar.

Vorab: Die Predigt ist besser als zu befürchten war, zumindest formal. Sie hat einen klaren Bezug zum christlichen Glauben und ist rhetorisch kaum zu kritisieren. Sie ist eine differenzierte Beschäftigung mit der Sorge, der Vorsorge und der Fürsorge. Die Kritik muss sich zuerst mit den Inhalten beschäftigen. Theologische Aussagen, Tatsachenbehauptungen und Konsequenzen für das eigene und gesellschaftliche Leben sind zu prüfen. Und da tut sich Bedenkliches auf.

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Schöpfung und Evolution

Für unser Selbstverständnis ist es maßgeblich, wie wir unsere Herkunft denken. Aktueller Anlass dieses Aufsatzes ist ein Artikel in der FAZ – Natur und Wissenschaft- vom 24. Februar 2021. Der Autor Joachim Müller-Jung behauptet im Untertitel: ‚Vor genau 150 Jahren stieß Charles Darwin den Menschen endgültig vom Thron der Schöpfung‘. Abgesehen davon, das der Mensch nie als der Schöpfer oder Regent der Schöpfung behauptet wurde, meint der Verfasser wohl, dass es eine Schöpfung als intentionaler Akt Gottes widerlegt sei. Das wäre jedoch falsch. Darwin hat lediglich die Behauptung aufgestellt, dass natürliche Auslese ein hinreichender Grund für die Entwicklung der Arten sei. Dies aber ist bislang unzureichend belegt, denn Modelle der Makroevolution, also von evolutiven Innovationen aus reinem Zufall, bleiben ohne starke Indizien. Hier wollen wir uns mit dem Gedanken der Schöpfung, der Quellen und der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse beschäftigen.

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Was treibt die Menschen an?

Menschen verhalten sich zuweilen seltsam. Nicht nur bei Dritten erscheint es so, dass sich ihr Verhalten oft nicht nach ihren vermeintlichen Interessen ausrichtet. Wäre nicht ein Leben in Liebe und Frieden das höchste Ziel? Warum suchen sie dennoch nach Streit, Gefahr, Krieg und Ungemach? Wer kennt nicht streitende Kinder? Wer wundert sich nicht über Drogenabhängige oder Menschen, die sich Horrorfilme anschauen? Freud sprach vom Destruktionstrieb und die Religionen geben dem Bösen einen Namen. Gibt es eine Lust am Bösen? Doch stets bleiben alle Erklärungen unbefriedigend: Was treibt den Menschen wirklich an, und vor allem: Warum?

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Fake – Philosophen

Kann es wahr sein? Der von mir hoch geschätzte Gegenwarts-Philosoph Gunnar Kaiser schockierte mit der Forderung nach einem staatlichen Gütesiegel zur Berechtigung von Philosophen zum Auftritt in Massenmedien. Die Kritik an Zeitgeist-Adlaten wie Precht, und auch die inhaltlichen Forderungen wirkten durchaus bedenkenswert. Er wollte Fake-Philosophen disqualifizieren … Tatsächlich sind die Prediger der regierungsamtlichen Wahrheit und des Zeitgeistes fragwürdige Gestalten, wenn sie gar den Duktus der autoritativen Wahrheit vermitteln wollen. Aber eine staatliche Prüfung? Das kann doch nur im Missbrauch enden! Natürlich war es tatsächlich eine Persiflage basierend auf seinen Beitrag maiLab liebt die Technokratie.

Da es aber nicht nur komisch war und eine Überzeichnung, hat er die Argumentation der zu recht kritisierten Positionen von Mai Thi Nguyen-Kim umgedreht. Die ernst gemeinten Argumente verdienen die Diskussion.

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Vom Wesen des Zufalls

Öfters schon stieß ich auf den Zufall als eine gebräuchliche Welterklärung, zuletzt hier: Glaube vs. Rationalität? Ich halte es allerdings für notwendig, genauer zu ergründen, was es damit auf sich hat, und was andere dazu denken. Immerhin handelt es sich ja um ein mögliches Grundprizip des Seins, soweit zumindest Peter Möller. Aristoteles führt das Sein auf den ersten Grund, den unbewegten Beweger zurück. Möller sieht hier keinen zwingenden Grund, sondern sieht in der Kausalität lediglich eine menschliche Rationalisierung, die das Sein nicht hinreichend erkennen kann.

Um das zu diskutieren ist vor allem die Rolle des Zufalls zu verstehen.

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Diskurs und alternative Fakten

Unlängst machte die Bundeskanzlerin von sich reden, dass sie den Anspruch der Wahrheit in besonderer Weise vertrat:

Merkel sagte, der Umgang mit dem Phänomen werde „vielleicht auch eine Aufgabe für Psychologen sein.“ Forschung zur Frage sei nötig: „Wie verabschiedet man sich eigentlich aus der Welt der Fakten und gerät in eine Welt, die sozusagen eine andere Sprache spricht und die wir mit unserer faktenbasierten Sprache gar nicht erreichen können?“ Es gebe bei Anhängern solcher Denkmuster „eine richtige Diskussionsverweigerung“.

Tagesschau vom 15.12.2020

Abgesehen von der Drohung mit der Psychiatrie für Kritiker und Oppositionellen, die an die finstersten Zeiten des Nazi- und stalinistischen Terror erinnern, führt zum Entsetzen, dass sie nahezu die Vorwürfe an sie spiegelt, die seit langer Zeit an die Regierung gerichtet wird. Was ist nun richtig? Natürlich ist es, wenn jemand glaubt, die eigene Weltsicht sei wahr. Problematisch ist, wenn jeder Zweifel daran ausgeschlossen wird. Im Besonderen der Anspruch, das Eigene sei ausschließlich auf Fakten beruhende Ansicht, quasi unhinterfragbar.

Wer verweigert den Diskurs, wenn man den Meinungsgegnern unterstellt, dass sie nicht faktenbasiert argumentieren? Darf man nicht den Fehler eines Grabenkampfes machen, sondern muss zum offenen Diskurs zurück kehren? Was ist, wenn zumindest ein Seite recht hätte, und die Gegenseite tatsächlich keinen Diskurs will?

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