Die Erklärung, was das Leben eigentlich sei, was vielleicht das falsche Leben sei … all das erscheint zunächst selbstverständlich, aber wird schwierig, wenn man darüber nachdenkt. Die Biologie beschreibt das Leben zumeist als Stoffwechselprozesse. Menschen verstehen Leben meist mehr oder minder als die bewusste Existenz. Man mag über die Fähigkeit zur Entwicklung, das Fühlen oder Entscheiden intuitiv für wichtig halten. Aber stets sind damit Prozesse verbunden, die nur auf dem Hintergrund des Zeitablaufs zu verstehen sind. Unser Denken setzt die Zeit voraus.
Ewigkeit wird gemeinhin als Endlosigkeit verstanden. Es geht immer weiter und hört niemals auf. Es ist bereits ein philosophischer Ansatz, diese Vorstellung der Ewigkeit nicht als Antwort auf den Schrecken des Todes zu suchen. Ja, der Tod bleibt schrecklich, aber er verleiht dem Leben eine gewisse Dimension der Kostbarkeit. Eine Endlosigkeit, selbst des Paradieses, wird dann ebenso beängstigend, denn die Perspektive geht verloren. Man kann in der Ewigkeit der Langweile kein Ende bereiten. Dennoch hat die Ewigkeit – in einem anderen und weniger fassbarem Sinn – eine entscheidende Bedeutung als Ziel des Lebens.
Natürlich hat das eine religöse Bedeutung, in jeder Hinsicht. Wer sich mit der eigenen Sterblichkeit arrangiert hat und das absolute persönliche Ende für selbstverständlich hält, muss sich fragen, ob nicht doch was an der Vorstellung daran ist, die viele Menschen treibt, und ob es nicht einfach nur der Mangel an Vorstellung und Erkenntnis ist. Nach Jesus wäre es fatal zu denken, dass es keine Ewigkeit gäbe und das die Konsequenzen jener realen Ewigkeit weit dramatischer sind als wir es uns in unseren Albträumen vorstellen könnten. Darum sollten wir danach streben, die Begriffe besser zu durchdringen.
Anschaulichkeit und Wirklichkeit
Die Vorstellung der Ewigkeit als endlose Zeit ist dem Menschen durchaus nachvollziehbar, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Und darum hat das als Bild auch seine Berechtigung. Aber auch die Physik lehrt uns, dass Zeit etwas anderes als der Urgrund der Existenz ist. Einstein zeigte, dass Zeit als Funktion von Raum, Masse und Geschwindigkeit zu beschreiben ist. In diesem Sinn gab es auch kein ‚Vor‘ dem Urknall, denn es gab auch gar keine Zeit.
Nun ist der Mensch geneigt, das für real zu halten, wovon er sich eine Vorstellung machen kann. Bei näherer Betrachtung stellt sich oft heraus, dass die Vorstellung so nicht zutreffen kann, so auch hier: Ewigkeit kann nicht endlose Zeit sein. Ist dann die Vorstellung einfach falsch? Oder handelt es sich eben nur um eine Denkhilfe, wesentliche Eigenschaften der Realität zu beschreiben, also ein Bild der Wirklichkeit? Das könnte hier zutreffen, denn der Ablauf der Zeit wird sich in der Ewigkeit nicht ereignen.
Allerdings muss eine Vorstellung keineswegs etwas wesentliches zur Realität beitragen, es kann ebenso ein Irrlicht sein, eine falsche Vorstellung. Anschaulichkeit ist kein Garant für einen Realitätsbezug. Das Wesen des Bildes ist somit nicht seine Kohärenz zur Wirklichkeit, denn diese hat notwendig ihre Grenzen. Vielmehr hat die Anschauung zwei wesentliche Dimensionen:
- Ist das Bild ein gültige Abbildung der Wirklichkeit, oder reine Fiktion und Irrtum?
- Die Deutung des Bildes kann subjektiv stark abweichen, gar Gegenteiliges bedeuten. Somit kann ein falsches Bild zu einen realitätskonformen Ansicht führen, oder ein an sich ‚richtiges‘ Bild zu eine völlig irreführenden Deutung verleiten.
Nun wird es aber weit eher das Ziel sein, ‚richtige‘ Bilder zu erkennen und diese korrekt zu deuten. Wie aber kann man die richtigen Bilder von den falschen unterscheiden? Dazu kann uns die Logik und die Kohärenz helfen. Hier aber ist die Anschaulichkeit kein Maßstab mehr.
