Monotheismus zukunftstauglich?

Dushan Wegner, einer meiner Lieblingsphilosophen, die eine völlig andere Ansicht zur Frage nach Gott wie ich vertreten, stellte diese Frage in erweiterter Form:

Der Mensch sehnt sich nach Spiritualität, doch sind monotheistische Weltsichten der geeignetste spirituelle Ansatz für die Zukunft?

Die Frage allein impliziert vieles für mich fragwürdiges: Sehnen sich wirklich alle Menschen nach Spiritualität? Oder doch nur einige Menschen? Und verstehen diese ihre Sehnsucht tatsächlich vergleichbar?
Blaise Pascal – und auch Ernesto Cardenal , wie auch andere Mystiker – beschrieb es so:

«Im Herzen eines jeden Menschen befindet sich ein von Gott geschaffenes Vakuum, das durch nichts Erschaffenes erfüllt werden kann als allein durch Gott, den Schöpfer, so wie er sich in Christus offenbart.»

Er sah darin ein starkes Motiv, dass aus der Geschöpflichkeit rührt. Wie geht aber Wegner an die Frage heran? Er fragt nicht nach der Realität, ob diese eben wie der Schlüssel dieser Sehnsucht sei, sondern er fragt nach der Macht.

Ins Wort »Monotheismus« sind bereits die zwei wichtigsten Faktoren seiner Macht hineincodiert: Mono bedeutet eins, also ein alternativloser Anspruch; und Theismus impliziert immer die realisierte Möglichkeit unhinterfragbarer Machtansprüche.

Dushan Wegner

Dies wirkt bizarr, denn natürlich bleibt ungeachtet jeder Realität der Machtanspruch auch bei geglaubten Monotheismus selten unhinterfragt. Denn aus der Realität eines einzigen Gottes leitet sich kein zwingendes Verständnis der Welt oder eine Legitimation einer Macht her. Viel mehr steckt in jedem menschlichen Anspruch, eben jenen Gott auf Erden zu repräsentieren, der Verdacht des Missbrauchs des Namens Gottes, und damit einer Idolatrie. In diesem Licht können menschliche Herrscher eigentlich nur in Demut vor einem Gott verbleiben, der grundsätzlich unverfügbar bleiben muss. Darum muss jedweder menschlicher Totalitarismus sich in Konfrontation mit diesem Gott befinden.

Falsifizerte Thesen

Ex falso quodlibet meint: Aus Falschem folgt beliebiges. Man kann dann ein wilde These ohne logischen Bezug herleiten.

Die Ausbreitung des christlichen wie auch islamischen Monotheismus, jeder auf seine Weise, war immer und jederzeit mit einem universellen Machtanspruch verknüpft, politische und kulturelle Macht als zwei Kordeln desselben Seils, mit dem Keinen-Gott-außer-Mir als unverhandelbarer Seele, und als dritte Kordel die Macht über die gesellschaftsordnenden Narrative. 

Dushan Wegner

Wegner schreibt dies, nachdem er zitierte:
gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Matthäus 22,21) Sollte damit nicht erkennbar sein, dass es eine Trennung zwischen weltlicher Macht und Spiritualität gibt und damit seine folgende These bereits belegt wurde? Immerhin war bis zu Konstantin dem Großen das Christentum eine Bewegung, die sich völlig parallel zu Macht ausbreitete und immer wieder von blutigen Verfolgungswellen getroffen wurde. Auch bis heute erleben wir in verschiedenen Ländern eine Christenverfolgung, in der Quantität vielleicht mehr denn je. Wie passt das dann zur vorgetragenen These?

Das Reden vom »politischen Islam«, wie es unter den gefährlich ahnungslosen westlichen Meinungsmachern dieser Jahre modisch ist, lässt die Frage offen, wo denn der »unpolitische« Islam zu finden sei – und was er überhaupt sein soll!

