Der Wille zu Glauben

Willst du Glauben oder nicht? Willst du, aber kannst du nicht? Überraschende Fragen, denn Glaube ist für mich weniger eine Frage von Gefühl und Fähigkeit, sondern von Überzeugung und Entscheidung. Wir wissen weit weniger, als wir es gerne hätten, und dennoch gehen wir quasi von Gewissheiten aus. Reines Wunschdenken, wenn es als solches erkannt wird, kann nicht funktionieren: Wer will sich schon selbst betrügen?

Da, wo eine tiefe Überzeugung, z.B. wegen Erfahrungen, fehlt, steckt die Frage des Glaubens in einem Denkraum: Glauben kann man nur, was man zumindest für möglich hält. Unter Ungewissheit trifft man dann die Entscheidung, ob man sein Vertrauen auf das Geglaubte setzen will. Selbstverständlichkeiten sind dagegen weniger ein Maß des Glaubens. Denn das, was selbstverständlich erscheint, ist oft nur geprägte Meinung und Gewohnheit. Auch Plausibilitäten alleine können oft keine hinreichende Gewissheit verschaffen, die einer Überprüfung stand hält. Letztlich ist Vieles eine Frage des Glaubens. Die Adaption vermeintlicher Selbstverständlichkeiten, die letztlich schwach begründet sind, können zwar auch geglaubt werden, aber warum?

William James veröffentlichte 1896 ein religionsphilosophisches Essay mit dem Titel The Will to Believe. Das englische Original ist leider nur über ein VPN erreichbar, z.B. über den Opera Browser. Einige Aspekte daraus lohnen eine nähere Betrachtung.

James hat einige Dimensionen dieser Frage diskutiert.

Lebendige und tote Hypothesen

Im Original: living or dead. Eine tote Hypothese ist eine, die die Person nicht wirklich in Betracht zieht. So mag für den Solipsismus, also der Meinung, dass die Welt nur Projektion des eigenen Selbstes sei, keine ernsthafte Neigung bestehen. Man geht zumeist nicht davon aus, dass man diese sichtweise adaptieren kann. Dennoch lohnt auch die Betrachtung einer toten Hypothese, solange man sie nicht zwingend verwerfen kann. Immerhin kann sie ein Prüfstein sein, um seine lebendigen Hypothesen zu testen. Gerade in Fragen des Gottesglaubens aber ist diese Unterscheidung höchst wichtig: Wer ohnehin nicht geneigt ist, den Glauben an Gott ernsthaft in Betracht zu ziehen, wird aus einer Distanz urteilen, die der Sache wohl nicht wirklich angemessen ist. Dennoch ist eine tote Hypothese keine ernsthafte Option. Allerdings kann etwas, dass zunächst wie eine tote Hypothese aussieht, sich bei näherer Betrachtung dennoch als mögliche Alternative erweisen, die durchaus Chancen auf eine zutreffende Realitätssicht hat.

Diesen Eindruck gewinne ich bei der Argumentation von Kurt Flasch. Trotz seiner Behauptung, nach Wahrheitschancen im christlichen Glauben zu suchen, erscheint die Herangehensweise stets so, als wäre er nicht wirklich betroffen, als bliebe er ein neutraler Beobachter, der seine Entscheidung bereits getroffen hat und lediglich erklären will, warum er den christlichen Glauben ablehnt.

Ein beliebtes Argument von Atheisten ist, den Gottesglauben als eine beliebige Spielart eines riesigen Marktes von konkurrierenden Glaubenssystemen darzustellen. Tatsächlich sind die meisten dieser Systeme aber nicht nur als inkonsistent und irrelevant zu erkennen, sondern stellen sowohl für den Atheisten als auch für den Angesprochenen zumeist keine mögliche Wahl dar. Es sind tote Hypothesen.

Zwingende oder vermeidbare Wahlen

forced or avoidable

Zwingende Wahlen (forced options) sind solche Wahlen, bei denen wir nicht unentschieden bleiben können, alles andere sind vermeidbare Wahlen.

