Objektivistische Ethik

Die Tugend des Egoismus … hört sich seltsam an … der Text stellt einige interessante Fragen:

Durch Jahrhunderte von Geißeln und Katastrophen, die durch deinen Moralkodex verursacht wurden, hast du geweint, dass dein Kodex gebrochen wurde, dass die Geißeln eine Strafe dafür waren, dass du ihn gebrochen hast, dass die Menschen zu schwach und zu egoistisch waren, um all das Blut zu vergießen, das er erforderte. … Du hast weiter geweint, dass dein Kodex edel sei, aber die menschliche Natur nicht gut genug, um ihn zu praktizieren. Und niemand erhob sich, um die Frage zu stellen: Gut?- Nach welchem Maßstab?

Ayn Rand, THE VIRTUE OF SELFISHNESS 1964 Übersetzt mit https://www.deepl.com/translator

Was ist der Maßstab von gut und böse? Ist es ein angeborenes Empfinden? Eine göttliche Gabe, seit dem Sündenfall dem Menschen zu eigen? Umsetzung der Bibel? Eine kulturelle Ausprägung? Oder gibt es objektive Grundlagen, den wir auf dem Weg des Denkens erschließen können? Doch weiter im Text:

Was ist Moral oder Ethik? Es ist ein Wertekodex, der die Entscheidungen und Handlungen des Menschen leitet – die Entscheidungen und Handlungen, die den Zweck und den Verlauf seines Lebens bestimmen. Die Ethik als Wissenschaft befasst sich mit der Entdeckung und Definition eines solchen Kodex.

ebd.

Prägnant, aber keineswegs selbstverständlich. Denn häufig wird Moral als eine ebene der Werte gesehen, aber keineswegs als praktische Grundlage des Handelns konsequent umgesetzt. Manche verzweifeln an der Diskrepanz, das als Gut erkannte nicht umzusetzen. Anderen scheint es gar selbstverständlich, dass die behaupteten Werte gar nicht die eigenen Handlungen bestimmen sollen. Das nennt sich dann Heuchelei. Wieder andere, die bloß keine Heuchler sein wollen, setzen ihre Werte so weit herab, dass man sie gar nicht mehr brechen kann… Die Durchführbarkeit aber kann nicht der Maßstab der Moral sein. Versuchen wir dem Thema näher zu kommen:

Die erste Frage, die als Vorbedingung für jeden Versuch, ein bestimmtes Ethiksystem zu definieren, zu beurteilen oder zu akzeptieren, beantwortet werden muss, ist Warum braucht der Mensch einen Wertekodex?
Lassen Sie mich dies betonen. Die erste Frage ist nicht: Welchen bestimmten Wertekodex sollte der Mensch akzeptieren? Die erste Frage ist: Braucht der Mensch überhaupt Werte und warum?

ebd.

Diese Frage ist keineswegs so selbstverständlich, wie es scheint. Es ist die Frage mach dem Selbstverständnis, nach dem Menschenbild. Mein Punkt hier: Der Mensch braucht Werte, um zu werden und sich daran selbst zu erkennen. Erst die Werte und die Moral macht den Mensch zum Menschen.

Ist der Begriff des Wertes, des „Guten oder Bösen“ eine willkürliche menschliche Erfindung, die in keinem Zusammenhang mit der Realität steht, sich von ihr ableitet und von ihr nicht gestützt wird – oder beruht er auf einer metaphysischen Tatsache, auf einem unveränderlichen Zustand der menschlichen Existenz?

ebd.

Im Gegensatz zu den Kultur-Relativisten halte ich die objektive Grundlage von Gut und Böse für richtig. Auch wenn sich die Ausprägungen kulturell unterscheiden, so bleibt doch der Kerngehalt der selbe. Gute Menschen völlig unterschiedlicher Kulturen werden sich vermutlich gegenseitig mehr schätzen als schlechte Menschen jeweils ihrer eigenen Kultur.

Kein Philosoph hat eine rationale, objektiv nachweisbare, wissenschaftliche Antwort auf die Frage gegeben, warum der Mensch einen Wertekodex braucht. Solange diese Frage unbeantwortet blieb, konnte kein rationaler, wissenschaftlicher, objektiver Ethikkodex entdeckt oder definiert werden.

ebd.