Dushan Wegner

Hier impliziert Wegner den Begriff Monotheismus als signifikant und zwischen Christentum und Islam auch in der Dimension des Politischen verbindend. Dabei war der Islam von Beginn an die Vereinigung und Rechtfertigung weltlicher Gewalt mit theologischer Begründung. Jesus dagegen betonte: Mein Reich ist nicht von dieser Welt!

Es gab ja auch nie irgendwo ein wirklich politikabweisendes Christentum – aus den Verfolgten wurden bei Möglichkeit gern die neuen Verfolger, und auch das offizielle Christentum der Kirchen in Deutschland sieht sich heute recht offenherzig wahlweise als gesetzter Regierungsberater oder als  leitender Politclaqueur, jeweils und selbstverständlich mit göttlicher Lizenz.

Dushan Wegner

Abgesehen davon, dass ich die aktuelle politische Einflussnahme der Kirchen ebenfalls sehr kritisch sehe und als Verrat der christlichen Botschaft an den Zeitgeist erkenne, ist aber grundsätzlich eine politische Einflussnahme im Sinne einer Partizipation von signifikanten Menschengruppen und deren Vertreter keineswegs unter den Vorbehalt zu stellen, dass dies automatisch ein Bruch mit dem ethisch und spirituellem Auftrag der Lehre Jesu Christi sei. Erst die konkrete Ausprägung jener kann es zum Verrat machen.

Bildung und Leichtgläubigkeit

Ein »Ungebildeter« wird nur glauben, was er sieht und was die Erfahrung ihn lehrt. Ein Gebildeter wird willig für bare Münze nehmen und treu nachplappern, was der preisgekrönte Journalist beim Spiegel oder der In-die-Kamera-Gucker beim Staatsfunk ihm als die Wahrheit-des-Tages verkündet, selbst wenn diese Behauptungen den Verstand und die blanke Anschauung verhöhnen.

Dushan Wegner

Auch das ist falsch. Natürlich gibt es leichtgläubige Ungebildete, wiewohl es auch Menschen geringer Bildung gibt, die alles, egal wie gut es belegt ist, radikal ablehnen. Ebenso gibt es tatsächlich eine Art unkritischer Gläubigkeit bei manchen Gebildeten … und auch deren Widersachern. Richtig ist, das jeder Stand diverse Anfälligkeiten für Fehleinstellungen mitbringt, aber diese unterschiedlich begründet sind.

In Angelegenheiten des Glaubens gilt es als Neue deutsche Bildung, davon auszugehen, die Aussagen der Bibel würden eine Politik des linksgrünen Suizidalismus fordern. Den theologischen und kirchlichen Autoritäten, wenn sie in Staatsfunk und Leitmedien sprechen, gelingt es zuletzt, in schillerndem Gleichklang von a) linksgrüner Leitmeinung, b) Merkels Welteinladung, und c) den finanziellen Interessen kirchlicher Wohlfahrtskonzerne zu sprechen.

Dushan Wegner

Diese Beobachtung sehe ich als zutreffend an, allerdings sehe ich keineswegs dies als eine Herleitung aus dem Monotheismus im Allgemeinen, noch in der christlichen Botschaft im Besonderen, sondern in der allgemeinen Korrumpierbarkeit des Menschen und der Mächtigen, die auch vor christlichen Institutionen nicht halt macht. In der Tat wird der Glaube an den Heiligen Geist auf eine schwere Probe gestellt, wenn man derartige Fehlentwicklungen beobachtet. So aber erkannten viele Reformatoren, nicht nur Martin Luther, sondern auch Martin von Tours, Petrus Valdez, Jan Hus und viele andere, dass die Kirche keineswegs in der getreuen Nachfolge Christi steht. Die christliche Lehre immunisiert nicht gegen den Irrtum – und das ist wohl bestens belegt.

Innere Widerspüche

Der Versuch, die Denkmuster des Monotheismus und den unscharfen Multikulti-Toleranz-Traum zu vereinen, führte zu einem absurden Konstrukt: Der neue alleingültige Glaube ist, dass auch Glaubensrichtungen, die anderen alle Gültigkeit absprechen, gültig sind.

Dushan Wegner

Wegner erkennt korrekt: Dies ist absurd und von einem performativen Widerspruch geprägt. Also ist es falsch dieses Konstrukt zu unterstützen oder gar selbst zu glauben. Es ist der Beleg der Unvereinbarkeit und damit eine unhaltbare Position. Dass widerprüchliches Vertreten wird, ist aber weder dem Monotheismus im allgemeinen, noch den christlichen Kirchen im Besonderen vorzuwerfen, sondern ist Ausdruck menschlicher Irrationalität. Auch wenn diese an vielen Stellen vorzufinden ist, so ist sie dennoch nicht zu tolerieren oder zu entschuldigen. Aber auch nicht, sie falschen Ursachen zuzuordnen.

Allerdings gibt es einen gültigen inneren Grund für Christen, Toleranz zu üben. Diese hat aber nichts mit diesem Widerspruch zu tun, sondern ist im NT gleich doppelt angelegt:

44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 

Matthäus 5

Neben der Feindesliebe, die den Feind aber nicht umdeklariert, bleibt die eigene Erkenntnis stats subjektiv:

Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 

1.Korinther 13,9

Der Glaube, der nach wie vor eine festes Vertrauen in die Wahrheit ist, ist somit aber nicht exklusiv, sondern dulded auch das, was er für falsch hält. Das aber heißt nicht, dass man argumentativ jene andere Meinungen adressieren kann und muss. Intoleranz muss darum nicht unwidersprochen akzeptiert werden.

Wegner sinniert weiter:

Das scheinen mir die drei realistisch möglichen Wege für den Monotheismus: …

Die Tragik in Wegners Ansatz liegt darin, dass der Begriff
Monotheismus gar keine sinnvolle Kategorie ist. Die unterschiedlichen Inhalte bestimmen so stark unterschiedliche Vorgehensmodelle, dass ein Gemeinsamkeit unter dem Schlagwort nur ein unpassendes Konstrukt ist. Leider scheint Wegner das nicht zu bemerken. Das Christentum fordert zur Feindesliebe auf, was allerdings nie heißt, den Feind nicht mehr als Feind zu erkennen, sondern trotz seiner Position der Feindschaft das Beste auch für diesen zu suchen.

Während das jüdische Modell für das Judentum funktioniert und wahrlich sinnvoll ist, scheint es mir für christliche wie für islamisch geprägte Kulturen kaum vorstellbar, dass sie eine kulturelle Zufriedenheit entwickeln, eine nicht-missionarische Abgeschlossenheit, die dem anderen nicht mehr vorschreiben will, wie er zu denken und zu leben hat.

Dushan Wegner

Wegner verbleibt hier in einer kognitiven Dissonanz, indem er beständig unpassende Kategorien und Positionen vereinbaren will. Denn der Wert der Toleranz, geboren aus der Ungewissheit und Freiwilligkeit des Glaubens, ist bereits aus dem Evangelium herleitbar. Es bedarf keineswegs einer Postmoderne, die sich manche als geistesgeschichtliche Novum ohne christliche Wurzeln denken, um Toleranz im Sinne von Duldung zu propagieren. Toleranz als Indifferenz ist damit allerdings nicht gemeint.

Manche einst christlich geprägte, doch heute weitgehend auf »linksgrün« gedrehte Länder wie etwa das linke Deutschland unter Angela Merkel, sind auf gewisse Weise noch forscher missionarisch tätig als der Islam.

Dushan Wegner

Wegner ist zuzustimmen, wenn er eine Distanz zwischen der christlichen Lehre, dem NT, und dem aktuellen Zeitgeist erkennt. Das hätte ihn zur Besonnenheit mahnen müssen. Allerdings sollte er auch damit erkennen, dass der Zeitgeist keineswegs einen Gottesglauben benötigt, sondern diesen mehrheitlich dezidiert zurückweist.

