Mir ist die Klassifizierung nach binärem rechts/links-Schema zuwider, das einer Verweigerung zum Diskurs gleich kommt. Warum sollte man auch mit dem vermeintlich bösen Lager des Feindes reden? Weder das pauschale Exkludieren von Linken seitens konservativer oder rechter Kreise, noch das Gegenteil halte ich für hilfreich. Es ist ein Ungeist, nicht mehr Argumente oder Menschen zu sehen, mit denen man sich austauscht, sondern Schubladen, Positionen und Haltung für wichtig hält – eine Verweigerung des Lebens, ein Totenkult. Auf das Konstrukt ‚Rechte (Vor-)denke?‘ Stieß ich in einem Kommentar von Uwe Friesel zu Intellektualismus und Jörg Bernig ››Habe Mut …‹‹. Eine Einmischung
‚Kampf gegen Rechts‘ wird faktisch nicht verstanden als engagiertes Vertreten einer eigenen Meinung, die sich eben gegen das Andere abgrenzt, sondern bekommt einen Programm-Charakter, der zum Selbstläufer wird. Die eigene beschworene Position wird darin immer verschwommener und substanzloser. Sie definiert sich aus der Ablehnung des vermeintlichen Feindes, der jeweils neu mittels Assoziation und Schlagworten als solcher identifiziert wird. Dushan Wegner hat nun eine Gegenparole propagiert: Es ist Zeit für den Kampf gegen Links. Nur eine Provokation?
Der »Kampf gegen Rechts« hält latent anti-demokratisch Händchen mit dem »Kampf gegen Hass und Hetze«. Beide operieren mit demselben vulgären Trick: In der propagandistischen Rhetorik werden vollständig legale, legitime und von den Grundrechten aktiv geschützte Positionen mit tatsächlich illegalen und kaum zu verteidigenden extremen Positionen vermischt.
Dushan Wegner
Wohlgemerkt: Es geht nicht um den Kampf gegen Extremismus, sondern mittels Assoziation werden (berechtigte) negative Urteile auf ganz andere Ansichten übertragen und die somit diskreditiert.
Die Begriffe Links und Rechts implizieren eine Skalenhaftigkeit, die heute längst nicht mehr gilt – »Links« und »Rechts« sind nicht Positionen auf einer politischen Skala – und es wäre falsch. Zudem: Über politische Skalenwerte zu debattieren fühlt sich bald wie religiöse Glaubenskriege an.
Dushan Wegner
Aber was sagen dann die Begriffe überhaupt aus? Gemeint ist eine unscharfe synonymbildung zu gut und böse. Aber das entbehrt natürlich der Grundlage.
Politische Einstellungen werden häufig vergröbernd als rechts oder als links bezeichnet. Die Unterscheidung soll auf die Sitzordnung in der französischen Abgeordnetenkammer von 1814 zurückgehen. Dort saßen – vom Präsidenten aus gesehen – auf der rechten Seite diejenigen Parteien, die für den Erhalt der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse eintraten. Auf der linken Seite saßen diejenigen Parteien, die eine Änderung der politischen und sozialen Verhältnisse anstrebten.
Bundeszentrale für politische Bildung
Würde dieses Verständnis noch gültig sein, würde der Kampf gegen den Konservativismus offensichtlich absurd wirken. Aber auch bei näherer und aktueller Betrachtung bleibt die Unterscheidung schrill:
Die Meinungsforscherin Noelle-Neumann hat beschrieben, was Menschen unter rechten und was sie unter linken Werten verstehen. Als linke Werte gelten danach: Gleichheit, Gerechtigkeit, Nähe, Wärme, Formlosigkeit, das „Du“, Spontaneität, das Internationale und Kosmopolitische. Ihnen stehen als rechte Werte gegenüber: Betonung der Unterschiede, Autorität, Distanz, geregelte Umgangsformen, das „Sie“, Disziplin, das Nationale.
Thurich, Eckart: pocket politik nach Bundeszentrale für politische Bildung
In der Wirtschaft sind linke Werte: staatliche Planung, öffentliche Kontrolle, rechte Werte: Privatwirtschaft und Wettbewerb.
