Sind Themen der Volkswirtschaft Gegenstand philosophischer Betrachtung? Ist das nicht eher was für Fachleute? Ein klares nein, denn die Vorgaben an die Volkswirtschaft laufen immer in einem philosophischen Kontext. Die persönlichen Freiheiten sind oft verwoben in einem wirtschaftlichen Kontext, in dem die Volkswirtschaft und Staat eine prägende Rolle spielen. Man muss der Marx’schen These ‚Das Sein bestimmt das Bewusstsein‘ keineswegs vollumfänglich zustimmen um zu erkennen, dass da durchaus etwas dran ist.
Weiterhin zeigten die grandiosen Fehl-Prognosen führender Volkswirtschaftler, dass diese keineswegs über jede Kritik der Laien erhaben sind. Im Besondern gilt es hier zu fragen, ob Liberalismus – im Sinne von Kapitalismus – und Freihandel denn erstrebenswert und gut seien, bzw. Protektionismus negativ … und ob das Eine das Andere bedingt. Genau so wenig ist eine pauschale Globalisierungskritik geeignet, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Neben den Zielen und Bewertungen, die fraglos philosophische Gegenstände sind, sind kausale Zusammenhänge und Wirkketten über das Fachstudium hinaus auf einer Ebene, die die Bewertung stark beeinflusst – auch wenn das Nachdenken darüber nicht gerade Behaglichkeit verheißt..
Das Leben ist unvermeidbar mit der Wirtschaft verbunden, denn diese liefert, vor allem in der modernen Industriegesellschaft, die Grundlage der individuellen Existenz. Die schlichte Erkenntnis ‚Der Mensch will nicht nur leben, er will auch wohl leben‘ (Christoph Anton Migazzi 1784) gibt ein Ziel des Wirtschaftens vor. Wohlstand wird gesucht und angestrebt. Konsumverzicht um eines höheren Zieles willen wurde durch die Geschichte hindurch bekannt, nie aber ein prägendes Massenphänomen.
Wohlstand alleine ist aber mitunter nicht das einzige Ziel des Wirtschaftens. Oft zählen Fragen der Naturverträglichkeit und Nachhaltigkeit, sowie die soziale Gerechtigkeit / Verteilungsgerechtigkeit dazu, ohne den Gedanken der Leistungsgerechtigkeit auszuhebeln. Dies finden wir auch in den Grundzielen der Betriebswirtschaftslehre in konkretisierter Form:
- Profitabilität (direkte Nutzenmaximierung)
- Nachhaltigkeit (Zukunftsorientierung)
- Wachstum (Mehrung des Wohlstandes)
Das gilt nicht nur für Betriebe, sondern mehr oder minder auch für einzelne Menschen und ganze Volkswirtschaften. Im Kontext der Nebenziele wurden auch alternative Wirtschaftssysteme zur Marktwirtschaft erprobt, blieben jedoch mittel- bis langfristig stets erfolglos.
Grundlagen
Marktwirtschaft als Fortführung der Tauschwirtschaft gibt es schon seit Menschen Gedenken. Seit Adam Smith (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. 1776 ) wurde diese auf eine theoretische Grundlage gestellt, die von einem inneren regulatorischen Mechanismus getrieben wurde, die sowohl die Preise, als auch die Produktion und Mittelallokation regulierte. Smith sprach von der ‚Invisible Hand‘, und er war sich auch bereits über die Grenzen des Konzeptes durch Marktstörungen bewusst. Die Notwendigkeit einer Marktordnung, die Störungen der Märkte und damit Verwerfungen korrigieren sollte, waren ihm bekannt und wurden im Ordoliberalismus weiter geführt.
Auch wenn die Details oftmals komplizierter sind, so bin ich doch ein überzeugter Liberaler, der das Prinzip verfolgt: So viel Freiheit wie möglich, so viel Regulation wie nötig. Offensichtlich liegt hier aber ein weiter Ermessensspielraum. Die Marktkräfte sollen sich entfalten und Fehlentwicklungen eingedämmt werden. Aber wie viel z.B. Schutz der Umwelt ist erforderlich? Kann die Existenz von einer Fledermausart und deren Schutz in einem Waldstück die nationale Energieversorgung gefährden? Diese Frage ist zwar spannend, wird hier aber nicht gestillt. Hier geht es um die Fragen des Freihandels und Protektionismus.