Fragwürdiges Lob für asiatische Ansichten

Die tendenziell poly- und pantheistischen Staaten Asiens sind zumindest ideologisch eher selten übergriffig, im Gegenteil …
man zieht eine Linie, eine Abgrenzung in beide Richtungen: ich will dein Leben und Denken nicht verändern – und du hast mein Leben nicht zu verändern.

Dushan Wegner

Seltsam ist der Twist Wegners: Zuerst deutete er Ideologie als Vehikel der Macht, dann aber meint er, in der eher schwach ausgeprägten ideologischen Basis des Ostens Positives zu finden: Während Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus und viele andere Richtungen tatsächlich ein Obrigkeitshörigkeit massiv unterstützten und zu einer gesellschaftlichen Lethargie führte, die eben keine hinreichenden Antriebe zur Problemlösung hervorbrachten, zugleich aber das Entstehen von Potentaten und absolutistischen Ideologien wie dem Kommunismus chinesischer Prägung nichts entgegensetzen konnte, wirkte der Kolonialismus und Kulturimperialismus des Westens – obwohl dies moralisch kaum zu rechtfertigen ist – oftmals befruchtend. Einige Staaten konnten damit den Weg in eine Moderne finden, die man durchaus auch positiv bewerten kann.

China schickt sich an, ganz ohne vorgebliche Ideologie, die dominierende Weltmacht zu werden. Ist es darum moralisch besser? Das Engagement in Afrika ist bereits klar expansiv. Nur die Methoden unterscheiden sich von klassischen Kolonialmächten. Faktisch führt die Hegemonie natürlich zu einem klaren Einfluss auf das Leben Dritter. Die chinesische Bevölkerung bekommt sehr klar gezeigt, wie weit ihre Freiheiten gehen und wo sie enden. Vielerorts wird das Christentum in China offen bekämpft. Warum sollte dies für abhängige Drittländer nicht gelten, wenn die Machtposition das zulässt? Aber das gilt nicht erst seit dem Einfluss des westlichen Kommunismus. Filme, die auf die chinesische Geschichte verweisen, liegen hier völlig synchron mit diesem diktatorischen Duktus.

Spiritualität

Bei aller Sympathie zu Dushan Wegner, aber er hat mit diesem Aufsatz sein selbstgewähltes Thema verfehlt und sich trotz selbst beschriebener Widersprüche nicht gefunden, auf untaugliche Kategorien zu verzichten. Er hat die von ihm genannte Spiritualität nicht hinreichend umrissen oder erklärt, auch nicht die Frage nach der Wirklichkeit, die hinter jener steht.
Spiritualität ist für mich ein leerer Begriff, wenn hier nur ein irrationales Gefühl oder eine psychoaktive Praxis gemeint wird. Wird aber das eigene Selbstverständnis zum Ganzen – ob dies nun Gott genannt wird oder synonyme Begriffe präferiert werden – neu gesucht und sich nicht im Gegenständlichen erschöpfend betrachtet wird, bekommt der Begriff eine Bedeutung.

Anti-intellektuell kann man Spiritualität nicht nennen, wenn diese redlich sein will. Denn wer sich einer kognitiven Auseinandersetzung mit den Inhalten verweigert, sieht sich zu Recht einem Betrugsverdacht ausgesetzt: Ob es nun frommer Selbstbetrug ist, oder schlimmere bewusste Manipulation Dritter, ist nur ein gradueller Unterschied.
Spiritualität muss im Einklang mit allen anderen Teilen der Weltanschauung stehen. Wer dies nicht zusammen bekommt, muss erkennen, dass sein Weltbild nicht kohärent ist. Und das fordert die Behebung dieser Dissonanz.

