Realität vs. poststrukturalistische Linke

Lesen bildet. Aber nicht alles, was intellektuell anspruchsvoll und akademisch klingt, ist auch wohl durchdacht oder zutreffend. Auf den Begriff der ‚poststrukturalistischen Linken‘ stieß ich beim Lesen von Vive la Diffé­rence! Wenn Linke und Rechte von #Diffe­renz reden, meinen sie nicht das Gleiche von Jule Govrin und Andreas Gehrlach. Die Einleitung behauptet:

Alle reden von Differenz – die reaktionäre Rechte, die poststrukturalistische Linke und die Neoliberalen. Der Begriff begann seine Karriere um das Jahr 1968 herum, und man kann sich im Gewirr seiner politischen unterschiedlichen Bedeutungen leicht verlieren. Dabei sind die Fronten eigentlich klar.

Jule Govrin / Andreas Gehrlach

Natürlich stellt sich die Frage, wie sich Differenzen in der Realität darstellen. Im Poststrukturalismus zweifelt man jedoch an der Realität als objektiven Maßstab und hält diese durch die Sprache erst konstruiert. Als großer Freund des Phantastischen liebe ich nicht nur Pippi Langstrumpf – Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt – als die Symbolfigur des Zeitgeistes. Science Fiction und phantastische Literatur (z.B. das Werk von Walter Moers) haben es mir angetan.

Dagegen meint Dushan Wegner:  »Am Ende gewinnt immer die Realität!« . Wegner hält darin offensichtlich die Realität für eine unbestechliche Befindlichkeit, die man nicht durch die Kraft des Geistes beliebig verändern kann. Trotz meines Faibles für das Phantastische bin ich geneigt, Wegners profane Ansicht zu teilen. Ich habe darum den Text von Jule Govrin und Andreas Gehrlach genauer unter die Lupe genommen: Gibt es die behaupteten klare Fronten … im Poststrukturalismus? Oder ist das alles nur ein Konstrukt ohne Bedeutung?

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Engel – Bilder – Vermittlung

Dem naturwissenschaftlich denkenden Menschen erscheint die Vorstellung von unsichtbaren Geistwesen, die hier im Zeitlauf der Welt wirken, abstrus und ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Dennoch glauben einigen Umfragen zufolge mehr Menschen an die Existenz jener Engel als an die Existenz eines Schöpfergottes. Dem Theologen sind die Engelvorstellungen auch eher schwierig. Wofür braucht ein allmächtiger Gott noch zusätzliche Geistwesen als Gehilfen? Aber genau so könnte man fragen: Wozu braucht er Menschen? In wie weit sind Engelsvorstellungen Bilder von einer anderen Realität? Oder sind diese Vorstellungen reine Illusion, ohne wahren Bezug zur Realität?

Wer zur Existenz oder Nichtexistenz jener Engel bereits eine feste Meinung hat, wird wohl kaum weiter darüber nachdenken wollen. Aber letztlich führt dies zurück in die Frage: Was ist überhaupt real? Was hat überhaupt ‚Existenz‘? Gemäß Platons Höhlengleichnis ist das, was wir gemeinhin für die Realität halten, nur wie ein Schatten an der Wand. Durch die Quantenmechanik wissen wir, dass die vermeintlich festen Stoffe nicht nur aus sehr vielen Molekülen und Atomen bestehen, sondern diese wiederum aus unglaublich schnell rotierenden Energiefeldern. Es ist ein Wunder, dass diese Stoffe über Jahrmillionen bestand haben können, wenn sie sich doch innerhalb von Nanosekunden tausendfach verändern. Auch Einstein wusste, dass es keine feste Grenze zwischen Materie und Energie gibt. Gibt es nun eine feste Grenze zwischen dem Bild und der Realität?

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Das Leben, Zeit und Ewigkeit

Die Erklärung, was das Leben eigentlich sei, was vielleicht das falsche Leben sei … all das erscheint zunächst selbstverständlich, aber wird schwierig, wenn man darüber nachdenkt. Die Biologie beschreibt das Leben zumeist als Stoffwechselprozesse. Menschen verstehen Leben meist mehr oder minder als die bewusste Existenz. Man mag über die Fähigkeit zur Entwicklung, das Fühlen oder Entscheiden intuitiv für wichtig halten. Aber stets sind damit Prozesse verbunden, die nur auf dem Hintergrund des Zeitablaufs zu verstehen sind. Unser Denken setzt die Zeit voraus.