In de Frage nach der Existenz Gottes tragen Agnostiker vor, dass diese Frage gar nicht entscheidbar sei und daher offen bleiben müsse. Wenn wir aber die Frage so stellen, ob wir auf Gott vertrauen wollen, gibt es diese Option der Unentschiedenheit nicht mehr. Denn wer die Existenz Gottes für fraglich hält, wird dieser Fragwürdigkeit auch nicht dienen wollen. Er hat damit eine zwingende Wahl getroffen.

bedeutsam oder trivial

momentous or trivial:James scheint zu überziehen, wenn er meint:

Eine Wahl ist in diesem Sinne nicht bedeutsam, wenn sie keine unwiderrufliche Entscheidung ist, wenn ihre Konsequenzen moderat oder gering sind oder wenn man die Wahl später widerrufen kann, falls sie sich als unklug herausstellt.

Denn dann wäre die Berufswahl oder die Wahl des Ehepartners nur darum bedeutsam, weil sie mehr als nur moderate Konsequenzen haben. Ansonsten kann man nahezu jede Wahl widerrufen. Eine Wahl der Zahlen beim Lotto wäre aber dann nicht bedeutsam, wenn sie keine Konsequenzen hätte. Würde sie aber den Jackpot bringen, wäre sie offensichtlich bedeutsam. Trivial ist die Wahl m.E. dann, wenn es starke Argumente für eine Option gibt. So ist die Wahl, etwas auf morgen zu verschieben zwar nicht immer trivial, aber es geht von der Wahl der Erwartung des morgigen Tages aus, und diese ist zumeist hinreichend begründet. Auch belastbare wissenschaftliche Ergebnisse für wahr zu halten, ist m.E. eine triviale Wahl. Werden aber diese wissenschaftlichen Ergebnisse unter Ignoranz solider entgegenstehender Argumente für wahr gehalten, ist diese Wahl keineswegs eine triviale Wahl. So kann sich eine triviale Wahl als schicksalsträchtig erweisen: Welcher Weg, die etwa gleich lang sind, soll gewählt werden? Auf einem der beiden lauert womöglich ein tödlicher Unfall.

Trotz dieser Bedenken hinsichtlich der Bewertung zeigt die Dimension der Bedeutsamkeit verweist auf die Dimension des Existenziellen. Also was wichtig für unser Dasein ist und unser Leben so oder anders prägen kann.

Soweit der erste von zehn Abschnitten des Essays.

Gerechtfertigter Gottesglaube?

Der Kontext, in dem James seine Überlegung entfaltet, ist die Frage zwischen einem philosophisch begründeten Theismus und dem Agnostizismus, vor allem aus einer positivistischen Perspektive. In Abschnitt II betrachtet er: Wenn unser Intellekt zu einem Urteil kommt, hat dann der Wille noch einen Einfluss? Die Frage scheint falsch gestellt, denn unser Intellekt kann nicht ohne unseren Willen urteilen, es sei denn, es gibt starke unwiderlegliche Fakten – und die gibt es oft nicht. Darum ist es natürlich auch nicht die Aufgabe des Willens, ein getroffenes intellektuelles Urteil zu revidieren, sondern zur Urteilsfindung beizutragen. Da, wo der Wille seine Bedeutung erhält ist in der Grauzone des Möglichen, die uns zur Präferenz nötigt.

Die Pascalsche Wette kann nur unter den Bedingungen betrachtet werden, unter denen sie aufgesetzt ist: Ist es ein Spiel, in dem man alles gewinnen oder verlieren kann, je nachdem wie man wettet? James missfällt der Gedanke, denn er hängt zu eng an dem Szenario, das lediglich einen entscheidungstheoretischen Aspekt darstellt. Pascal war viel zu ernsthaft, dass er den Modus des Spielers für sich adaptierte – und das schreibt James auch. James meint aber, dass das Wesen des Glaubens letztlich nicht auf einer Kalkulation beruhen kann. Der vermeintliche Gewinn kann doch nicht davon abhängen!

Wer dagegen die Pascalsche Wette nur als Argument versteht, um ein Gegengewicht zur vermeintlich vernünftigen Ablehnung des Glaubens zu sehen, kann sich auch an die Gleichnisse von Jesus erinnern: Ein Kaufmann verkauft alles, was er hat, um die kostbare Perle zu besitzen. Ein anderer kauft den Acker, weil er um den verborgenen Schatz weiss. Auch diese Gleichnisse werden den Glauben in all seinen Dimensionen nicht gerecht, aber wenn selbst Jesus die Betonung des Gewinns als Gleichnis für gut genug hält, dann ist auch Pascal kein Vorwurf zu machen.

