Gutmensch … gut gemeint und schlecht gemacht

Ich habe ein Faible für Moralisten, und irgendwie bin selbst so einer.  Wenn ich mich über andere Gutmenschen empöre, dann sehe ich mich immer ein wenig im Spiegel. Aber die Empörung ist dennoch berechtigt. Denn nicht die Intention, dem Guten entsprechen zu wollen, ist zu denunzieren, sondern eine skrupellose Gesinnungsethik, die dem Gefühl folgt, ohne die Verantwortung für das angerichtete Unheil übernehmen zu wollen. … oder: Vielleicht will der Gutmensch sogar die Verantwortung übernehmen, aber er kann das Unheil eben nicht ungeschehen machen. Darum wäre es gerade das moralische Imperativ gewesen, vorher über die Konsequenzen nachzudenken.

Konkret wurde dies durch einen Ausspruch von Katarina Barley, immerhin Justizministerin, den sie in einer Talk-Runde tätigte – und das von Robert von Loewenstern kommentiert wurde :

„Was mich auf die Bäume und wieder runter treibt ist, dass es den Rechten gelungen ist, aus den zwei Worten ,gut‘ und ,Mensch‘ ein Schimpfwort zu machen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. (…) Das ist wirklich eine Strategie, das muss man sich klar machen, die wollen, dass wir uns fühlen wie in einer Gesellschaft von Schafen und Wölfen, das sagen die auch.

Und wer ein guter Mensch ist, der ist doof, das Schaf, wird gefressen. …


Abgesehen davon, dass das Wort eben nicht das bedeutet und auch nicht von den Rechten entsprechend erfunden wurde, wird damit indirekt genau die Abscheulichkeit jener Haltung in der Maske des Guten offenbar. Die Wortquelle wir dem Buch „Betroffenheitsjargon und Gesinnungskitsch“ zugestanden . Ob Barley nun die Zuhörer tatsächlich zum Schaf sein motivieren will, oder selbst ein Wolf im Schafspelz sein will, lasse ich einmal undiskutiert. Aufschlussreich auch der Wikipedia-Eintrag:

Gutmensch ist eine Bezeichnung, die häufig als ironischsarkastischgehässig oder verachtend gemeinte Verunglimpfung von Einzelpersonen, Gruppen oder Milieus („Gutmenschentum“) genutzt wird. Diesen wird aus Sicht der Wortverwender ein übertriebener, äußere Anerkennung heischender Wunsch des „Gut-sein“-Wollens in Verbindung mit einem moralisierenden und missionierenden Verhalten und einer dogmatischen, absoluten, andere Ansichten nicht zulassenden Vorstellung des Guten unterstellt.

Abgesehen davon, dass es durchaus der Wortbedeutung entspricht, wird hier aber der abwertende Wortgebrauch (ironisch, sarkastisch, gehässig oder verachtend gemeinte Verunglimpfung) vorangestellt, als ob es die entsprechende Haltung, die gemeint ist, gar nicht gäbe, sondern nur unterstellt würde. Ob die so Titulierten konkret treffend beschrieben werden, muss im Einzelfall geprüft werden. Wenn diese Attributierung aber zutreffend ist, wäre der Wortgebrauch, der hier als abwertend charakterisiert wird, wohl eher alternativlos. Wie sonst könnte man einen Verdacht treffend und prägnant ausdrücken? Sollte sich der Angesprochene zu unrecht angeklagt sehen, kann er diesen Vorwurf ggf. begründet zurückweisen.

Interessant waren unter dem erwähnten Kommentar weitere Leserbeiträge, die ich für so gut halte, sie hier als Referenz anzulegen und zu zitieren:


Frau Barley, es gibt einen guten Menschen und es gibt den Gutmensch. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Der Gutmensch hat nur oberflächlich etwas mit einem guten Menschen gemein. Der Gutmensch gibt sich den Anschein gut zu sein. Doch dieser Anschein ist ein scheinheiliger. Es geht ihm nämlich in der Hauptsache um sich selbst. Um ein wohliges Gefühl. Das Gefühl, ein guter Mensch zu sein. Dieses Gefühl verleiht ihm Glanz, in welchem er sich sich gerne „bespiegelt“. Die negativen Konsequenzen seiner guten Tat interessieren ihn nicht. Ihn interessiert einzig sein gutes Gefühl. Er ist oft ein Narzisst. Wenn sich aus seiner guten Tat in der Folge Schlechtes und Leid und Ungerechtigkeit ergibt, interessiert dieses den Gutmenschen nicht. Er verbittet sich Kritik. Nichts soll seinen Glanz beeinträchtigen. Es geht nur um ihn. Ihn interessiert in Wirklichkeit nicht einmal der, den er zu retten vorgibt. Es interessieren ihn nicht die, die er nicht retten konnte. Die, die zurückgeblieben sind. Er empört sich gerne, auf seinem hohen moralischen Ross sitzend über Andere, über die, die nicht so gut sind wie er. Der Gutmensch hat starken Geltungsdrang. Er möchte gesehen und bewundert werden. Er hält sich für besser. Er möchte Lob ernten und setzt seine Behilflichkeit dort ein, wo es sich „lohnt“, wo er dieses Lob zu erwarten hat. Er ist nicht gut gegen jedermann, sondern sucht sich seine Objekte der Fürsorge sorgfältig aus. Dabei springt er gerne auf einen Zug auf, in dem schon andere Gutmenschen sitzen. Um so besser sind die Aussichten auf Anerkennung. Nur um Ihnen in etwa eine Ahnung vom Gutmenschen zu geben.

