Unverzeihlich?

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte aus Pretoria am 6.2.2020 zu Wahl des Thüringischen Ministerpräsidenten Kemmerich, ‚dass dieser Vorgang unverzeihlich ist‘. Abgesehen davon, dass hier völlig unklar bleibt, wer hier wem wofür verzeihen sollte … oder auch nicht, entsetzt doch die Wortwahl. Unverzeihlich heißt, dass es niemals ein Vergeben geben kann. Es ist schicksalhaft endgültig. Abgesehen davon, dass es sich vermutlich noch nicht einmal um einen Fehler der an dem Vorgang beteiligten handelte und das Wort vermutlich leichtfertig gebraucht wurde, handelt es sich bei Unverzeihlich um etwas, was für allem dem christlichen Glauben mehr als beängstigend erscheint. Was hat das für Konsequenzen?

Unverziehene Schuld schließt vom Himmel und dem ewigen Frieden aus. Im ‚Vaterunser‘, dem Gebet, dass auf Jesus selbst zurück geht, heißt es

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Matthäus 6,12

Also muss der, der nicht zur Vergebung sich darüber im Klaren sein, dass auch ihm oder ihr nicht vergeben wird. Leichtfertig mit einem so großen Wort umzugehen ist an sich noch nicht unverzeihlich, aber der Vergebung bedürftig.

Nun gibt es schlimme Verbrechen, die Menschen anderen Menschen antun, Mord, Quälerei, Vergewaltigung u.v.m. Das Christentum lehrt, dass es auch für die übelsten Verbrechen Vergebung geben kann. Ein übler Ex-Sklavenhändler dichtete das Lied ‚Amazing Grace‘. Der Weg der Umkehr wurde ermöglicht mit dem Sühnetod Jesu Christi. Und es mag für die Opfer oder Hinterbliebenen sehr schwer sein, diesen Weg der Vergebung zu gehen. Sie hätten das Recht, de Vergeltung einzufordern. Aber auch das würde sie nicht wirklich entschädigen. Tatsächlich blieben sie in Schmerz und Verletzungen gefangen … es sei denn, Sie geben die empfangene Gnade der Vergebung weiter. Nur das kann wahrhaft befreien.

Schuld und Vergebung ist immer nicht objektiv, sondern eine Frage der Beziehung zwischen mindestens Zweien. Gibt es einen verletzten Kodex, so dass Gesetz oder die biblischen Gebote, so mag die Übertretung zwar nach objektiven Kriterien erfolgen, aber diese Gesetze sind nicht unabhängig vom Gesetzgeber. Der Tatbestand mag objektives Ereignis sein, aber erst in der subjektiven Bewertung wird dieser zur Schuld. Der Vergebende – Gott oder ein Mensch -entlastet damit den Schuldiger … und sich selbst. Aber auch im NT wird unverzeihliches genannt.

Die Sünde wider den Heiligen Geist

31 Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. 32 Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt.

Matthäus 12

Des überraschte und führte zu umfangreichen Diskussionen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine – vielleicht leichtfertige – Lästerung des Geistes zur ewigen Verdammnis führen solle, und andere üble verbrechen nicht notwendig. Darum kam man vor allem in der römisch katholischen Kirche zu folgender Ansicht:

Die Kirchenväter und in deren Gefolge die scholastische Dogmatik[1] haben den Begriff weiter entfaltet und rechnen im einzelnen dazu:

* Vermessene Hoffnung auf Heil (praesumptio)

* Verzweiflung am Heil (desperatio)

* Widerstreben gegen die erkannte Wahrheit (impugnatio veritatis agnitae)

* Neid auf die Gnadengabe eines anderen (invidentia fraternae gratiae)

* Verstockung in den Sünden (obstinatio)

* Unbußfertigkeit bis zum Tod (impoenitentia)

Der heute gültige Katechismus der Katholischen Kirche (1992) nennt keine Einzelsünden, sondern formuliert allgemein:Wer sich absichtlich weigert, durch Reue das Erbarmen Gottes anzunehmen, weist die Vergebung seiner Sünden und das vom Heiligen Geist angebotene Heil zurück. Eine solche Verhärtung kann zur Unbußfertigkeit bis zum Tod und zum ewigen Verderben führen. (Nr. 1864)

Zitiert nach Wikipedia

Im allgemeinen handelt es sich um eine Verhärtung, die nicht auf ein einzelnes Ereignis reduziert werden kann, sondern um einen Zustand, der über die Lebenszeit aufrecht erhalten wird. Dies erscheint mir eine nachvollziehbare Deutung, wie wohl es eine Interpretation ist, die im Einzelnen diskutiert werden kann. Enger am Bibeltext bleibt Gerrid Setzer :

Es ist auffällig, dass in diesem Zusammenhang oft von der „Sünde gegen den Heiligen Geist“ gesprochen wird. Das aber hat der Herr Jesus nicht gesagt und nicht gemeint; Er sprach ausdrücklich davon, dass der Heilige Geist gelästert wird.   Das ist ein wichtiger Unterschied. …  Wichtig ist noch zu vermerken, dass die Lästerung etwas ist, das ausgesprochen wird. … Bei der Lästerung des Geistes handelt es sich aber nicht um Gedanken, sondern um Worte, wie es die Schrift deutlich zeigt (Mk 3,30).

bibelstudium.de

Setzer schreibt aber weiter, dass dies kein isoliertes oder leichtfertiges Daherreden ist, sondern zeigt auf den Kontext:

Die Pharisäer waren keine zweifelnden und ängstlichen Seelen, die befürchteten, verloren zu gehen. Was sie redeten, entsprang einer kühl berechnenden Überlegung. Als sie merkten, dass die Volksmenge erstaunt war über das Wunder des Herrn Jesus, sagten sie, ohne mit der Wimper zu zucken: „Er hat den Beelzebul; und: Durch den Fürsten der Dämonen treibt er die Dämonen aus“ (Mk 3,22). Diese Aussage erschien ihnen am meisten geeignet, ihren Einfluss über das Volk zu wahren und das Wunder Jesu zu verleumden. In ihren bösen und verhärteten Herzen war kein Wunsch nach Vergebung und kein Verlangen nach Gottes Herrlichkeit. Sie hassten den Herrn Jesus und verschlossen ihre Herzen willentlich und wissentlich vor dem Wirken Gottes.

Gerrid Setzer

Nun sind wir hier weit ab vom Anlass dieses Textes. Merkel hat mit der Unverzeilichkeit eher leichtfertig daher geredet und wollte ihren Worten Dramatik verleihen. Sie hat weder dem Heiligen Geist gelästert, noch hat sie dies direkt einem Dritten unterstellt. Als Bundeskanzlerin der vorgeblich christlichen CDU sollten ihr die Zusammenhänge aber nicht unbekannt sein, vielleicht sogar als Hintergedanke möglich. Dennoch bleibt ihre Intervention, die eine Rücknahme eines demokratischen Prozesses forderte, überraschend.

Es besteht eine gewisse Parallelität zu dem Anlass: Auch ihr entgleitet der Einfluss auf das Volk. Sicher kann man die AfD nicht mit Jesus vergleichen, und diese bewirkt keine Wunder, sondern hat sich hier lediglich an die demokratischen Spielregeln gehalten. Merkel aber grenzt weiterhin implizit eine Gruppierung aus, die in Thüringen beinahe ein Viertel des Volkes wählten. Ohne namentlich den Beelzebub zu nennen deutet ihr Verhalten auf das gleiche Muster. Und dann schließt sich ein Kreis …

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