Beim Erlernen von Mathematik und Physik ist der Schüler zunächst darauf bedacht, eine anschauliche Vorstellung zu gewinnen. Irgendwann, im fortgeschrittenen Zustand, versagt dieses Begehren. Der Student muss lernen, formale Regeln auch dann anzuwenden, wenn er auch keine einsichtige Vorstellung vom Gegenstand mehr gewinnen kann. Und tatsächlich zeigt sich, dass die nicht-anschaulichen Konzepte oft eine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit liefern. Dies wollen wir weiter versuchen.
Zeitloser Urgund und Gott
Der Urgrund des Urknalls, und man kann in jeder Hinsicht hier Gott sagen, kann nicht von jener Zeit abhängig sein, die erst mit dem Urknall entstand. Das ist eine logische Unmöglichkeit. Eine Art Zeit, die jenseits des Universums existiert, mag eine Vorstellung sein, die uns nahe liegt, aber keine Begründung lässt diese als wahre Erkenntnis erscheinen. Da die Zeit und physische Existenz ihren Anfang nahm, bedarf es einer anderen Dimension, die uns nur noch eingeschränkt fassbar ist. Diese Dimension nennen wir Ewigkeit.
Diese Ewigkeit ist dann weder die Zeitlosigkeit des Augenblicks, die eingefrorene Zeit, noch jene endlose Zeit, sondern notwendig etwas völlig anderes. Die Existenz Gottes ist darum keine, die sich mit der Existenz zeitlicher Objekte vergleichen ließe. Wir können uns nur in Bilden und spekulativen Vorstellung uns dieser Dimension nähern, denn eine Anschauung ist nun grundsätzlich ausgeschlossen.
Auf diesem Hintergrund ist das Wort vom Leben in Ewigkeit völlig anders zu verstehen. Es ist eine Daseinsform, die mit unserer Vorstellung zwingend nur wenig gemein haben kann. In der Theologie wird oft vom unwandelbaren Gott gesprochen, der über alle Zeit sich nicht ändert … wie aber die Vorstellung von ihm. In jener Ewigkeit wird es auch keine Entwicklung in unserem Sinn geben, und unsere Vorstellung vom Leben ist dann auch kaum eine realistische Beschreibung von der Existenz in der Ewigkeit.
Das mag zu der irrtümlichen Ansicht führen, dass diese Art Leben keinen Reiz böte und immanent langweilig sei. Tatsächlich fehlen uns aber angemessene Bezugssysteme, um hier ein eine zumindest plausibles Urteil zu treffen. Kurz, es wäre unsäglich dumm, den Himmel darum auszuschlagen, weil wir uns ihn nicht vorstellen können. Dann setzen die biblischen Bilder ein, die wohl kaum eine Zustandsbeschreibung liefert, sondern eben Bilder, die uns Hilfsvorstellungen liefern können, aber keinen Anspruch auf ein reales So-sein.
Die Bilder Der Bibel von der Ewigkeit sollen das maximal vorstellbare Glück beschreiben.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Prediger 3,11
Diesen Verweis auf die Transzendenz, das Überschreiten unserer Vorstellung, ist aber dennoch verbunden mit einer Sehnsucht, an der unsere Deutungen scheitern.
Es ist eine Sache des Glaubens, ob man dieser Vorstellung folgen mag und sie – im übertragenen Sinn – für zutreffend hält oder nicht. Denn die Mittel der Ratio können lediglich ausloten, welche logischen Konsequenzen aus Aussagen und Beobachtungen folgen. Und diese zeigen einen Denkraum für die Ewigkeit in der Existenz Gottes. Ob dieser Denkraum aber tatsächlich zu einer wahren Erkenntnis führt, oder ob es lediglich eine Möglichkeit darstellt, die unzureichend belegt ist, kann die Philosophie nicht schlüssig darlegen.
Der Gott der Philosophen
Manche, die den das Nachdenken lieben, mögen ihre Erkenntnis Gottes für höherwertig halten als die des schlichten Christen und setzen sich so mit dem ‚Gott der Philosophen‘ vom gemeinen Gläubigen ab. Jenen Gläubigen erscheint das nicht nur als Dünkel, sondern sehen in diesem intellektuellen Zugang eher eine Gefahr des Selbstgemachten und des Hochmuts, denn lediglich die Selbstoffenbarung Gottes kann hier verlässliches liefern. Ich stimme diesen beiden Positionen nicht zu.
