Der gewöhnliche Wahn: Der Jugend gehört die Zukunft

Manche vermeintliche Weisheiten werden in der Öffentlichkeit oft genug wiederholt, dass man diese für valide hält. So bin ich über diesen Satz gestolpert, den der Redner offensichtlich nicht für völlig absurd hält. Dabei offenbart er nur die Mißkonzeption der Zeit.

Ganz gleich, ob sich der Redner noch der Jugend zugehörig fühlte oder bereits nicht mehr: Wenn er in der Zukunft angekommen ist, werden andere die Gruppe der Jugend konstituieren. Aber auch diese werden keineswegs mehr dazu gehören, wenn sie in dieser Zukunft angekommen sind. Es sei denn, dass man quasi einen Fixpunkt setzen will und einer aktuellen Jugend-Generation vor den Nachgeborenen und den Altvorderen eine Deutungshoheit zusprechen will. Mit welcher Begründung eigentlich?

Absurder Weise wähnen sich jene, die diesen Satz gebrauchen und keineswegs mehr dazu gehören, als autorisierte Sprecher und Vertreter jener, quasi deren Anwalt. Im Besonderen, da die Kleinkinder ja noch unmündig sind. Entsprechend unsinnig ist auch der Liedtext von ‚Kinder an die Macht‚ von Herbert Grönemeier. Er projiziert romantisierte Vorstellungen über Dritte auf die Realität und offenbart damit ein profundes Wahrnehmungsdefizit. Allerdings wird aus der Reflektion derartiger Absurditäten einiges deutlich:

  1. Die Zukunft wird in der Gegenwart gebaut.
  2. Es ist die Verantwortung jener, die die Gestaltungsmacht haben oder haben könnten, die Interessen auch anderer Generationen zu vertreten.
  3. Da sich die Nachgeborenen oftmals noch gar nicht artikulieren können oder die Konsequenzen ihrer Wünsche überschauen können, ist die Ermittlung jener wahren Interessen enorm fragwürdig, denn diese müssten ja Interessen adressieren, die eben erst in jener Zukunft aktuell werden.
  4. Auch wenn das Argument der Nachhaltigkeit modebedingt überstrapaziert wird, ist der Gedanke an Konsequenzen für den weiteren Verlauf unabdingbar. Allerdings sollten hier naive und weltanschaulich gefärbte Prognosen mit äußerster Vorsicht bedacht werden.

Üblicherweise ist gerade die Jugend am wenigsten bereit, die Konsequenzen und die weitere Entwicklung zu berücksichtigen. Um so mehr, da das Antizipieren einer Entwicklung sich als enorm fehlerträchtig erweist, neigt man im öffentlichen Diskurs dazu, jeweils einzelne Zukunftsaspekte zu fokussieren und alle anderen Aspekte auszublenden.

So ist es beispielsweise in der Diskussion enorm wichtig, was mit entsorgtem Atommüll geschieht. Und zwar nicht in 10 oder 100 Jahren, sondern in 1000 oder 10 000 Jahren. Ebenso wird die Ressourcennutzung gerade endlicher Ressourcen als Problem für heute angesehen.

Weit geringeres Interesse hat dagegen die demographische Entwicklung, Entwicklung von Währungsstabilität, kulturelle Entwicklung und Altersversorgung oder der Erhalt der Wirtschaftskraft im internationalen Wettbewerb. Und das auch für den Horizont von 10 – 30 Jahren.

Offensichtlich ist der gesellschaftliche Fokus nicht an reale Prioritäten gebunden, sondern jeweils von vorherrschenden Akteuren, bzw. dem Zeitgeist getrieben. Wäre es da nicht weit eher anzustreben, sich von derartigen Moden und Denkvorgaben zu lösen und selbst eine Prioritätenliste anzufertigen, was denn zur Gestaltung der Zukunft wichtig ist?

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