James meint, dass die Pascalsche Wette zumeist auf einer toten Hypothese beruht, denn die Menschen hätten nicht die Wahl zwischen akzeptablen Optionen. Das verwundert, denn James selbst unterschied zwischen lebendigen Optionen, die hier durchaus zu finden sind, auch wenn nicht alle beliebigen Varianten gleichsam lebendig sind. Denn unabhängig von der persönlichen Bindung an Kultur gibt es den Intellekt, der sowohl Vorprägungen kritisch reflektieren kann, als auch inkohärente Hypothesen ausschließt. Die Wahl wird dann sehr klein, und die Pascalsche Wette ist oft genau der Punkt, an dem sich jeder Mensch irgendwann wiederfindet.

Die Wissenschaft sei dagegen ein imposantes Gebäude, dass sich auf der Suche nach Wahrheit auf die Lebenswerke Unzähliger stützt. Ein unbegründeter Glaube wäre dagegen vernachlässigbar und lächerlich. In diesem Sinn zitiert James Huxley, der unbegründeten Glauben stets für falsch hält. Dass die Wissenschaft aber zu den wirklich existenziellen Fragen keine konsistente Antwort geben kann, und das jede erzwungene Wahl letztlich im Unbegründbaren mündet, diskutiert James hier nicht. Ist es nicht darum lächerlich, eine Wahl, bzw. eine Option mit einer Begründung auszuschließen, die in gleicher Weise auch für die gewählte Option zutrifft? Es ist schlicht ein ungültiges Argument der Beliebigkeit, die eine persönliche Präferenz kaschiert. Wäre es dan nicht ehrlicher vor sich selbst und Dritten, die Präferenz als solche zu benennen und nicht mit ungültigen Argumenten zu verbrämen?

James zitiert Clifford am Ende von Abschnitt II

Es ist falsch, immer, überall und für jeden, etwas zu glauben, wenn es keine ausreichenden Beweise gibt.

Das ist natürlich so unsinnig, dass dieses Zitat keiner Erläuterung bedürfte. Dennoch: Wenn es hinreichende Beweise gibt, ist Glaube überhaupt nicht erforderlich. Aber für nahezu alles wichtige im Leben gibt es keine hinreichende Beweise. Es ist auch nicht erkennbar, warum ein radikaler Skeptizismus oder Positivismus dem vorzuziehen ist. Weder kommt man mit der reinen Negation der Wahrheit näher, noch ist es funktional sinnvoll, alles und jeden maximal misstrauisch zu beurteilen. Meist wird dieser Skeptizismus nicht durchgehalten, und dann irgend was geglaubt, was der Betroffene dann aber nicht glauben nennt. Er betrügt sich selbst und dritte, wenn er das Selbstbild des radikal Ungläubigen inszeniert. Oder aber, man senkt die Anforderungen an einen hinreichenden Beweis so sehr ab, dass man wie in den berüchtigten Prozessen zu Fehlurteilen kommt.

Glaube an die menschengemachte Klimakatastrophe

Im Zeichen der Wissenschaft werden neue Erzählungen verbreitet und handlunsrelevant, die durchaus Ähnlichkeiten zu Religionen aufweisen: Ein fester Glaube in ungewisse Befindlichkeiten, deutliche Eingriffe in den Lebensvollzug, Verzicht und Sünde, Kampf gegen Leugner … eine ideologische Aufladung, die zur Sinnstiftung führt: Durch den aufopferungsvollen Kampf gegen den Klimawandel will man die Welt retten und damit als übermoralischer Held erscheinen – vor sich selbst und Dritten. Einen Gott bedarf es dafür nicht. Vielmehr wird diese Erzählung zum Religionsersatz. Das Motiv an die Adaption ist vordergründig die Vorstellung einer realen Gefahr, die es abzuwenden gilt. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber die Ungewissheit von Thesen und der vorgeschlagenen Handlungsweisen heraus.

Warum sollte man dann aber trotzdem glauben wollen, dass die Menschheit nicht nur verantwortlich sei, das Klima in katastrophaler Weise zu verändern, sondern auch, die vermeintliche Gefahr aufzulösen zu können? Oder anders herum: Können wir vernünftigerweise wollen, daran nicht zu glauben?

Zuerst die Fakten, denn wenn es en zwingendes Argument gibt, hätten wir eine dead Option. Ansonsten geben die Warner an, dass es um eine letzte Chance gehe, die Welt zu retten … sonst ist es zu spät. Wir können also es nicht auf die lange Bank schieben. Die Kosten, die die Gegenmaßnahmen fordern, sind ebenso beachtlich, um nicht zu sagen: monströs. Also eine bedeutsame Wahl. Können wir nicht einfach indifferent zu dieser Frage bleiben: Wenn wir aber auf dieser Grundlage nichts tun, werden wir entweder von den Meinungsführern vereinnahmt, dem wir uns fügen, oder wir widersprechen dem und treffen eine klare ablehnende Haltung. Also entscheiden wir immer.

Die Fakten in Kurzform: Infrarot-aktive Gase sind solche, die bestimmte Frequenzen des IR-Spektrums absorbieren und emittieren können. Die Konzentration dieser Gase beeinflusst das Klima, denn sie führen bei höherer Konzentration dazu, dass die bodennahe Schichten wärmer werden. Man nennt sie auch – etwas irreführend – Treibhausgase. Die Quantifizierung dieses Effektes nennt sich Klimasensitivität. Diese wird in Grad Celsius oder Kelvin angegeben und beschreibt die Wirkung bei Verdoppelung des Anteils des jeweiligen Gases in der Atmosphäre.

Das wichtigste dieser Gase ist der Wasserdampf, dicht gefolgt von Kohlendioxid CO2. Durch die menschliche Lebensweise hat sich die Konzentration von CO2 in den letzten 100 Jahren von etwa 280 ppm auf über 400 ppm erhöht – Tendenz weiter steigend. Netto, ohne weitere Wechselwirkung, gehen die meisten Autoren von rund 1K aus. Die Beleglage ist hierbei hinreichend stark, dass man sich zumeist nur über die genauen Nachkommazahlen uneins ist. Aber eine derartige Klimasensitivität ist recht unproblematisch: Sie würde zu einer moderaten Entwicklung führen, wie sie auch in natürlichen Klimaschwankungen nachweisbar ist, und keine Katastrophenangst rechtfertigen.

Die Warner gehen aber von mehreren Wechselwirkungen und Rückkopplungen aus, die zu einer höheren, bis hin zu dramatischen
Klimasensitivitäten führen. Im Besonderen wird so argumentiert: Durch die gestiegene Temperatur durch das CO2-Signal kommt es zu stärkerer Evaporation und die Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Dieses ist aber auch IR-aktiv und verstärkt somit die Wirkung. Im Detail versucht man dies in Computermodellen mit weiteren Einflussgrößen genauer zu ermitteln. Man spricht hier von Global Circulation Models (GCM), die die ganze Welt in Quadranten mit meist über 100 km Seitenlänge aufteilt und die Wechselwirkungen simuliert. Die Ergebnisse unterschiedlicher GCMs sind dann die Hauptinformationsquelle für den sogenannten Weltklimarat IPCC. Die Assessment Reports des IPCC – zuletzt der AR5 – gehen von Werten zwischen 1,5 bis 4,5 K aus, ohne sich auf einen wahrscheinlichsten Wert festzulegen. Man unterscheidet dann zwischen dem TCR – die kurz-bis mittelfristige Wirkung eine Konzentrationsänderung – den ECS, die Klimasensitivität in einem neuen Gleichgewichtszustand, der sich erst nach hunderten von Jahren einstellt.

Wenn die Klimamodelle hinreichend zuverlässig wären, halbwegs in einem Bereich liegen, in dem auch der wahre Wert von TCR und ECS liegen, wären zumindest die grundlegenden Fakten geklärt. Aber dem ist nicht so. Die Klimamodelle vereinfachen zu stark und geben auch nicht alle Einflussfaktoren und deren Stärke zuverlässig an. So bleibt die Rolle der Sonne, die großen ozeanischen Zyklen (AMO, PDO und weitere) und die Bestimmung der Wolkenbildung weiterhin unklar. Viele Vorhersagen der Modelle sind nicht eingetreten: Die Modelle haben eine klare Tendenz, eine stärkere Erwärmung vorherzusagen (Forecast) als sich dies in Messungen bestätigt. Auch kann die Klimavergangenheit zumeist nicht erklärt werden (Hindcast). Einzelne Modellergebnisse – der gestiegene Wasserdampfanteil und ein ‚Hot Spot‘ in der mittleren Troposphäre im äquatorialen Bereich – konnten mit empirischen Methoden nicht bestätigt werden. Eine starke Beschleunigung der Erderwärmung – abgesehen von periodisch auftretenden El Nino Ereignissen- ist nicht zu erkennen, eher das Gegenteil. Manche Autoren, die andere Untersuchungsmethoden anwandten, kommen sogar zu negativen Feedbacks des CO2 Signals, also einer Dämpfung auf rund 0,7 K. Beispielhaft sei hier auf den Vortrag von Prof. Hermann Harde – Wieviel tragen CO2 und die Sonne zur globalen Erwärmung bei? vom 23.11.2018 verwiesen.