Gottesglaube ist äußerst vielgestaltig. Dem Einen ist der intellektuelle Zugang eine Offenbarung, denn es gilt:
Glaube ist nicht Für-wahr-halten von etwas Unglaubhaftem. Den Glauben so aufzufassen, hieße, ihn in Intellekt und Willen zu verzerren.
Paul Tillich
Die Existenz eines validen Denkraumes ist darum weder etwas unwesentliches, noch ein essentielle Notwendigkeit für jeden Gläubigen. Der schlichte Mensch, der in der Erfahrung des Gegenüber in Gott lebt, wird die intellektuelle Beschäftigung mit dem Glauben und Denken nicht brauchen. Allerdings treiben manche Überzeugungen, vor allem wenn sie unzureichend reflektiert werden, zu höchst seltsamen, zuweilen gefährlichen Ausprägungen.
Der Ge- oder Verbildete, wird wegen der erlernten kritischen Distanz oft Schwierigkeiten mit der Gottesbegegnung haben. Er will zunächst prüfen, ob er oder eben jene anderen nicht einem Irrtum aufgesessen ist. Und Paulus höchst selbst liefert ihm die Munition:
Prüft aber alles und das Gute behaltet.
1.Thessalonicher 5,21
Diese unterschiedlichen Zugangswege sind aber weder ein Gegensatz, noch jeweils exklusiv, sondern eher zwei Seiten einer Münze in unterschiedlichen Ausprägungen.
Die biblische Religion, zeigt Paul Tillich, kann sich zwischen diesen Extremen halten. Sie erkennt, daß das Sein „sich für uns personal macht“, daß es als Gott erscheint, als der „persönliche“ Gott. Der Gläubige der biblischen Religion, der Jude und der Christ, nehmen die Offenbarung des persönlichen Gottes an. Das, die Annahme des Offenbarten über alles rationale Denken hinaus, ist der Glaube.
Aber die Seinsfrage bleibt und mit ihr das Verlangen nach einer rationalen Erhellung.
Christian E. Lewalter in Zeit-Online vom 15. Oktober 1953
Der christliche Glaube hat in der Tradition des Judentums sowohl die Gottesbegegnung und Offenbarung, als auch gedankliche Erwägung in den Grundlagen. Offenbarung ohne Deutung bleibt leer. Deutung ohne Offenbarung bleibt vage. Die Deutung muss aber überprüfbar sein.
Die Philosophie hat in den Kreisen der Gläubigen zuweilen einen schlechten Ruf. Dies liegt aber weniger in der Disziplin an sich, sondern an den Fehlern einiger namhafter Vertreter. Denn wer ungültige Schlüsse präsentiert, kann sich nicht als Vertreter der Philosophie gerieren, auch wenn er noch so große Namen trägt. Bertrand Russell brachte eine Teekanne ins Spiel, die angeblich im Asteroidengürtel kreist. Oder der vorgebliche Glaube an ein fliegendes Spaghettimonster (FSM)
Das FSM ist als Illustration der Lächerlichkeit eines jeden Gottesglaubens gedacht, in dem eine Analogie suggeriert wird. Dies trifft in der Regel allerdings nicht zu. Die Persiflage mangelt in vielerlei Hinsicht einem realen Gottesglauben und hat darum lediglich die Aussagekraft, dass eben jene, die das FSM als einen validen Vergleich verstehen, eine naive Vorstellung vom Gottesglauben haben und es als ihre Mission ansehen, andere von dieser Ansicht zu überzeugen.
Prüfkriterien für Dogmen
In diesem Sinn ist Philosophie nur dann geeignet, Fragen des Glaubens zu erhellen, wenn man keine fadenscheinige Polemik betreibt, sondern sich sorgfältig den Fragen stellt. Und hier ist die Frage nach dem Grund des Seins offensichtlich. Dies kann nicht von der Zeit abhängen, denn die Zeit ist etwas Entstandenes und vermutlich auch nicht unendlich. Ewigkeit ist da ein notwendig übergeordnetes Konzept, dass mit Fug und Recht Gott zugeordnet wird. Auf dieser Basis ist die Frage der Menschwerdung Gottes im Christentum ein beachtlicher Ansatz, den auch ich für eine wahre Offenbarung halte. Auch wenn die Hoffnung auf ewiges Leben damit weit weniger greifbar ist, so bleibt diese doch als Chiffre für etwas existenziell Bedeutsames akut.