Das ist zwar richtig, aber benötigt man wirklich das objektivierbare, um einen letzten Grund zu finden? Oder Ist das Subjektive eben doch nicht eine Beliebigkeit, sondern die persönliche Antwort auf die objektive Herausforderung

Viele von ihnen [den Philosophen] versuchten, das traditionelle Monopol der Mystik auf dem Gebiet der Ethik zu brechen und angeblich eine rationale, wissenschaftliche, nicht-religiöse Moral zu definieren. Aber ihre Versuche bestanden in dem Versuch, sie aus sozialen Gründen zu rechtfertigen, indem sie lediglich die Gesellschaft an die Stelle Gottes setzten.
Die bekennenden Mystiker hielten den willkürlichen, unerklärlichen „Willen Gottes“ für den Maßstab des Guten und für die Bestätigung ihrer Ethik. Die Neomystiker ersetzten ihn durch „das Gut der Gesellschaft“ und stürzten damit in den Kreis einer Definition wie „der Maßstab des Guten ist das, was gut für die Gesellschaft ist“.

Ich bekenne mich hier als Mystiker. Denn se bleibt ein Geheimnis, wie der Urgrund des Seins zustande kam, und welche Verpflichtung aus ihr erwächst. Ich unterstütze darum auch die Kritik an den Neomystikern:

Das bedeutete in der Logik – und heute in der weltweiten Praxis -, dass „die Gesellschaft“ über allen Prinzipien der Ethik steht, da sie Quelle, Maßstab und Kriterium der Ethik ist, da „das Gute“ ist, was immer es will, was immer es als sein eigenes Wohlergehen und Vergnügen behauptet. Dies bedeutete, dass „die Gesellschaft“ alles tun darf, was ihr gefällt, da „das Gute“ alles ist, was sie zu tun wünscht, weil sie sich dafür entscheidet, es zu tun. Und – da es eine solche Einheit wie „Gesellschaft“ nicht gibt, da die Gesellschaft nur eine Anzahl von individuellen Menschen ist – bedeutete dies, dass einige Menschen (die Mehrheit oder jede Bande, die behauptet, ihr Sprecher zu sein) ethisch berechtigt sind, jeder Laune (oder jeder Gräueltat) nachzugehen, die sie zu verfolgen wünschen, während andere Menschen ethisch verpflichtet sind, ihr Leben im Dienste der Wünsche dieser Bande zu verbringen.

Wir brauchen die Gräuel der Geschichte und Gegenwart nicht auszumalen um zu erkennen, dass dies nicht richtig sein kann. Dies ist der Grund, warum Kant in seiner – Kritik der praktischen Vernunft – den moralischen Gottesbeweis für gültig erachtete. Leider will das die Inteligenzia von heute nicht mehr wahr haben.

Worüber sie auch sonst noch uneinig sind, die heutigen Moralisten sind sich einig, dass Ethik ein subjektives Thema ist und dass die drei Dinge, die von diesem Bereich ausgeschlossen sind: Vernunft – Verstand – Wirklichkeit.
Wenn man sich fragt, warum die Welt jetzt zu einem immer niedrigeren und immer tiefer werdenden Höllenschlund zusammenbricht, dann ist das der Grund.

Ein wenig dramatisierend erscheint dieser Text schon. Es erinnert an die alttestamentlichen Propheten, die auch in der Nichtbeachtung der (objektiven) Moral den Grund zum Niedergang sahen. Als Beispiel sein auf den Untergang von Sodom und Gomorra verwiesen. Auch wenn es übertriben erscheint, so ist doch etwas dran an der These, dass (subjektivistische) Dekadenz in den Abgrund führt.

Der Text such aber weiter nach den Grundlagen:

Um die Grundvoraussetzung jeder Disziplin in Frage zu stellen, muss man am Anfang beginnen. In der Ethik muss man mit der Frage beginnen: Was sind Werte? Warum braucht der Mensch sie?
„Wert“ ist das, was man tut, um zu gewinnen und/oder zu erhalten. Der Begriff „Wert“ ist nicht primär; er setzt eine Antwort auf die Frage voraus: von Wert für wen und wofür? Er setzt eine Einheit voraus, die fähig ist, angesichts einer Alternative zu handeln, um ein Ziel zu erreichen. Wo keine Alternative existiert, sind keine Ziele und keine Werte möglich.

Diese Grundlagen sind wichtig …

Es gibt nur eine fundamentale Alternative im Universum: Existenz oder Nichtexistenz – und sie bezieht sich auf eine einzige Klasse von Entitäten: die lebenden Organismen. …. Es ist nur ein lebendiger Organismus, der ständig vor einer Alternative steht: der Frage nach Leben oder Tod. Leben ist ein Prozess des sich selbst erhaltenden und selbst erzeugten Handelns. Wenn ein Organismus bei dieser Aktion versagt, stirbt er; seine chemischen Elemente bleiben erhalten, aber sein Leben erlischt. Erst das Konzept des „Lebens“ macht das Konzept des „Wertes“ möglich. Nur für ein Lebewesen können die Dinge gut oder böse sein.