Die Kontroverse
In jüngerer Zeit wird einhellig in den Medien die These vertreten, dass der Freiheit und weltweitem Wohlstand durch einen wachsenden Protektionismus gefährdet sei. Handelskriege, wie sie wohl vom US-Präsidenten geschürt werden, bergen Risiken. Im Besonderen, da die Deutsche Wirtschaft ja vom Export lebe und damit unser Wohlergehen vom internationalem Handel abhängig sei. Durch die Verflechtung der Wirtschaft wird auch die gegenseitige Abhängigkeit größer, was die Bereitschaft zu Kriegen einschränke. Freihandel sei darum eine gute Sache und Protektionismus die Bedrohung dessen. Immerhin regele der Markt letztlich zum Wohle aller ja den gerechten Ausgleich.
Andererseits gibt es offensichtlich Marktverlierer. Wenn einzelne Spieler ihre Macht zum eigenen Vorteil ausnutzen, so schadet das anderen. Und auch dann, wenn es keine offensichtlchen Bösewichte gibt, kann es durch strukturelle Differenzen zu erheblichen Ungleichgewichten führen, die sich auch in den lokalen Produktionsbedingungen und letztlich in der Verteilung des Wohlstandes niederschlagen.
Im Besonderen führen Subventionen einerseits, andererseits Besteuerung und Auflagen andererseits zu Hemmnissen. Darüber hinaus beeinflussen der Entwicklungsgrad der Infrastruktur (z.B. Transport und Energieversorgung), die Mentalität und Bildungsgrad der Produktivkräfte die Wirtschaftskraft erheblich. Weiterhin sorgen die Rechtssicherheit, Staatsausgaben, Korruption und politische Stabilität für höchst unterschiedliche Rahmenbedingungen, die einen Marktausgleich in Frage stellen. Liberalismus und freie Marktwirtschaft setzt dagegen eine Homegenität voraus.
So werden in Industrieländern traditionell der landwirtschaftliche Sektor mehr oder minder subventioniert, um diese überhaupt zu erhalten. Bei einer vollständigen Freigabe der Preise auf dem Weltmarkt würden die Erwerbsmöglichkeiten des nationalen Agrarsektors stark eingeschränkt und zu den sonstigen nationalen Lohnniveaus nicht mehr konkurrenzfähig sein. Dann würde die nationale Ernährungssicherung zusammenbrechen. Zugleich werden dann aber Überschüsse erwirtschaftet, die auf dem Weltmarkt abgesetzt werden … und zwar zu Dumping-Preisen.
In der Folge werden die knappen Pro-Kopf-Erträge der Landwirtschaft in Entwicklungsländern weiter unter Druck gesetzt und kommt dort zum erliegen. Das kann nur als unerwünschte Fehlentwicklung gedeutet werden, da gerade in Entwicklungsländern der landwirtschaftliche Sektor eine bedeutende Rolle einnimmt. Ein Freihandel führt zu einem de-facto-Handelskrieg, bei denen sehr viele Existenzen auf dem Spiel stehen. Eine Lösung im Sinn eines Königswegs ist kaum zu erreichen.
Auch bei Industrieprodukten geht es nicht minder problematisch zu. Wie sehr dürfen Rohstoffe, Halbfertig-Produkte oder Konsumgüter besteuert werden, wenn die Produktion im eigenen Land durch den Import gefährdet wird?
Das Dilemma
Wie ist es nun mit dem Gedanken an die eine Welt … und den Klimaschutz? Die Menschen in den unterentwickelten Ländern haben immer weniger die Chance, ihrem Wunsch nach dem besseren Leben zu entsprechen. Zum einen sind es gerade die erzwungene Marktöffnung für Agrarprodukte, die die einheimischen schädigt, zugleich mit Handelsbeschränkungen und verfallende Rohstoff-Preise. Die hausgemachten Probleme Afrikas sind bekannt: Korruption, extremes Bevölkerungswachstum, Bürgerkriege. Zudem kommt nun die Beschneidung der Möglichkeiten, eine robuste eigene Wirtschaft aufzubauen: Die einzig erschwingliche und verlässliche Energiequelle ist Kohlestrom, aber dieser wird nicht mehr vom Westen finanziert, vorgeblich wegen des Klimawandels. Der Nebeneffekt: Die Industrieländer brauchen keine aufkommende Konkurrenz zu fürchten.
