Totensonntag

Heute wird in den Kirchen der Toten und der eigenen Sterblichkeit gedacht. Manch einer erschrickt und verdrängt den Gedanken, so wie in dem Song:

Come in here, dear boy, have a cigar,
You’re gonna go far,
You’re gonna fly high,
You’re never gonna die,
You’re gonna make it if you try,
They’re gonna love you.

‚Have a Cigar‘ von Pink Floyd

Andere haben sich mit dem Gedanken des – auf kurz oder lang -kommenden Todes bereits angefreundet. Manche versuchen fast zwanghaft, ihr Leben zu verlängern, dem Tod zu entkommen. Und wieder Andere fragen: Gibt es ein Leben vor dem Tod?

Daraus stellt sich die Frage: Was ist das Leben eigentlich? Und was der Tod? Kann ich mehr erwarten? Ich habe schon oft zitiert und bin nach wie vor tief berührt von dem Vers:

Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen

5.Mose 30,19

Man kann das Leben so verstehen als eine sich selbst definierende Selbstreferenz, als die Wahl zur Existenz, die Einheit mit Gott oder letztlich als Gabe Gottes … mit Zweckbestimmung. Oder was war in dem Bibelvers gemeint? Immerhin war doch auch den Menschen zu jener Zeit klar , dass alle Menschen sterben, und auch deren Nachkommen. Soll allein die Sukzession bereits das Ziel sein? Oder ist hier eine Schau auf das ewige Leben bereits angedeutet. die erst im neuen Testament erst voll entfaltet wird?

Die Werte zu biblischen Zeiten waren offensichtlich andere als die in einer modernen Industriegesellschaft. Kinder und Nachkommen hatten eine zentrale Stellung für das Lebensglück. Heute sind sie nur noch überflüssiges Beiwerk. Aber die Nachkommen sind hier lediglich mit einem ‚und‚ verknüpft. Es geht zuerst um die eigene Wahl, um die eigenen Vorstellungen vom Leben und dessen Ziel. Und das hat Konsequenzen. Diese Unterscheiden sich dann auch nicht zwischen der Antike und der heutigen zeit in der Frage nach der eigenen Existenz und der Moral.

Das Leben wählen … in Ewigkeit … das ist ein Kontrapunkt zur Vergänglichkeit. Es ist immer eine zeitlose Komponente. Denn auch Gott steht außerhalb der Zeit. Die Zeit ist Eigenschaft der Materie, das weiß die moderne Physik nun sehr zuverlässig. Materie ist vergänglich, wie auch die Zeit. Ewigkeit ist darum nicht einfach nur unendlich viel Zeit, sondern etwas völlig andere. Es ist auch keine Zeitlosigkeit in dem einfach eine Dimension entfernt wird, auf den Zeitpunkt zusammengeschrumpft wird. Die Vorstellung von unendlicher Zeit ist notwendig falsch, aber aus Mangel an einer besseren Vorstellung mag sie uns als Hilfsvorstellung dienen.

Tod und Nicht-Existenz sind dagegen weit schrecklichere Worte als die fast wehmütige Vergänglichkeit. Denn in jedem Altern lauert der Tod, der Verlust, aber auch die Langeweile, die Reizlosigkeit, die Beliebigkeit, die Leere. Ist darum der Wunsch, das Leben zu wählen, nicht auch der Wunsch nach Präsenz und bewussten Genuss des Lebens? Denn wenn es vergänglich ist, dann könnte man doch auch was versäumen? Nein – vielmehr ist hier mit der Wahl des Lebens auch immer die Beständigkeit gemeint, nicht die Vergänglichkeit, die für den Tod steht.

Wenn diese einfachen Gedanken bereits viele Fragen nach dem wahren Leben aufwerfen, dann weist auch die Vergänglichkeit des Lebens immer über sich hinaus, es ist die eingebaute Transzendenz, denn ein zufällig in die Existenz Geworfenes, um dann eben so sinnlos zu vergehen, mag dem Geist der Zeit durchaus eine heroische Firnis verleihen, aber bleibt letztlich geistlos.

Natürlich wollen wir dem Leben keinen Sinn geben, so wie eine Zutat, die auch ohne diese sein könnte. Sinn kann nichts Aufgesetztes sein. Sinn fehlt entweder, und keine Sinnstiftung kann diesen Mangel heilen – es wäre ein Plazebo, dass vielleicht wirksam sein könnte, aber nur als eine kontingente Illusion. Oder der Sinn ist genuin, geistvoll, und von Gott nicht zu unterscheiden. Leben, Liebe, Sinn, Geist … alles Synonyme, die sich aus der Gesamtschau erst erahnen lässt. Ein Geist, der nicht voller Leben und Liebe ist, ist ein Schatten seiner selbst, eine Perversion, der eine wichtige Dimension abhanden gekommen ist.

In der Gesamtschau des Lebens als die liebende Bejahung das Geistes ist der perfekte Sinn, der göttliche Knoten aller Dinge. Der Tod besiegelt dann nichts, sondern ist nur der Durchgang zu einem anderen Sein.



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