Der Begriff Gutmensch stammt übrigens aus dem Angelsächsischen. Die Do-Gooders haben hier lange Tradition. Charles Dickens beschreibt sie in seiner Figur der Mrs Jellyby in Bleak House. Der Do-Gooder ist jemand, der andere mit seiner Gutheit verfolgt, sie missioniert (pestered wie wir sagen), der seine ganze Aufmerksamkeit auf das Gute, das er in der Welt VERBAL zu tun gedenkt, richtet, wobei er alles Leid in seiner direkten Umgebung übersieht. In die Wissenschaft hat es der Do-Gooder dann als derjenige geschafft, der steht das Gute will, und in all seiner Gutheit, die Katastrophe heraufbeschwört. Dietrich Dörner hat ihn ausgiebig in seiner Logik des Misslingens beschrieben. An diesen Kriterien bemessen, wäre Frau Barley dann wohl ein Do-Gooder, ein Gutmensch, sie ist ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will, und stets das Böse schafft.

Wenn sich Dummheit mit der Bosheit der Gesinnungspresse paart, kommt so etwas heraus. Das Motiv ist klar. Sie haben Angst – Angst vor dem Volk. Wenn Machthaber und ihre Claqueure so reagieren, ist das der Vorbote, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Deshalb hassen sie alle, die sie durchschauen. In ihrer Dummheit überziehen sie ihre Abwehr, was bewirkt, dass immer mehr immer schneller ihr räudiges Schaffell durchschauen, unter dem der Wolf hervorlugt.

Dies bezieht sich wohl eher auf die Lobhudelei des Kommentars im Stern

Die Barley macht den typischen Gutmenschenfehler, sie kann nicht zwischen Wirklichkeit und Wunschvorstellung unterscheiden. Die “bösen” Rechten wollen, dass die Gutmenschen endlich verstehen, dass Gewalt und Gnadenlosigkeit ein Teil dieser Welt sind, damit man sich davor schützt. Sie wollen nicht die bzw. mehr Gewalt. Das fällt mir bei den Gutmenschen immer wieder auf, wenn man auf Missstände hinweist, unterstellen sie sofort, dass man selbst diese Missstände will. Alles andere verträgt sich anscheinend nicht mit ihrer heile Welt Ponnyhof Vorstellung.

Gassenhauer, Schlager, Hit; Mohr, Neger, Farbiger; Idiot, Kretin, Schwachsinniger und so weiter. – Vorgestern sagte man Pharisäer, gestern Heuchler, heute Gutmensch. Der getroffene Hund bellt und verwahrt sich gegen das Wort. Aber er spürt sehr genau die Ablehnung in der Sache, auch wenn er zu sehr „intellectually challenged“ ist um den springenden Punkt zu begreifen.

Einen bestimmten Menschentypus ironisch als “Gutmensch” zu bezeichnen ist doch besser als Depp, Idiot, Denkverweigerer, Opportunist, Heuchler zu sagen. Die Charakterisierung “der gehört zu den Leuten, die wahrscheinlich studiert haben, aber den Unterschied zwischen Gemüts- bzw. Gesinnungsethik und Verantwortungsethik nicht kennen” ist zu umständlich. Also sagen wir: das ist auch so ein Gutmensch! Aber generell wird es in Zeiten, in denen es keine Rassen, Nationalitäten, Geschlechter, ja überhaupt keine Zuschreibungen mehr geben soll, mit sinnvollen Gesprächen schwer. Wie sollen wir Menschen denn beschreiben? Ein sinnvolles Gespräch beinhaltet immer auch Charakterisierungen. Das krampfhafte Bemühen, jegliche wertende Aussage über jemanden zu vermeiden, führt zu sinnlosem blabla. Aber auch der Versuch, Wertungen ganz bewusst zu vermeiden und nur Fakten sprechen zu lassen, kann einen Menschen erbärmlich aussehen lassen.

