Weiter in meiner Reihe zum Grundgesetz. Der Artikel 5 behandelt die Meinungsfreiheit. Es gilt, was bereits zur Freiheit des Artikel 2 gesagt wurde:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Ein wunderbarer Text! Er erinnert daran, dass uns der Verlust der Meinungsfreiheit dann am ersten auffällt, wenn wir selbst oder unser Genossen in der Meinung Repressalien ausgesetzt werden. Einige Parteien scheint es dagegen in keiner Weise anzufechten, wenn die Meinung des Gegners unterdrückt wird. Kurzerhand wird diese dann mit pauschal mit fragwürdigen Etiketten belegt, z.B. Faschismus, und dann erklärt, dass Faschismus gar keine Meinung sei, sondern ein Verbrechen. Ob es sich bei dem Behaupteten irgend einen Bezug zum Faschismus hat oder nicht, spielt dann auch keine Rolle mehr, denn der Mechanismus funktioniert ganz prima ohne lästige Rückfragen. Dagegen erinnert das Zitat von Voltaire (bzw. ihm zugeschrieben) daran, dass Meinungsfreiheit zuerst die Freiheit der Meinungsgegner heißt:
„Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
Zensur findet nicht statt … allerdings versucht man diese durch die Hintertür wieder einzuführen und dies von privaten Organisationen durchzusetzen. So hat in Sozialen Medien Facebook eine monopolartige Stellung, bereits vor dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) wurden häufig Beiträge gesperrt, vornehmlich wenn die Meinungen nicht genehm waren. Mit dem NetzDG sollen hohe Strafen fällig werden, wenn sogenannte Hate Speech von Benutzerbeiträgen kommt. Fraglos gibt es tatsächlich unappetitliche Beiträge, die besser unveröffentlicht blieben. Aber mit dem NetzDG wird eben ein Hebel angesetzt, um faktisch die Bestimmung des GG Art 5 zu umgehen.
Natürlich gibt es weitere zensurähnliche Methoden, die zeigen, wie wenig viele Leute auf die Meinungsfreiheit geben. Aktuell z.B. ein Text von Dirk Maxeiner.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Im Fall der Prüfung von kritischen Beiträgen gibt es aber häufig Grenzfälle, die nur ein Gericht klären kann. Dennoch wurden oft harmlose Beiträge gesperrt. Zugleich werden vom öffentlich-rechtliche Medien schwerste Beleidigungen publiziert, die eben nicht gelöscht wurden. Es besteht der begründete Verdacht, dass hier der Willkür und eben doch der Zensur tür und Tor geöffnet wurde.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Angesicht dessen, dass es immer um Stellen und Mittelbewilligung geht, ist die Mittelvergabe ein knapper und kritischer Faktor. Wenn man einer Partei die Entscheidungsmacht der Qualitätsbeurteilung zugesteht, die ihre Agenda durchsetzen will, so hat die Freiheit hier faktisch ihre Grenzen. Das geht bis in höchst politische Gremien.
Ferner ist zu Fragen, wie denn die Verfassungstreue aussieht? Genügt ein nominelles Bekenntnis zur Verfassung, kann aber faktisch diese ausheben wie die Parlamentarier beim NetzDG ? Oder ist bereits eine diskursive Kritik an der Verfassung bereits ein Treuebruch? Genügt die Behauptung eine fraglichen Verfassungstreue, um Menschen damit anzuklagen? Offensichtlich ist ein offenes Bestreben zur Abschaffung der Verfassung ein hinreichendes Ausschlusskriterium, aber die Grenzlinien sind nicht leicht bestimmbar.
Siehe auch die Reihe zu Grundgesetz und Leitkultur: