Vertrauen ist ein gute Sache. Ohne das kommen wir nicht aus. Unter Freunden, Familie, Kollegen … in jeder Gemeinschaft und Sozialwesen kann es nicht gehen, wenn da nicht ein Minimum an Vertrauen herrscht. Und wenn mehr als das Minimum besteht, sprechen wir von Geborgenheit. Das Urvertrauen kommt aus der Familie. Kleine Kinder müssen sich auf ihre Eltern verlassen, sie haben keine Alternative. Zwischen Partnern und Liebenden ist das der Grund, auf dem die Beziehung steht.
Dennoch sind wir oft desillusioniert. Wir wissen, dass Vertrauen auch missbraucht werden kann. Oder dass manche ihr Versprechen nicht halten. Betrüger können nur dann erfolgreich ihrem Geschäft nachgehen, wenn sie zuerst das Vertrauen gewonnen haben.
Und manche Überzeugungstäter glauben selbst, was sie im Schilde führen, sind aber selbst verführte. Eine gehörige Portion Misstrauen ist da oft kein schlechter Rat. Wir sind immer zugleich geneigt, das Vertrauen jemandem zu schenken, und dennoch Vorsicht walten zu lassen, immer in Spannung.
Hier auf dieser Seite geht es ja um Erkenntnis und das Wissen, dass diese immer nur Stückwerk bleiben muss. Aber wir wissen auch, dass es immer Leute gibt, die mehr wissen als wir selbst – Experten. Wer als Experte anerkannt wird, genießt ein besonderes Vertrauen: Da ist jemand, der Bescheid weiß!
Aber auch hier: Selbst wenn es kein Betrüger ist, sondern lauter und getreulich alles weitergibt, was er weiß, so könnte er dennoch ebenso dem Irrtum unterliegen. Woher sollten wir dann unterscheiden können, wem wir vertrauen? Auch hier gibt es kein Patentrezept, aber einige Überlegungen und Beobachtungen können weiter helfen:
- Reputation: Ein Qualifikationsnachweis und das Vertrauen Dritter ist ein Hinweis. Allerdings kein todsicherer.
- Stil und Auftreten: Eine seriöse Person meint man, am Stil zu erkennen. Das aber kann den Irrenden nicht vom Korrekten unterscheiden, und der Betrüger weiß erst recht, wie er auf der Klaviatur zu spielen hat.
- Argumente: Wenn der Experte plausibel Erklärungen vorträgt, das zum eigenen Wissen passt, wird er Anerkennung finden.
- Verdacht der Abhängigkeit: Wenn der Experte im Auftrage Dritter handelt, entsteht der Eindruck, dass die Information gefärbt sein könnte.
Gerade der 4. Punkt hat es in sich: Man wird Gutachten, die im Auftrag einer Interessengruppe angefertigt wurde, mit besonderer Vorsicht betrachten. Die ist um so leichter, wenn es eben fremde Interessengruppen sind. Gutachten, die aus der Interessengruppe stammen, denen man selbst eher zuneigt, misstraut man weit weniger. Das liegt eigentlich auf der Hand und man kann das bei Selbstbeobachtung immer wieder feststellen. Allerdings geben sich alle möglichen Experten alle Mühe, den Eindruck zu vermitteln, dass eben sie keine Interessenvertreter seien, sondern allein dem Argument und Fakten verpflichtet.
Wenn dem so wäre, würde zumindest eine Gefahr gebannt sein. Aber geht das überhaupt? Könnten wir selbst unabhängige Experten sein, die nur der Wahrheit verpflichtet sind? Als Ziel ist das sicher unverzichtbar. Intellektuelle Redlichkeit lässt uns aber erkennen, dass selbst die Besten noch weit von diesem Ideal entfernt sind. Selbst wenn es kein Geld für die Expertise gäbe und wenn der Auftraggeber tatsächlich keine inhaltlichen Vorgaben machen würde: Woher weiß das der Experte? Er will zumindest das Vertrauen gewinnen, denn seine Expertise wird wertlos, wenn sie auf Misstrauen stößt. Man wird es darum unterlassen, den Auftraggeber von Ansichten überzeugen zu wollen, die seinen Interessen zuwider laufen. Und sollte es dennoch ein Experte versuchen, wird er meist scheitern.
Wenn sich ein Experte nun als unabhängig ausgibt, ist besondere Vorsicht geboten: Denn entweder er betrügt sich selbst und weiß gar nicht, was ihn bestimmt … dann ist die Expertise vielleicht ebenso fragwürdig. Oder aber er kennt seine Abhängigkeit und will ihr vielleicht entgegen treten. Das aber ist sehr selten erfolgreich möglich. Oder er will überzeugen und wendet skrupellos die Methoden der Vertrauensbildung an, indem er vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist.
Da lobe ich mir eher jene, die aus ihrem Auftrag keinen Hehl machen und offen die Argumente vortragen, damit vor allem die Einschätzung selbst geprüft wird.
Schließlich gibt es zu allen umstrittenen Themen Gegenexperten, die so ziemlich das Gegenteil der Ersten behaupten und ihrerseits auf ein beachtliche Reputation und Kenntnisnachweise verweisen können. Wer hat nun recht? Warum gibt es überhaupt gegensätzliche Meinungen? Wie suchen wir die Experten aus, denen wir mehr vertrauen?
Unter Verdacht stehen nicht nur die bereits erwähnten Interessen, die zu einer Verfärbung der Expertise führen könnten, sondern auch die ideologischen Prägungen, die in die Expertise einfließen. Dieser Verdacht geht oft so weit, dass man stereotyp die Ansichten mancher Experten pauschal disqualifiziert, weil man den Verdacht bereits für einen Erweis hält. Dummerweise können auf beiden Seiten des Grabens vergleichbare Interessen eine Rolle spielen. Eine Selektion der eigenen Interessen, der manipulierten Meinung oder der eigenen Ideologie gemäß ist dann lediglich ein Rechtfertigungsfilm, der erkenntnistheoretisch wertlos ist.
Ebenso wertlos ist die Selektion nach Mehrheitsmeinung. Denn in Sachfeststellungen haben Mehrheiten keine Bedeutung. Fast alle wissenschaftlichen Errungenschaften mussten sich gegen Mehrheitsmeinungen durchsetzen. Es ist oft auch nur ein Form der Manipulation, wenn Mehrheiten von Experten lediglich behauptet werden, um damit ein vermeintliches Argument zu haben, das oft nicht stichhaltig ist – allein um die Deutungshoheit geht es in solchen Manövern.
Vielen ist dieses Problem mehr oder minder klar. Sie versuchen sich aus dem Problem heraus zu halten. Aber der Verzicht auf eine eigene reflektierte Position ist meist nicht einfach. Denn implizit werden die vermeintlich Neutralen dann doch für eine Position vereinnahmt, oft auch unterschwellig. Wer z.B. zur Energiewende keine Meinung hat, wird mangels Alternativen vielleicht doch die Partei wählen, die die Energiewende für ein zentrales politisches Ziel hält. Und jene werden dieses Wählervotum als Rechtfertigung für ihr Engagement zur Energiewende verstehen.
Es bleibt dabei: Nur das Verständnis des Sacharguments ermöglicht ein sachgerechtes Urteil.