Früher beschäftigten sich Justizminister mit der Justiz und dem Rechtstaat. Heute geht es offenbar vornehmlich um Beroffenheitslyrik und Bürgerbashing.

Na ja, wenn wir Frau Barleys Bild aufgreifen, haben die neu zugezogenen Wölfe jetzt aber schon eine ganze Serie von wehrlosen Schafen erlegt, oder? Und dann muss man sich tatsächlich klarmachen, dass das ganz geplante Schritte sind und insbesondere die SPD gar nicht genug von den hungrigen neuen Mitbewohnern importieren kann. Und wir sind jetzt inmitten des ganzen Blutes wirklich wieder an einem Tiefpunkt angekommen, wo sich jeder Mensch in unserer Gesellschaft entscheiden muss: will ich das oder will ich das nicht? Und wenn ich das nicht will, dann muss ich jetzt aufstehen. Und genau dafür haben sich die Chemnitzer offenbar auch entschieden. Was sollen sie auch tun, wenn der Hirte im großen Stil versagt, der für die Sicherheit der Schafe verantwortlich ist?

Und wie soll man die Gutmenschen denn jetzt nennen? Weichflöten?, Bessermenschen?, Realitätsflüchtlinge?, Schaflinge? Oder vielleicht doch “Eloi” aus “Die Zeitmaschine” von H.G. Wells. ( Aus Wikipedia: “Die kindlichen Eloi leben scheinbar sorgenfrei und glücklich, aber völlig unreflektiert und verweichlicht in einer paradisischen Umgebung (…) und scheinen alle relativ jung zu sein.”). Auf das Wort kommt’s nicht an, sondern auf das, was im Oberstübchen fehlt.

 

 

Ein Gedanke zu „Gutmensch … gut gemeint und schlecht gemacht“

  1. Ein gutes Thema. Gute Beiträge in den Leserkommentaren. Ich schließe mich auch der Selbstkritik des Artikels an, wonach AUCH ICH mich immer wieder frage, fragen muß, ob ich nicht auch schon ein bischen zum „Besserwisser-Gutmensch“ mutiert bin. Ein fortwährender Kampf um Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit !

    Zum Thema möchte ich beitragen, daß der „Herr Biedermann“ in Max Frischs gleichnamigen Lehrstück nach wie vor präzise erkennbar macht, was das Problem des Gutmenschen ist: er kennt das Böse ( in der Theorie ) aber wenn es ihm direkt gegenübersteht, wird er ( sehr ! ) feige, und in seinem Kopf dreht sich alles um: nein, das ist nicht das Böse, das sind doch nur hilfsbedürftige Menschen. FEIGHEIT STEHT AM ANFANG. Und schon sind die Brandstifter im eigenen Haus. Dann ist da Babette, das Dienstmädchen, das mit seinem natürlichen Gespür das Böse in den zwei Brandstiftern erkennt und benennt. DER EINFACHE MENSCH IST OFT KLÜGER ALS DER HOCHSTEHENDE INTELLEKTUELLE. Sie, die kleine Babette, ist aber auch die einzige, die der Biedermann abstraft, voller Zorn maßregelt, und zum Schweigen bringt. DER GUTMENSCH BEKÄMPFT „HINGEBUNGSVOLL“ DEN ÜBERBRINGER SCHLECHTER BOTSCHAFTEN, NICHT ABER DIE BÖSEN URSACHEN UND TATSACHEN HINTER DIESER BOTSCHAFT. Biedermann ist zu den Brandstiftern jederzeit freundlich. Jetzt ist er sich einfach zu fein, um sich seinen urspünglichen Fehler einzugestehen. DER GUTMENSCH SIEHT SICH AUF DEM HOHEN ROSS, SELBST WENN ER IN WAHRHEIT SCHON HERUNTERGEFALLEN IST. ER BELÜGT SICH UND ANDERE. Schließlich kommt es zur Offenbarung, und die Brandstifter sagen ihm – kurz vor Schluß – ganz offen, daß sie Brandstifter sind und die Stadt in Schutt und Asche legen wollen. Aber Biedermann kann das nicht mehr annnehmen. „Ein guter Witz“ sagt er, und hält die Augen fest verschlossen. DER GUTMENSCH HAT DIE VERANLAGUNG, IMMER VERKRAMPFTER AN SEINEN LÜGEN UND DEM LEUGNEN SEINES URPÜNGLICHEN FEHLERS FESTZUHALTEN.

    Da Max Frisch das Ganze im Hinblick auf das Versagen der „guten deutschen Bürger“ vor dem Nazitum geschrieben hat, ist es umso erschreckender festzustellen, wie paßgenau das auch heute auf all die Islamverharmloser, Migrationsfreunde, Kulturrelativierer usw zutrifft.

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