Ein bemerkenswerter Ansatz! Aber zu kurz gesprungen, wenn es auf exklusiv auf die physische Existenz bezieht. Gerade die christliche Hoffnung auf das ewige Leben reduziert die Abhängigkeit von der materiellen Dasein. Ethik ist dann nicht an das physische Leben des Individuums, der Familie, Sippe, Volk oder die ganze Menschheit gekoppelt. Die Idee bleibt unter der Erweiterung der Ewigkeitshoffnung, wenn die Bedrohung des Verloren-gehens fortbesteht. Es ist ein guter Start das Leben selbst als die Referenz des Guten zu verstehen. Es geht jedenfalls tiefer als die Idee des Eudämonismus

In einem fundamentalen Sinn ist die Stille [im Sinne von inaktiv, unbelebt] das Gegenstück zum Leben. Das Leben kann nur durch einen ständigen Prozess des sich selbst erhaltenden Handelns erhalten werden. Das Ziel dieser Handlung, der letzte Wert, der, um bewahrt zu werden, in jedem Augenblick gewonnen werden muß, ist das Leben des Organismus.

Soweit die Herleitung aus dem Biologischen.

Ein ultimative Wert ist das Endziel oder das Ende, für das alle geringeren Ziele nur Mittel sind – und er setzt den Standard, nach dem alle geringeren Ziele bewertet werden. Das Leben eines Organismus ist sein Wertmaßstab: das, was sein Leben fördert, ist das Gute, das, was es bedroht, ist das Böse.
Ohne ein endgültiges Ziel oder einen Zweck kann es keine geringeren Ziele oder Mittel geben: eine Reihe von Mitteln, die in eine unendliche Entwicklung zu einem nicht vorhandenen Ziel gehen, ist eine metaphysische und epistemologische Unmöglichkeit. Nur ein Endziel, ein Selbstzweck, macht die Existenz von Werten möglich.

Erstaunlich an dieser Überlegung ist, dass sie einerseits stringent ist, andererseits sowohl auf einer naturalistischen als auch einer transzendentalen Weltsicht funktioniert.

Als Antwort auf jene Philosophen, die behaupten, dass keine Beziehung zwischen ultimativen Zielen oder Werten und den Tatsachen der Realität hergestellt werden kann, möchte ich betonen, dass die Tatsache, dass Lebewesen existieren und funktionieren, die Existenz von Werten und eines ultimativen Wertes erfordert, der für jedes gegebene Lebewesen sein eigenes Leben ist. Die Validierung von Werturteilen soll also durch Bezugnahme auf die Tatsachen der Realität erreicht werden. Die Tatsache, dass ein Lebewesen ist, bestimmt, was es zu tun hat. So viel zur Frage der Beziehung zwischen „Sein“ und „Sollen“.

Die Schwäche der Argumentation ist dieser kleine Dreh, das Leben als individuelle biologische Funktion nicht zu hinterfragen. Es ist das gleiche Konzept, der den Einzelnen sich für ein höheres Ziel – für den Geliebten, für die Gemeinschaft, das Recht oder Gott – opfern lässt. Jener versteht in dem höheren Ziel als die individuelle Existenz eben das Konzept des Lebens schlechthin – und darum liegt er nicht notwendig falsch. Die Frage, was das ultimative Leben sei, und keineswegs bei der biologistischen Antwort verharrt, bestimmt und modifiziert das gesamte Wertesystem.

Altruismus wurde von Nietzsche gescholten, es sei denn die vermeintlich gute Tat doch um des guten Gefühls willen. Die so denunzierte Tat aber bleibt nach wie vor der bösen Tat für vorzüglich. Denn zum Einen ist das gute Gefühl als Belohnung für die gute Tat durchaus legitim, zum Anderen wird die Tat nicht darum weniger gut oder gar schlecht, wenn es einen gutes Gefühl für den Wohltäter gibt. Die Möglichkeit, dass die Tat nicht wirklich gut ist, sondern nur gut gemeint war, besteht zwar, aber das ändert nichts an der Möglichkeit, wahrhaft edel zu handeln.

… wird fortgesetzt.

Ein Gedanke zu „Objektivistische Ethik“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert