Hass, Wut, Angst, Schmerz, Scheitern … all das soll keine Macht über uns haben. Auf diese Gefühle können wir verzichten und wollen es auch. Aber auch auf Glück, Zufriedenheit, Extase … und Liebe? Sicher nicht. Aber gerade unser Begehren nach dem guten Gefühl ist oft genug verräterisch. Führt es nicht in die Obsession, Drogenrausch oder allerlei Sucht?
Der Denkende fürchtet auch oft das Gefühl, da es ganz irrational in die Ordnung seines Kalküls hinein bricht und den Menschen oft der Kontrolle beraubt. Gefühle sind manipulierbar und schwächen ihn.
Somit beobachten und analysieren wir Gefühle, um uns ihrer zu bemächtigen: Woher kommen sie? Sind es Hormonausschüttungen, Endorphine, Adrenalin oder andere Botenstoffe? Können wir Gefühle dadurch steuern, dass wir Reiz-Reaktions-Muster orchestrieren, z.B. bei Musik, Belletristik und Film?
Um das zu können, die Gefühle zu beherrschen, müssen wir sie klein machen, weitgehend zähmen oder eliminieren, um sie dann dosiert nach unserem Willen zu bedienen.
Aber versäumen wir dadurch nicht etwas Wesentliches? Ist nicht die Wucht des Gefühls etwas Unmittelbares, Lebendiges, was uns höchst selbst betrifft? Was das Leben wahrhaft ausmacht? Wir sind keine Ärzte oder Manipulatoren, die mit fragwürdigen Mitteln mit Versuchspersonen oder Patienten in eine Subjekt-Objekt-Beziehung treten. Wir stehen nicht außerhalb der Welt, wie der Deus-ex-machina, sondern sind Akteure und Betroffene im Weltgeschehen. Wir selbst sind die, die wir zu Opfern machen wollen. Wir leben. Wenn wir das lebendige und intime Gefühl auf den Seziertisch legen … trennen wir uns dann auch von dem Leben? Was ist mit der Erfahrung der Begegnung? Mit spirituellen Erleuchtungen? Wenn wir diese zerlegen und fragwürdigen Deutungen unterordnen, werden wir vielleicht ein mehr oder minder zutreffendes Bild erhalten, aber sicher um einen hohen Preis.
So verbleibt eine dialektische Spannung, wenn wir einerseits wahrhaft am Leben teilhaben wollen, zugleich aber unser Innerstes gegen irrationale Gefühle immunisieren. Die Vernunft sollte hier differenzieren:
Kontrolle über unerwünschte Gefühle? Ja!
Kontrolle über erwünschte Gefühle? Nein!
PS.: Ich nannte Liebe oben ein Gefühl, aber das ist nur bedingt richtig. Liebe wird eigentlich nicht von dem Gefühl bestimmt, sondern von der Entscheidung zur Liebe. Gefühle treten oft im Verein mit oder als Folge der Liebe auf, so dass man beides leicht verwechselt.