Ewigkeit wird gemeinhin als Endlosigkeit verstanden. Es geht immer weiter und hört niemals auf. Es ist bereits ein philosophischer Ansatz, diese Vorstellung der Ewigkeit nicht als Antwort auf den Schrecken des Todes zu suchen. Ja, der Tod bleibt schrecklich, aber er verleiht dem Leben eine gewisse Dimension der Kostbarkeit. Eine Endlosigkeit, selbst des Paradieses, wird dann ebenso beängstigend, denn die Perspektive geht verloren. Man kann in der Ewigkeit der Langweile kein Ende bereiten. Dennoch hat die Ewigkeit – in einem anderen und weniger fassbarem Sinn – eine entscheidende Bedeutung als Ziel des Lebens.

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Ignoranz, Überheblichkeit, Selbstbetrug

Es gibt viele Menschen auf der Welt, die sind klüger und besser gebildet. Wissenschaftler und Intellektuelle, aber auch einfache Menschen können mit erstaunlichen Fähigkeiten und Kenntnissen aufwarten, die den eigenen überlegen sind. Dennoch wird himmelschreiender Unsinn die Menge zum Besten gegeben, auch von vermeintlichen Koryphäen. Einiges davon kann man klar erkennen, bei anderen Dingen liegt der Verdacht nahe. Wie kann das sein? Die intellektuellen Fallstricke scheinen da bei vielen ein akutes Problem zu sein, natürlich nur bei den anderen … wirklich?

Hier will ich über die Frage nachdenken, wie ich es verhindern kann, dass ich derartigen intellektuellen Lastern erliege. Offensichtlich ist niemand, auch nicht der Klügste, davor gefeit, und man kann auch für die eigene Zukunft nicht garantieren. Um so wichtiger ist die theoretische Überlegung, die eigene Reflektion und die Lehren, die man daraus zieht. Brennend wäre ich daran interessiert, was Sie, lieber Leser, dazu herausgefunden haben. Vielleicht Kritik an meinem Denken, eigene Erfahrungen oder praktische Tipps. Und schon sind wir beim Thema …

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Klimamoral

Stellen Sie sich vor, die Menschheit und die Erde steht vor einer großen Katastrophe … und sie können sie retten. Oder – andere Variante: Sie sind schuld! Das klingt irgendwie nach einer abgedrehten Hollywood-Produktion, die Motive aus einer Comix-Story re-iteriert. Im Zeichen der medial verbreiteten Klimakrise scheint dieses Denken aber größere Mengen von Menschen zu betreffen. Massenbewegungen werden herbeigerufen und tatsächlich kommen Massen. Was treibt sie an? Eine kollektive Zukunftsangst? Oder ist es ein moralischer Impetus, der geradezu aus einer Verpflichtung zum Handeln geboren wurde? Anstoß zu den weiteren Überlegungen gab der Artikel Klimamoral von Dr. Joachim Dengler .

Natürlich kann man sich mit den Sachargumenten und den Inhalten beschäftigen, mit Ursachen und Konsequenzen von Handlungen und Maßnahmen zum Klimawandel und Klimaschutz. Das ist hier aber nicht Gegenstand, sondern die Frage, was das Verhalten im Kontext wirklich bestimmt. Menschen handeln vor allem aus wenigen Antrieben. Das eine sind biologisch-psychologische Befindlichkeiten, wie Grundbedürfnisse und gesellschaftlich-sozialisationsbedingte Rollenmuster. Das andere sind bewusste Entscheidungen, die auf einem ethisch-moralischen Modell aufsetzen. Um letzteres geht es hier. Und die Methode ist das Durchspielen in diversen Szenarien.

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Wahrheit und Konsens

Wer einige meiner Aufsätze bereits kennt weiß, das ich die leidenschaftliche Überzeugung vertrete, dass es eine objektive Realität gibt. Die Wahrheit ist die Summe aller zutreffenden Sätze zu dieser. Unbestritten ist, dass die Erkenntnis der Wahrheit jedoch stets subjektiv und fehlerträchtig bleibt. Die These hier, die meist unausgesprochen vertreten wird: Der Konsens zwischen Experten vermittelt die Wahrheit. Denn die Gemeinschaft kann grundsätzlich mehr Wissen akkumulieren, verarbeiten und beurteilen als der Einzelne … im Besonderen, wenn ihm Fachkenntnisse mangeln.

Andererseits bleibt das Vertrauen auf Dritte, die die Rolle von Autoritäten jenseits des Sachargumentes einnehmen, dem Gedanken der Aufklärung fremd. Zu sehr wurde das Argument der Autorität als Herrschaftsinstrument missbraucht. Aktuell wird dies in der Klimadiskussion deutlich. Hier wollen wir prüfen, was nun Gültigkeit hat.