Also können wir bei der Beurteilung des Klimawandels letztlich nicht von verlässlichen Fakten ausgehen, sondern nur von unterschiedlichen Darstellungen, die man eben einschätzen muss. Auch sogenannte Klimaskeptiker, die den Darstellungen des IPCC kritisch gegenüber stehen, können keine vollends zuverlässige Thesen vortragen: Eine mögliche Klimakatastrophe kann man nicht mit Sicherheit ausschließen. Die Wissenschaft liefert hier keine hinreichend klaren Antworten, allen Gegenbehauptungen der Warner zum Trotz. Durch die nüchterne Gewichtung der Argumente kann man zu einem Urteil kommen, das aber mehr oder minder starke Elemente eines Glaubens ausmacht.
Um so mehr versuchen die Warner, die Wissenschaft allein für ihren Glauben zu beanspruchen. Es ist häufig zu beobachten, sie die vor allem die Seite der Warner die gegnerischen Argumente ignorieren – offensichtlich weil die zu einer kognitiven Dissonanz zum gewählten Glauben führt.

Die Frage, was würde denn daraus folgen, wenn die Warner letztlich recht hätten, stellt sich so dar: Ohne den Glauben an eine mögliche Klimakatastrophe sind keine Maßnahmen gerechtfertigt und die Katastrophe wird nicht verhindert. Darum sei es aus Sicht der Warner gerechtfertigt, das Schlimmste anzunehmen, damit dem möglichen Unheil gewehrt würde. Skeptiker halten die Maßnahmen, die seitens der Weltretter angestrebt werden, für unwirksam und kontraproduktiv, selbst wenn alle Katastropheszenarien zuträfen. Warum sollte man mit extrem teuren, aber unbrauchbaren Maßnahmen eine Katastrophe bekämpfen wollen, die es nur möglicherweise geben könnte?

Wenn die Faken nun kein klares Urteil erzwingen, oder gar zur Skepsis mahnen, fragt man sich, was nun der Grund ist, dass es offensichtliche Mehrheiten gibt, die hier einen Handlungsbedarf sehen: Wollen diese an die Katastrophe glauben? Sicher ist die Macht der Propaganda nicht zu unterschätzen. Um möglichst Mehrheiten zu überzeugen, werden diese mit einem Strom an Mediendarstellungen überzogen, die eine wissenschaftliche Klarheit zugunsten ihrer Position suggerieren. Viele fallen darauf herein. Ein Mehrheitsurteil von Manipulierten zählt offensichtlich nicht. Auch gibt es immer wieder auch eine Win-Situation für einige: Macht, Einfluss und Geld warten auf den, der geschickt auf der Woge des Megatrends surft. Dennoch erklärt das noch nicht befriedigend das Zustandekommen dieses Megatrends. Auch die vermutete Medienmanipulation kann nur dann auf fruchtbaren Boden fallen, wenn es ein Motiv zum Glauben gibt. Eine tote Wahl wäre leicht entschieden.

Die These, dass in der Sinnkrise der Postmoderne keine große Erzählung mehr existiert, die den Menschen ein Ziel gibt, macht sie empfänglich für alternative Angebote. Wenn der Glaube an Gott nicht mehr wegweisend ist, glauben die Menschen eben nicht an Nichts, sondern alles mögliche, soweit Chesterton. Eine Lehre, die einen moralischen Anspruch erzeugt – die Welt retten -, erscheint vor allem dann als attraktiv und bestechend, wenn sie von vermeintlichen Mehrheiten getragen wird. Das führt zu dem Schluss: Man will an die Katastrophe glauben, um ein unbefriedigtes Gefühl zu bedienen.

Wille … was ist das?

