In meiner Reihen über die Identifikation mit dem Grundgesetz und Leitkultur und seiner Bedeutung nun der Artikel 1 des GG
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Der Begriff Würde (lateinisch dignitas) bezeichnet die Eigenschaft, eine einzigartige Seinsbestimmung zu besitzen. Sie kann einem Lebewesen, einem System von Lebewesen, aber auch einer natürlichen oder menschlichen Schöpfung zugesprochen werden. Zumeist wird die Seinsbestimmung von Menschen in einem moralischen Sinne verstanden oder als ein in einer Wertehierarchie hoher Rang bzw. eine Vorrangstellung von Personen. Traditionell wurde der Ausdruck auch auf politische oder soziale Einheiten angewandt, etwa auf den römischen Staat und seine Bürger oder auf gesellschaftliches Ansehen bzw. Stellung, wie sie etwa dem erblichen Adel zukamen. In jüngerer Literatur wird auch von einer Würde der Natur oder sogar jeden Lebewesens gesprochen. Mit dem Begriff der Menschenwürde wird die besondere Seinsbestimmung bezeichnet, die jeden Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet.
Das Christentum interpretiert die alttestamentliche Rede vom Menschen als Ebenbild Gottes und von seiner Vorrangstellung unter Gottes Geschöpfen traditionell dahingehend, dass seine Würde gottgegeben und nicht verlierbar ist. Sie komme jedem Menschen als solchem zu und sei mithin unabhängig von Lebensumständen oder Verhalten.
Wir erkennen hier bereits die Verknüpfung des Begriffes in die jüdisch christlichen Geistesgeschichte. Und das wird auch weiter vertieft:
Derjenige, der den Begriff der Würde des Menschen (lat. dignitas hominis) als erster formuliert, ist der Renaissance-Philosoph Giovanni Pico della Mirandola. Die Würde des Menschen gründet nach Pico della Mirandola darauf, dass, zugespitzt formuliert, die Natur des Menschen darin liegt, dass er keine (festgelegte) Natur hat, dass, mit anderen Worten, er die Freiheit hat, sein Wesen selbst zu schaffen. Den Schöpfer lässt Pico zu Adam sagen: „Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine bestimmte äußere Erscheinung und auch nicht irgendeine besondere Gabe habe ich dir verliehen, Adam, damit du den Platz, das Aussehen und alle die Gaben, die du dir selber wünschst, nach deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen kannst. Die fest umrissene Natur der übrigen Geschöpfe entfaltet sich nur innerhalb der von mir vorgeschriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen.“ Diese Selbstbestimmung des Menschen macht, nach Pico, seine Würde aus.
Ich finde es gerade als identitätsbildend, die Selbstbestimmung als Ausdruck der Würde zu verstehen. Meines Erachtens versteht Giovanni Pico della Mirandola das biblische Menschenbild genau so, wie es zunächst unscharf und metaphorisch vermittelt wird. Und auch die Aufklärung führte das nur konsequent weiter:
Seit der Aufklärung wurde im Unterschied zur vorherigen konkreten Bedeutung mit „Würde“ verstärkt ein abstrakter sittlicher, moralischer Wert bezeichnet, der letztlich eine Qualität des Handelns (Würde als Gestaltungsauftrag) oder, noch abstrakter, eine den Menschen allgemein immanente Eigenheit (Würde als Wesensmerkmal) bezeichnet. Damit verband sich oft der Gedanke eines Gestaltungsauftrags, der durch das Individuum und die Gesellschaft zu verwirklichen ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Prüft alles, das Gute behaltet
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind.[1] Die Idee der Menschenrechte ist eng verbunden mit dem Humanismus und der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechtes.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Da ist zu lesen:
Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam (arabisch إعلان القاهرة حول حقوق الإنسان في الإسلام, DMG Iʿlān al-Qāhira ḥaula ḥuqūq al-insān fī l-Islām) ist eine 1990 beschlossene Erklärung der Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz, welche die Scharīʿa als alleinige Grundlage von Menschenrechten definiert.
Damit steht diese Erklärung im Widerspruch zu den AEMR. Viele der Mitgliedsstaten der Islamischen Konferenz haben allerdings vorher die AEMR ratifiziert. Was ist nun davon zu halten, wenn sie nun eine andere, damit nicht kompatible Erklärung abgeben? Ist damit die Gültigkeit der AEMR de jure und de facto in diesen Ländern nichtig?
Wie ist es um die Loyalität von Muslimen und muslimischen Organisationen in Deutschland bestellt, wenn sie den Grundbestimmungen des GG Artikel 1 und der AEMR nicht zustimmen?
Häufig wird festgestellt, dass es DEN Islam nicht gäbe, sondern sehr viele unterschiedliche Vorstellungen vom Islam. Dennoch wird er häufig sehr wohl ein einer gemeinsamen Bedeutung verwendet. Es muss demnach einen harten Kern geben, der gemeinhin als islamisch angesehen werden muss und der von Sonderlehren zu unterscheiden ist. Wenn nun eine überwältigende Mehrheit von Muslimen die Kairoer Erklärung unterstützt, ist es dann nicht Ausdruck DES Islams?
In der Tat gibt dies ein keineswegs triviales Problem auf. Es ist jedoch zwischen dem Islam als Ideologie und den Menschen zu unterscheiden. Viele Muslime sind aus Tradition eben Muslime, ohne das theologische Feinheiten ihre Leben und Denken zwingend bestimmt. So sind viele Muslime gleichsam humanistisch geprägt, auch wenn dies weniger in der Glaubenslehre wurzelt. Auch ist die Loyalität zu den Herkunftsländern als soziologischer Akt der Identitätsbildung sowohl verständlich, wenngleich nicht unproblematisch.
Umfragen zeigen wiederholt große Anteile der Muslime, die das Gesetz des Glaubens über die staatlichen Gesetze stellen. Auch in christlicher Hinsicht wäre dem durchaus zuzustimmen, denn auch im Urchristentum heißt es sowohl, dass man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Dem gegenüber verweist Jesus hinsichtlich der Steuerpflicht die Rechtmäßigkeit der staatlichen Ordnung an , und Paulus weist der staatlichen Gewalt einen göttlichen Ordnungsauftrag zu. Unter Christen gilt daher, dass dem Staate solange folge zu leisten ist, so er keine unmoralischen Forderungen an den Einzelnen stellt – und das wurde auch in Zeiten der Christenverfolgung so praktiziert. Es gibt somit nur dann ein Problem, wenn es zum Konflikt zwischen göttlicher Moral und staatlichem Gesetz gibt. Allerdings sind die moralischen Forderungen, die das Christentum stellt, meist unter einem breiten Freiheitsrahmen zu verstehen, die kaum Konfliktpotential erkannbar macht. Im Falle einer Unrechtsherrschaft wie dem Hitlerregime gibt es allerdings einen Konflikt, nicht aber in der BRD.
Im Falle des Islam ist die soziale Ordnung, sowohl hinsichtlich Herrschaft, als auch Strafrecht, Erbrecht und Fragen der Gleichberechtigung sehr rigide. Hier ist erkennbar, dass bereits eine gesetzliche Erbregelung im Widerspruch zu den islamischen Bestimmungen steht. Die grundlegenden Ansichten wie die AEMR bleiben nicht unwidersprochen. Kurz: Es kann keine pauschale Antwort auf das Problemfeld geben.