Auch bekennende Rechte beschreiben ihre Grundhaltung mit ‚vive la differénce‚ (Alain de Benoist)
Der Losung „Vive la différence“ („Es lebe der Unterschied“‘) folgend, spricht sich de Benoist sowohl gegen die Assimilation von Einwanderern (d. h. ihre Absorbierung durch die sie aufnehmende Kultur) als auch gegen das Schmelztiegel-Modell nach amerikanischem Vorbild aus. Die Individuen haben für ihn die „Pflicht“, verschieden zu sein, wobei es vor allem die Kollektive ethnischer, religiöser oder kultureller Prägung seien, die die Identität des Einzelnen gewährleisten. Darum lehnt er die liberale Betonung des Individualismus, in dem der „fundamentale Wert […] auf das Individuum gelegt“ wird, als anthropologische Illusion ab und sieht in ihm eine die Gemeinschaften zerstörende Ideologie.
Wikipedia zu Alain de Benoist
Wie verwirrend das alles wird, erkennt man tatsächlich an der Argumentation der Linken, denen die Gleichheit aller Menschen einerseits als fundamentaler Wert kaum überbetont werden kann und jeglicher Chauvinismus mit großer Entschiedenheit zurück gewiesen wird, zugleich aber Migranten eben in ihrer Kultur verstanden werden, in der die individuellen Rechte von Frauen oder Abweichler ignoriert werden und deren ethnische Strukturen unangetastet bleiben sollen. Repressalien innerhalb jener Gruppen werden zumeist unter den Teppich gekehrt. Wie ist dann die Unterscheidung zwischen Links und rechts zu verstehen?
De Benoist lehnt die Vorstellung der Existenz höherer oder niedrigerer Rassen und Völker ab, betont aber ihre Verschiedenheit. Er bezeichnet diese Position als „differentialistischen Antirassismus“, den er im Gegensatz zum „universalistischen“ Antirassismus stellt, in dem er lediglich die Kehrseite des Rassismus sieht. Während die „universalistische“ Version jegliche Differenz leugnet und von abstrakten Individuen ausgeht, betont die „differentialistische“ Version die konkrete Verbindung der Individuen mit ihren „kollektiven Identitäten“, „stellt sich aber gegen deren hierarchische Einordnung.“
Wikipedia zu Alain de Benoist
Der Unterschied zu linken Mainstream-Positionen ist da vor allem in der Bewertung: Der Mainstream will die Religionen und Kulturen der Migranten und fernen Länder respektieren und behauptet deren Gleichwertigkeit und Buntheit. Zugleich aber spricht er den Inländern ihr Verständnis und Traditionen eine Gleichwertigkeit ab. Mit der Verortung nach ‚rechts‘ eines jeden zaghaften Erinnerns an das Eigene rückt man dieses dann in die Nähe des Faschismus. Daraus folgt in der Praxis eine starke Unterscheidung nach Völkern und Kulturen, die aber sehr wohl bewertet werden und dem Individuum die differenzierte Beurteilung weitgehend verweigern. De Benoist sieht das Individuum zwar auch in einem kulturellen Kontext und hält das Kollektiv für identitätsstiftend, geht dagegen aber von einer prinzipiellen Gleichberechtigung aus, die er jedem zugesteht. Individuelle Rechte und Pflichten auch gegen das Kollektiv bleiben die Grundlage des Verständnisses der Menschenrechte. Es bleibt schwierig, auf der Spurensuche beim Kampf gegen Rechts fündig zu werden.
Freiheit verstehen Linke zuerst als Freiheit von Not. Der Staat soll sich um soziale Sicherheit und Geborgenheit kümmern. Rechte verstehen Freiheit umgekehrt zuerst als Freiheit von staatlicher Gängelung und staatlichem Zwang. Sie schätzen Anstrengung, Risikobereitschaft, Eigenaktivität. Das zentrale linke Anliegen ist Solidarität mit den Schwächeren.
Thurich, Eckart: pocket politik nach Bundeszentrale für politische Bildung
Das ist natürlich auch eine Art ideologischer Bewertung. Wer denn in den Augen der Linken der Schwächere ist, der der Solidarität bedarf und wer nicht, ist schwer an Kriterien außer rein Ideologischen festzumachen. Häufig sind es Looser und solche, die sich so inszenieren, die dann als Subjekte oder Kollektive identifiziert werden, denen Solidarität zukommt. Wer jedoch faktisch auch Opfer ist, aber nicht die Ansichten teilt, oder sich gar erfolgreich gegen ein schweres Schicksal zur Wehr setzt, fällt aus jener Gruppe raus, denen Solidarität zukommt.
Dushan Wegner bemüht sich mit einigen Thesen Licht in das Dunkel zu bekommen:
These 1: Rechts und Links sind heute keinesfalls Werte auf einer Skala. Tatsächlich beginnt die in der Politik erkennbare politische Skala etwa in der Mitte, verläuft nach rechts und, ja, endet irgendwo im Rechtsextremen. Das, was sich heute politisch »links« nennt, ist ein weitgehend unpolitischer Populismus ohne zuverlässig zu benennende politische Positionen.
Dushan Wegner
Unberücksichtigt bleibt, dass Konservative den Rechtsextremismus keineswegs als Fortführung ihres eigenen Gedankens verstehen, sondern als eine andere Spielart des Linksextremismus: Auch jener will eben keine Bewahrung der Ordnung, die das Kernanliegen der Konservativen ist, sondern einen radikalen Wandel. Es ist lediglich die Pervertierung einiger Punkte, die auch von Konservativen vertreten werden in bunter Mischung mit linkem Gedankengut. Sie bezweifeln, dass man den National-Sozialismus überhaupt rechts nennen kann.
These 2: Was sich heute »links« nennt, ist oft unpolitisch – und hat nichts gemein mit einer Arbeiterbewegung. »Links« wird heute immer deutlicher zur unpolitischen, anti-demokratischen Position. Sogenannte Linke kämpfen aktiv gegen demokratische Grundrechte wie Meinungsfreiheit, sie unterstützen anti-demokratische Antifa-Schlägerbanden, vertreten dafür aber regelmäßig die Interessen von Konzernen und internationalen Finanzakteuren (und wirken gelegentlich als Partei selbst wie ein Wirtschaftskonzern mit spannenden Investitionen). Linkes Personal hat heute meist keinen einzigen Handschlag in der Produktion geleistet – weiß aber seine politischen Beziehungen sehr geschickt in klingende Münze umzusetzen, und ist schon mal sehr moralisch flexibel darin, bei wem es anheuert. (Fragen Sie doch ein paar tatsächliche Arbeiter, welcher Partei sie sich nahe fühlen!)
Dushan Wegner
Es ist unklar, was Wegner hier mit unpolitisch meint. Vielleicht ohne durchdachte Programmatik. Vielleicht opportunistisch einem Mainstream folgend. Aber auch das hat selbstverständlich politische Wirkungen, und zwar massiv.
These 3: »Links« steht heute immer mehr für das schleichende Ersetzen der Demokratie durch die kaum hinterfragte Herrschaft einer Machtelite, welche das Volk durch emotionale Propaganda im harten Griff hält, sich selbst aber als über Recht, Nation und Verantwortung schwebend zu betrachten scheint. Wer ist es denn, der Zensur forciert? Linke. Wer ist es denn, der die Bedrohung der Opposition durch Schlägertruppen mit unklarer Finanzierung begrüßt? Linke. Wer ist es denn, der die nationalen Parlamente und Gerichte schwächt, und Macht an undurchsichtige Bürokratie und Konzerne abgibt? Linke. Und so weiter, und so links.
Dushan Wegner
Kann man nun das links und recht sein leicht unterscheiden? Wer diese Argumentation für einsichtig und tausendfach belegt hält, ist dann ein Rechter. Wer es dagegen für ein Stück Propaganda ohne reale Grundlage einschätzt, ist ein Linker. Ist diese Unterscheidung nicht auch wieder ein Schubladen-Denken … oder angemessen?
Ich gebe Wegner hier das unkommentierte Schlusswort:
Es ist Zeit, es ist allerhöchste Zeit für den Kampf gegen Links. Wenn Deutschland eine Demokratie bleiben will, muss Deutschland sich zum Kampf gegen Links entschließen – schnell!
Dushan Wegner