Gerechtigkeit ist in dieser Zeit in aller Munde, auch wenn der Begriff stets durch die Finger zerrinnt. Aber unser Empfinden für Gerechtigkeit wird verletzt, wenn Menschen unter schier unerträglichen Bedingungen leben müssen, ohne Hoffnung auf eine Verbesserung.
Was und wem nutzt nun ein unbeschränkter Freihandel? Im Besonderen sind jene die Profiteure, die direkt von einem gesteigerten Handelsvolumen gewinne einstreichen, vor allem Konzerne und Finanzjongleure.
Natürlich ist ein Welthandel bis zu einem gewissen Maß insgesamt vorteilhaft, aber so, wie der Ordoliberalismus mit guten Gründen keine freien Märkte ohne Einschränkungen zulässt, sondern eine Marktordnung etabliert, die vor Fehlentwicklungen schützt, muss auch der Welthandel gewisse Regularien unterworfen sein. Das sind in der Regel Zölle und andere Handelsbeschränkungen. Diese sind darum nicht automatisch ein schädlicher Protektionismus, sondern eine prinzipiell ein notwendiges Korrektiv – bis zu einem bestimmten Punkt, der bei Überschreitung zum Abwürgen der nationalen Wirtschaften kommen kann.
Ein wenig Abkühlung des Welthandels kann die Profite schmälern, und selbstverständlich wird es auch jene geben, die dadurch Lasten tragen müssen. Der Arbeiter einer Industrie, dessen Job wegen eingeschränkten Handels gestrichen wird, wird diese Entwicklung kaum entspannt zur Kenntnis nehmen, aber die Gefahren der Ausbeutung, der Marktverzerrungen, und Deallokationen von Investments führt bei unbeschränktem Freihandel zu weit größerem Leid. Was aber ist das richtige und notwendige Maß? Das ist wohl nicht allgemein und zweifelsfrei feststellbar. Zu divergent sind die Interessen der Stakeholder, zu unüberschaubar ist das Verhalten des gekoppelten und chaotischen System des Welthandels.
Wichtig ist vor allem die Erkenntnis, dass starke Meinungen von Akteuren des Geschehens zum einen notwendig perspektivisch verkürzt sind, zum Anderen, weil die vielfältige Wirkung von Maßnahmen auch von den besten Experten als unüberschaubar markiert wird. Entsprechend vorsichtiger sollten die Urteile ausfallen, die aktuelle relevante Entscheidungen begleiten.
Im Gegensatz dazu erscheint der Zeitgeist die Oberflächlichkeit als Tugend zu verklären. Ohne einen Gedanken an die Grundlagen, werden von Politikern und Journalisten beständig aktuelle Einschätzungen und Empfehlungen gegeben, die sich all zumal als Experten gerieren. Es ist völlig aus der Mode gekommen, sich mit den Grundlagen zu Beschäftigen oder sich Fachkenntnisse anzueignen. Im Besonderen erscheinen mir da Politiker als Verdächtig, aber auch der gewöhnliche Wähler verweist bei Sachentscheidungen auf die eigene Inkompetenz und delegiert die Meinungsbildung an vermeintliche Experten.
In der öffentlichen Diskussion um TTIP wurden nicht die eigentlichen Probleme thematisiert (z.B. implizite Benachteiligung von Drittstaaten), sondern es wurde sich an Nebensächlichkeiten – Stichwort Chlorhühnchen – abgearbeitet. Schließlich war das dann das Niveau, auf dem sich der gemeine Wähler befähigt fühlte, auch mitreden zu können.
Auch wenn es lästig ist, und aufgrund der Unüberschaubarkeit von Nebenwirkungen – auch bezüglich Umweltbelastungen – eher Unbehagen bereitet, so sind diese Themen dennoch weit stärker unser Leben prägend als viele andere Dinge, die unsere Aufmerksamkeit genießen.