Der Wille, der den Unterschied macht, ob ich mein Leben von einer Klimaerzählung bestimmen lasse oder nicht, ob ich mein Vertrauen auf Gott setze … ist offensichtlich nicht ein stets bewusster Prozess. Manche Leute glauben dies oder das, auch mit viel Überzeugung, selbst wenn sie nicht bewusst darüber nachdachten. Bei Anderen ist es sehr wohl eine Sache bewusster Reflektion und Entscheidung. Der Wille erinnert eher an den blinden Fleck im Auge: Man kann ihn begrifflich schwer fassen, denn er ist nicht leicht zu beschreiben und entzieht sich einer begrifflichen Festlegung. Dass er weder klar dem Bewusstsein zuzuordnen ist, aber auch nicht aus diesem wegzudenken wäre, zeigt das Problem.

Die Natur des Willens und insbesondere dessen Verhältnis zur Vernunft ist ein traditionelles Motiv philosophischer Forschung. Maßgeblich dafür war Aristoteles, der die menschliche Seele als dreigeteilt beschrieb. Davon beinhaltet der „animalische“ Seelenteil das Streben. Für Aristoteles ist das Streben teilweise durch den genuin menschlichen Seelenteil, die Vernunft, steuerbar. Die aristotelische Theorie war Ausgangspunkt zahlreicher Arbeiten bis in die Neuzeit, die das Verhältnis zwischen Wille und Vernunft äußerst unterschiedlich bestimmten und das menschliche Streben zum Teil bei den natürlichen Trieben, zum Teil in der Vernunft verorteten.

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Offensichtlich kann der Wille, getrieben von Vernunft, seinen mehr oder minder natürlichen Trieben entgegen stehen. In der Neuzeit neigt man dazu, jegliche Askese eher negativ zu beurteilen, Triebbefriedigung erscheint als etwas wie Selbstverwirklichung. Ein Homosexueller, der seine Neigung nicht auslebt … wird als negativ verzerrt verstanden. Seine Motive dazu werden moralisch minderwertig eingeschätzt, man hält ihn für ein Opfer einer fragwürdigen Ideologie. Andererseits gilt der Pädophile, der seine Neignug auslebt, als Monster. Von ihm erwartet man, dass er Kraft seines Willens seine Neigung unterdrückt. Diese Extremfälle zeigen lediglich den Konfliktbereich, was der Wille leisten kann.

Immanuel Kant beschreibt den Willen als „eine Art von Kausalität lebender Wesen, sofern sie vernünftig sind[.]“ Freiheit und Wille sind für ihn unmittelbar miteinander verknüpft. Es ist die Idee von Freiheit die einem Willen die Form gibt. Durch eine Wahlfreiheit erleben wir das Abwägen des Willens. Im moralischen ist der Wille dasjenige, was sich selbst Gesetz ist: Ich will jenes, weil ich mich dafür entschieden habe, weil ich es will. Der Entscheidungsprozess, durch die Maximen und den kategorischen Imperativ als Sittengesetz geleitet, bezeichnet die Freiheit des Willens für vernünftige Wesen bei Kant.

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Auch wenn Kant hier etwas verstaubt wirkt, so bringt er doch vieles auf den Punkt. Die Frage der Freiheit ist untrennbar mit der Frage des Willens. Auch in der christlichen Lehre erhält die Freiheit einen enormen Stellenwert. Hier versteht man diese vor allem aus der Befreiung des Menschen aus seiner Determiniertheit durch Triebe und Neigungen. Der Wille wird von Gott ermächtigt, dieses Diktat nicht mehr schicksalhaft zu verstehen.

Arthur Schopenhauer hat 1819 eine Auffassung des Willens als allgemeines Element der Wirklichkeit vorgelegt (Die Welt als Wille und Vorstellung) …

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Schopenhauer erkannt völlig richtig, das Weltanschauung maßgeblich vom Willen geprägt ist.

Meinem Verständnis nach ist der Wille der Aspekt der Persönlichkeit, der auch seine Identität prägt: Ein Mensch ist der, der er sein will. Er erkennt sich selbst aus dem, was er tut und tun will. Selbst bei psychischen Konfliktlagen, in denen widerstrebende Antriebe den Willen entmachten, macht der Wille doch erheblich die Person aus.

Glaube an Gott

Die oft wiederholte These in gebildeten Kreisen ist ein Aufguss auf Nietzsche: Gott ist tot. Wir wissen dagegen lediglich, dass Nietzsche tot ist. Gemeint ist vielmehr: Die Hypothese des Gottesglauben ist tot, womit wir wieder bei James wären. Denn würde Gott existieren, könnte er nicht tot sein. Würde er nicht existieren, wäre er auch nicht tot. Aber warum sollte die Hypothese des Gottesglauben eine tote sein? In der Literatur wird oft eine Anklage gegen Gott erhoben: Er habe schließlich all das Leid, die Naturkatastrophen und die menschliche Grausamkeit, und schließlich Auschwitz zugelassen – damit sei er dafür verantwortlich, würde er denn existieren. Wie könne man dann noch auf einen liebenden und bewahrenden Gott vertrauen?

Heute wirken derartige Gedanken nicht anmaßend oder emotional dümmlich, wie es die Menschen anderer Zeiten empfunden haben. Denn zu allen Zeiten gab es Elend und Tod, Grausamkeiten und Leid. Die Frage nach der Liebe Gottes und seiner Gerechtigkeit war stets präsent. Im Besonderen Hiob hat dies dokumentiert. Die Auflösung menschlichen Leidens kann zwar nicht vollständig verstanden werden, aber in Jesus wurde eine Auferstehung und Ewigkeitshoffnung Kern der guten Botschaft, des Evangeliums. Nicht nur, dass Gott an dem Leiden teil hat und in Jesus selbst stirbt, so ist doch die Ewigkeit ein Zustand der Gerechtigkeit und Kompensation des irdischen Leidens, die die Frage der Gerechtigkeit Gottes in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Menschen früherer Zeiten war dies bewusst, und selbst bei Hiob vor Jesus klingt diese Hoffnung an, selbst wenn da nicht explizit von Himmel und Ewigkeit die Rede ist.

Daraus folgt, dass die heute prominenten Argumente gegen ein Vertrauen auf Gott keineswegs zwingend sind, sondern eine Entscheidung darstellt, fragwürdige Argument als bedeutsam zu erachten. So auch ein weiteres Argument, dass des Wunschdenkens: Man macht sich einen Gott oder Gottesbild, so wie Aaron für das Volk Israel als Goldenes Kalb. Offensichtlich ist die Religionskritik als eine Projektion und Erfindung Gottes bereits ein sehr altes Motiv und nicht als moderne Errungenschaft zu verstehen. Der Vorwurf, von Feuerbach und Freud erneuert, lautet: Menschen haben aus eine psychosozialen Funktion heraus ein Bedürfnis nach einem Gott, also imaginieren sie sich einen. Und wie auch die Bibel schon sagt, gibt es tatsächlich Menschen, die so zu ihrem Gottesglauben kamen.

Das sagt aber nichts zu dem propagierten wahren Gottesglauben. Das Verlangen nach Gott ist aus jüdisch-christlicher Sicht in der Schöpfung und menschlichen Natur angelegt. Das Verlangen nach Gott ist damit kein Makel, der einen Glauben diskreditiert, sondern logisch Folge einer gottesgläubigen Weltsicht, die nicht alle Menschen in gleicher Weise teilen.

Aus der These, dass ein Gottesglaube aus einem Wunschdenken entsprungen sein kann, folgt nichts zur Wahrheit eines Gottesglaubens, der sowohl aus einer philosophischen Reflektion – wie bei Aristoteles – als auch aus einer existenziellen Erfahrung – wie bei Moses oder Paulus – geboren sein kann. Meist ist es die Vermittlung und Tradierung, die als glaubwürdig erachtet wurde. Der selbsterfundene Gott aus Bedürftigkeit ist lediglich eine Möglichkeit, die aus der schieren Existenz eines Gottesglaubens nicht auf eine ursächliche Befindlichkeit schließen lässt.

Der selbsterfundene Gott aus atheistischer Prägung hat aber einen empfindlichen Makel: Er setzt voraus, dass es einen wahren Gott nicht gibt. Nur ohne dessen Existenz macht der Vorwurf überhaupt Sinn. Wie sonst könnte man einen sich offenbarenden Gott ausschließen? Das aber führt nicht nur in die Erklärungsnot der Existenz der Welt oder der praktischen Notwendigkeit der Begründung der Moral – frei nach Kant -, sondern auch in die Sinnfrage. Die schlichte postmoderne Negation, alles sei eben letztlich zufällig und sinnbefreit, ist nicht nur unbefriedigend, sondern fragt nach der Notwendigkeit jener Einstellung: Gibt es tatsächlich faktische Grundlagen, die diese Einstellung nahe legt?

Überraschenderweise gibt es keine zwingenden Gründe, das Eine oder das Andere zu glauben. In vielen Fällen zumindest. Noch mehr Fälle gibt es, in der ein möglicher Glaube als inkohärent erkannt und darum mit Fug und Recht verworfen werden kann. Ein gerne vorgetragener Einwand ist, dass es doch so viele unterschiedliche Religionen und Glaubensvarianten gäbe. Atheisten glauben an einen Gott weniger, und Agnostiker können sich eben nicht entscheiden. Dies ist aber ein falsches Setup. Die Grundfrage lautet viel mehr, ob ich bereit bin, dem lebendigen, wahren Gott zu vertrauen oder nicht. Wenn ich es nicht bin, ist die Frage entschieden – wenn doch, dann ist die nächste Aufgabe, jenen wahren Gott von falschen Vorstellungen zu unterscheiden. Und das setzt voraus, dass es eben jenen wahren Gott gibt.

Auch ist die Frage Monotheismus vs. Polytheismus auch weitgehend irrelevant. Zum Einen zeigte Aristoteles, dass letztlich alles auf den letzten oder ersten Grund zurückgeführt werden kann, und ein echter Polytheismus nicht der erste Grund sein kann … auch wegen Ockhams Rasiermesser. Zum Anderen kann man sich einen polytheistischen Pathenon als schlichte Verbildlichung.

Der Befund ist dann erstaunlich: Ein Gottvertrauen bleibt sowohl für schlichte als auch für hoch gebildete oder intelligente Menschen eine lebendige, sprich mögliche Wahl. Wir haben aus allen Gruppen der Menschen sowohl das eine, als auch das andere. Die Statistik zeigt lediglich, dass es unter machen gesellschaftlichen Bedingungen mehr oder weniger Gottgläubige gibt. Auf den Einzelnen bezogen bleibt der Punkt ungewiss.

Auch hinsichtlich der Motive kann man von einem Patt ausgehen: Natürlich kann der Gläubige bei seiner Wahl auf den Nutzen des Glaubens verweisen. Es gibt viele Studien, die dies auch weitgehend belegen: Aber dies reicht nicht aus, etwas entgegen der Überzeugung für wahr zu halten. Auch Atheisten haben einen Nutzen von ihrer Verweigerung gegen eine Gottesvorstellung. Die Hoffnung, einem Gericht im Jenseits zu entgehen und mit dem Ende von Allem keine Angst zu verbinden, macht aus dem Atheismus einem Ersatz-Erlösungsreligion und verheißt seinen Nachfolgern anarchische Freiheit.

Diese Wahl ist also weder von Fakten, noch von persönlichen Fähigkeiten oder eng kausalen Motiven des potentiellen Gläubigen abhängig. Wäre es das Ziel jenes wahren Gottes gewesen, jeden Menschen in seiner unterschiedlichen Dimensionen in vergleichbarer Weise die Freiheit der Wahl zu geben, hätte er es kaum Besser machen können. Und so drückt es auch das Alte Testament aus:

Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen,20 dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und seiner Stimme gehorchst und ihm anhangest. Denn das bedeutet für dich, dass du lebst und alt wirst und wohnen bleibst in dem Lande, das der HERR deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben.

5.Mose 30,19 f

Gottesglaube ist demnach eng verbunden mit der Wahl des Lebens und der Bereitschaft zum Gehorsam gegen Gott – und darin drückt sich die Liebe aus.

Das Wesen des Glaubens

Glaube wird meist als das Fürwahrhalten eines ungesicherten Sachverhaltes gesehen. Ist es eine bedeutsame Wahl, dann ist sie zumeist mit dem Vertrauen fest verbunden. Da es aber an einem letzten Beweis fehlt, hat der Glaube stets etwas von einem Sprung ins Ungewisse, dem Leap of Faith. Und dann sind wir wieder bei dem Bild der Wette, das auch Pascal bemühte. Glaube ist aber nicht nur jener Schritt in das Wagnis, sich eben doch zu irren, sondern tritt auch unbewusst bei jener Verweigerung des vermeintlichen Wagnisses auf. W

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