Rationalität kann Spiritualität nicht fassen, aber einen Denkraum bereitstellen. Denn Rationalität erkennt ihre Grenzen oder sie ist in sich nicht kohärent. Denn das, was rational nicht mehr erfasst werden kann, kann nicht zugleich das Ende der Realität sein. Dies hieße, ohne hinreichenden Grund eine Totalität der Ratio und der Erkenntnis vorauszusetzen, die wiederum ihren eigenen Grundsätzen widerspräche. Da aber die Rationalität den Raum der Möglichkeiten umreißen kann, wenngleich in Unschärfe, kann die Spiritualität das Wagnis des Glaubens eingehen.

Wer von Spiritualität spricht, aber den Begriff Glaube dazu ablehnt, ist auf dem Weg des Betruges. Denn jeder, auch ein sogenannt undogmatische, Zugang zu einer wie auch immer gearteten Spiritualität geht zumindest von impliziten Voraussetzungen aus. Eine völlig voraussetzungslose Erfahrung gibt es nicht, selbst wenn man sich der Voraussetzungen methodisch entschlagen will. Das vermeintliche Übel auf der anderen Seite, dass eine dogmatische Lehre eine Erfahrung in ein Deutungsraster presst, wird meist als zu eng gesehen. Eine erstarrte Lehre wird genau dann inkonsistent, wenn sie ein Deutungs-Wissen absolut beansprucht, dass sie gar nicht haben kann. Die Bibel spricht darum auch von Wissen und Erkenntnis als Stückwerk (1.Korinther 13,9), das beständiger Prüfung bedarf (1.Thessalonicher 5,21) .

Meine Weltsicht steht in Harmonie mit der biblischen Erzählung, die ich im Kern als Offenbarung verstehe. Sie zeigt eine Welt, die allem aktuellen Leid zum Trotz ein Leben und eine Entwicklung ermöglicht, die zu einem Ziel führt: Die Vereinigung mit Gott. Dies sehe ich trotz oder gerade wegen erheblicher dialektischer Spannungen als Schlüssel zum Weltverständnis. Jesus als Menschwerdung, Hingabe, Opfer und Auferstehung haben sowohl eine mystische Bedeutung als auch konkrete Handlungswegweisung für Ethik auf Hoffnung hin. Ich sehe keine Unvereinbarkeit mit wissenschaftlicher Erkenntnis, bin aber stets bereit, dies erneut zu überprüfen oder von Dritten in Frage stellen zu lassen und Rechenschaft darüber zu geben.

Zugleich bin ich mir aber der eigenen Fehlbarkeit bewusst und maße mir nicht an, im exklusiven Besitz letzter Wahrheit zu sein. Darum kann ich getrost auch gegensätzliche Ansichten, die ich für falsch halte, auch im Sinne einer Duldung und Respekt stehen lassen und den Dialog anbieten. Eine Gleichwertigkeit von falsch und richtig geglaubten kann es nicht geben. Aber dieses Urteil kann als subjektiv den Absolutheitsanspruch aufgeben.

Vielmehr glaube ich, dass das Streben nach Erkenntnis ein natürliches menschliches Verlangen ist. Dies führt weder völlig zum Ziel noch ist dieses Mühen grundsätzlich zum Scheitern verurteilt. So lange wir in der Zeitlichkeit existieren werden wir dieses Ziel nicht absolut erreichen können, aber wir können uns – dank der Gnade Gottes – diesem Ziel nähern. Das ist aber auch nicht selbstverständlich. Nicht Wenige sind von dem verschlungenen Pfad, der eben uns der Erkenntnis näher bringt, abgekommen und haben sich verirrt. Um so mehr gilt es, sich der Gefahren des Irrtums, der Lethargie und der Verführung bewusst zu bleiben und auf die Gnade hoffen, jenen Gefahren nicht zu erliegen.

In diesem Sinn ist die Eingangsfrage Wegners auch falsch gestellt: Spiritualität ist keine Frage, die sie einer Mode oder einem Zukunftsglauben unterordnen kann, wenn sie sich nicht zugleich damit obsolet machen will. Spiritualität will einen Zugang zu existenziellen Fragen und keinem Zeitgeist dienen.