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Erkenntnis, Glaube und Zweifel

Der Mensch ist neugierig. Er will wahre Antworten, nicht zuletzt auf die Grundfragen der Menschheit. Manche geben sich mit tradierten Antworten zufrieden oder glauben irgend was. Andere resignieren bei der Frage und behaupten, eben nichts zu glauben. Aber manche wollen es genauer wissen, sie wollen nicht resignieren und auch nichts Beliebiges glauben. Sie suchen nach Erkenntnis.

Glauben ist zunächst ein Fürwahrhalten von Dingen und Aussagen, die man nicht hinreichend beweisen kann. Aber wie erlange ich dennoch eine vertretbare Erkenntnis, wenn sich die finale Wahrheit unserem Zugriff entzieht? In zweiter Hinsicht ist Glaube auch Vertrauen auf andere Autoritäten: Glaube ich den Wissenschaftlern? Oder an Gott? oder meiner Peer-Group, den Medien? Ist radikaler Skeptizismus die bessere Option? D.h. ich glaube, es gibt keine verlässliche Informationsquelle? Hier will ich mich mit dem besonderen christlichen Ansatz beschäftigen: Erkenntnis durch Glauben!

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Gerechtigkeit, Gott und das Glück

Wer von Gerechtigkeit spricht meint heute ein Empfinden, dass allen Menschen gleiche Chancen zuspricht und Regeln, deren Verletzung einer Ahndung oder ‚Heilung‘ bedürfen. Dennoch bleibt unklar, ob dieses Empfinden ein Gewordenes und damit Kulturrelatives bleibt, oder ob es an das Absolute heranreicht. Früher sprach man von den Universalien: Gibt es die Gerechtigkeit, die Liebe, das Glück, die Freiheit etc. überhaupt? … oder ist es nur ein Attribut, eine Zuschreibung. Würde es die Gerechtigkeit als Absolutes nicht geben, so bliebe sie willkürlich und verfügbar. Jeder, der im Namen der Gerechtigkeit oder der Freiheit irgendetwas fordert, hätte nicht nur einen leeren Satz produziert, sondern man könnte jenem Irrelevanz unterstellen, weil ja sein Gegenüber eben ein anderes Empfinden habe … und was mache dann des Einen Empfindung gegenüber des Anderen vorzüglich?

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Der Wille zu Glauben

Willst du Glauben oder nicht? Willst du, aber kannst du nicht? Überraschende Fragen, denn Glaube ist für mich weniger eine Frage von Gefühl und Fähigkeit, sondern von Überzeugung und Entscheidung. Wir wissen weit weniger, als wir es gerne hätten, und dennoch gehen wir quasi von Gewissheiten aus. Reines Wunschdenken, wenn es als solches erkannt wird, kann nicht funktionieren: Wer will sich schon selbst betrügen?

Da, wo eine tiefe Überzeugung, z.B. wegen Erfahrungen, fehlt, steckt die Frage des Glaubens in einem Denkraum: Glauben kann man nur, was man zumindest für möglich hält. Unter Ungewissheit trifft man dann die Entscheidung, ob man sein Vertrauen auf das Geglaubte setzen will. Selbstverständlichkeiten sind dagegen weniger ein Maß des Glaubens. Denn das, was selbstverständlich erscheint, ist oft nur geprägte Meinung und Gewohnheit. Auch Plausibilitäten alleine können oft keine hinreichende Gewissheit verschaffen, die einer Überprüfung stand hält. Letztlich ist Vieles eine Frage des Glaubens. Die Adaption vermeintlicher Selbstverständlichkeiten, die letztlich schwach begründet sind, können zwar auch geglaubt werden, aber warum?

William James veröffentlichte 1896 ein religionsphilosophisches Essay mit dem Titel The Will to Believe. Das englische Original ist leider nur über ein VPN erreichbar, z.B. über den Opera Browser. Einige Aspekte daraus lohnen eine nähere Betrachtung.

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Unmittelbarkeit und Vermittlung

Gibt es eine direkte, unmittelbare Erfahrung oder Erkenntnis? Spontan würde man jedes Gefühl, im besonderen wenn es stark ist, als unmittelbar bezeichnen. Aber dann kommen Zweifel auf: Sind dies nicht vielleicht nur simulierte Gefühle, leben wir vielleicht doch in einer Matrix? Sind nicht auch Drogenerfahrungen stark? Auch physiologisch würden wir die Nervenimpulse, die durch die Neuronen von unseren Sinnesorganen an das Gehirn gemeldet werden, eben doch nur als vermittelt verstehen. Die Rohdaten, die durch jene Nervenbahnen in der ‚CPU‘ ankommen, sind zumeist vorbewusst und werden auf dem Weg der Verarbeitung und Interpretation – zumeist unbewusst – erst unserem Bewusstsein zuteil. Was bedeutet das für unsere Erkenntnis?

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