4 Gedanken zu „Monotheismus zukunftstauglich?“

  1. Ach, lieber Dushan Wegner ! So forsch kommt das daher, und wie leicht ist das zu entzaubern. Zwei große Fehler des Aufsatzes möchte ich benennen, und dazu den Kardinalfehler. Der Hauptfehler ( der aber von vielen Intellektuellen gemacht wird, das zur Entschuldigung ) liegt in der Annahme, Christentum und Islam ( plus Judentum womöglich ) in einer einzigen „Kiste“ namens Monotheismus gemeinsam abhandeln zu wollen. Das ist Unsinn. Feuer und Wasser gemeinsam abhandeln ? Nun ja, theoretisch und (schein-)wissenschaftlich geht alles, das wissen wir doch ( Papier ist geduldig, und die Bits und Bytes des PCs sind es auch ) aber es ist ( sorry: ) Unsinn oder auch „Quatsch“. Fordert mich jemand heraus, das zu begründen ? Gerne. Momentan würde es aber den Rahmen hier sprengen.

    Nun die zwei konkreten Denkfehler:

    A) Ausgehend von einem ZITAT: „Die Ausbreitung des christlichen wie auch islamischen Monotheismus, jeder auf seine Weise, war immer und jederzeit mit einem universellen Machtanspruch verknüpft, politische und kulturelle Macht als zwei Kordeln desselben Seils, mit dem Keinen-Gott-außer-Mir als unverhandelbarer Seele, und als dritte Kordel die Macht über die gesellschaftsordnenden Narrative.“ ZITATENDE – kann ich ( anknüpfend an meine Eingangsbetrachtung ) feststellen, daß diese Wendung zwar auf den Islam paßt, nicht jedoch auf das Christentum. Der Islam hat von Anfang an mit Macht, Unterdrückung und Eroberung gearbeitet. Er täuscht uns dabei auch nicht. „Islam“ heißt wörtlich „Unterwerfung“. Einem durchschnittlichen islamischen Mullah, Imam, Scharia-Richter ist es völlig „schnurzpiepegal“ ob ein Mensch im Herzen voll entbrannt ist für den Koran und Mohammed und Allah – oder nicht. Hauptsache, der Mensch hat sich gebeugt, unterworfen, macht alle vorgeschriebenen Gebete und Handlungen – und fertig. Natürlich gilt ( nach dem Koran ) auch, daß diejenigen, die „mit Gut und Blut auswandern“ ( =erobern ) bei Allah einen ganz besonders guten Lohn zu erwarten haben. Aber wie gesagt, eine Frömmigkeit des Herzens ist nicht verlangt. Wie anders das Christentum ! Die obige Aussage Wegners wird, auf das Christentum bezogen, zunächst völlig sachlich falsch. Das beweisen die ersten drei (!) Jahrhunderte (!) – wir reden von ca 12 Generationen, nicht wahr ? – in denen das Christentum aufwuchs: immer in Unterdrückung, nie mit der Aussicht auf Macht oder gar Machtausübung. Dushan Wegner vernachlässigt hier sträflich die DNA des Christentums. Die Mühe hat er gescheut, die historischen Wandlungen von der Genese des Christlichen zu trennen, und wenigstens einmal zu fragen, ob es nicht die Macht war, die sich ( nach Jahrhunderten ) des Christentums bediente, es dabei mißbrauchte, weil sie so eine bessere Steuerung der Menschen hinbekam. Nicht das Christentum hat nach der Macht gegriffen, sondern die Macht nach dem Christentum. Der Unterschied sollte zu denken geben !

    B) Dushan Wegner argumentiert, als ob es bei den Religionen um eine philosophische Idee gehen würde, die man als Arbeitshypothese zunächst einmal annehmen kann, die eine ( das Christentum ) oder die andere ( den Islam ) und die man dann bewerten kann nach ihren zu erwartenden ( geschichtlichen, gesellschaftlichen, persönlichen ) Nutzen. Beide Religionen sind aber unvergleichlich mehr als das. Sie stehen in einer ganz anderen, existenziell erfahrenen Qualität. Die eine Religion als geoffenbarte Liebe, die freiläßt, die aber durch ihre Güte, Gnade, Barmherzigkeit, Wahrheit und Wahrhaftigkeit den von ihr ergriffenen Menschen „locken“ will, in aller Freiheit ja zu sagen zu seinen Erlebnissen. Die andere Religion schenkt Erlebnisse der Unterdrückung, Gewalt, Begrenzung, Unterwerfung, Todesdrohung bei „Verrat“ usw, und sie prägt im Kopf dieser ( bemitleidenswerten ) Menschen, die das von Kindheit an eingebleut bekamen, eine derartig bedrohliche Schere ein, sodaß von Freiheit keine Rede mehr sein kann. Die philosophischen Überlegungen greifen auch hier nicht, weil es um das Leben selbst geht. Bin ich angenommen ( weil ich mich füge ) oder werde ich verstoßen, weil ich es wage weiterzudenken ?
    HERBERT KLUPP

    PS: Habe zunächst nur den Dushan-Artikel gelesen und jetzt kommentiert. Den eigentlichen Artikel hier bei philo.servin will ich mir evtl später hernehmen. Möglicherweise hat M. Landvoigt einige meiner Argumente dort längst „untergebracht“. Aber wie gesagt, das konnte ich bisher nicht wahrnehmen. Sorry, wenn so etwa eine „Doppelung“ entstanden sein sollte.

  2. Eine Analogie zur Verdeutlichung: lieber Dushan Wegner, denken Sie sich ein Kind, welches unter schlimmen Zuständen in einer Familie aufwächst, wo der Alkohol regiert. Zwei mögliche Fälle: das Kind schwört als Erwachsener dem Alkohol erfolgreich ab, bekommt sein Leben in den Griff. Oder: das Kind tritt später in die „Fußstapfen“ seines Vaters und gibt die ganze Misere womöglich noch an die nächste Generation weiter. In BEIDEN (!) Fällen kann der betroffene Mensch dann über Wirkungen und Schaden oder Genuss des Alkohols nachdenken ( philosophieren ) – sowohl für den Einzelnen als auch bezüglich der gesellschaftlichen Auswirkung usw ( evtl dann auch noch über die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft usw ) In BEIDEN (!) Fällen ist dieses Nachdenken ( sind diese „philosophischen“ Standpunkte ) VÖLLIG ZWEITRANGIG bezüglich der jeweiligen existenziellen Situation, sei es alkoholmeidend, alkoholkontrollierend, oder alkoholverfallen. Die Religionen stehen für religiöse Menschen auf dieser existenziellen Ebene. Natürlich KANN man davon losgelöst diskutieren. Aber man wird der ganzen Wirklichkeit des „Alkohols“ ( der Religion ) – in seiner existenziellen und normativen Wirkung auf die Betroffenen – keinesfalls gerecht. Das wäre aber zu wenig, das genügt nicht.

  3. Spannender Artikel. Vielleicht hatte Sigmund Freud Recht, wenn er von Religion als einer Vatersehnsucht sprach. Ich kenne nur Menschen mit einer unbefriedigenden Vaterbeziehung, die sich mit Religion und Spiritualität befassen. Auch die Religionspsychologin Victoria Rationi vertritt diese These, soweit ich ihre Texte verstanden habe.

    Beste Grüße aus Salzburg, Jochen Ulreich

    1. Auch wenn man diese mögliche Motiv nicht völlig verwerfen kann – es ist nicht ausgeschlossen, dass es hier in Einzelfällen einen Bezug geben kann – so halte ich diesen Ansatz im Allgemeinen für wenig überzeugend. Zum Einen ist die Philosophisch rationale Frage nach dem Ursprung durchaus beantwortbar durch eine Gottsuche durchaus beantwortbar, zum Anderen treiben eine Vielzahl von existenziellen Fragen weitaus stärkere Motive an.

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