Erinnerungskultur und Gedenken

Mit diesem Begriff wird vor allem die Schrecken der Nazi-Zeit aktuell gehalten, oder sollte es vielmehr: Viele Stimmen weisen darauf hin, dass es sich oftmals um leere Rituale handelt, die sich selbst und Dritten vermitteln will, dass man selbst zu den Guten gehört. In der tat wäre das aber ein Missbrauch jener Opfer, wenn sie nur noch der Selbstbestätigung dienen, oder als Generalvorwurf dem Meinungsgegner stereotyp um die Ohren geschlagen werden. Im Kern ist aber das Gedenken als Mahnung durchaus gerechtfertigt: Nie mehr sollte sich dieser oder ähnlicher Schrecken wiederhohlen!

Um aber diesem Ziel zu entsprechen bedarf es der Analyse anstelle eines dumpfen Sentiments: Was genau sollte nie wieder passieren? Und was sind die dafür abzuleitenden Maßnahmen?

Die Nazi-Zeit war durch mehrer Merkmale charakterisiert: Führerkult, Unterdrückung anderer Meinungen, Rassismus und Antisemitismus, Nationalismus, Grausamkeit, industrielle Massenvernichtung und Totalitarismus. Alles zu Recht negativ konnotiert Befindlichkeiten. Was ist nun das Entscheidende, was wir daraus lernen sollten? Wir müssen davon ausgehen, dass die gleiche Konstellation sich nie mehr ereignen wird. Sind darum alle Merkmale in gleicher Weise zu meiden? Gibt es ggf. abgeleitete Folgewirkungen, die mehr nach den Ursachen fragen lassen? Jeder der Begriffe bleibt aber unscharf und wird durch vielfältige Deutungen in ein Spektrum geworfen, dass beinahe zu einer Beliebigkeit herauswächst. Dagegen erscheint eine neu formiertes Böses eben nicht exakt den Mustern zu entsprechen und die Wachsamkeit erfordert eine Reflektion. Wir wollen uns darum die Begriffe näher anschauen. Oft aber macht die Dosis das Gift.

Führerkult

Wir sind oft gegen jeden Führerkult äußerst skeptisch, mit gutem Grund. Aber der Grund warum es derartiges überhaupt geben kann, scheint in der menschlichen Natur zu liegen. Die Menschen sehnten sich nach Ordnung, die sich am Besten in einer Hierarchie ausdrücken lässt. Dass nun dem Mann oder der Frau an der Spitze besonderen Ehrungen zu teil wir, ist eigentlich offensichtlich. Der Führerkult wird aber dann zum Problem, wenn sich jener nicht mehr der Kritik stellt und man der Autorität um der Autorität willen folgt. Hier, in der Unterdrückung der Vernunft, beginnt die Entmenschlichung.

Moderne Formen kaschieren plakativen Führerkult, damit eben jene Gefahr weniger offensichtlich wird. Zuweilen wird der Führerkult durch Kollektive ersetzt: Das Zentralkomitee, die Partei oder die Arbeiterklasse. Oder es verbirgt sich die reale Machtausübung hinter bürokratischen Strukturen, die sich einer Kontrolle entziehen. So kann man auch der EU-Administration einen gewissen Verdacht angedeihen lassen, dass hier eine gewisser Führungskultur etabliert wird, der sich einer Hinterfragung entzieht. Kriterium ist die Frage nach Durchsetzung von Entscheidungen, die zum Schaden des Volkes wirkt. Institutionelle Strukturen haben sich als sehr effektiv erwiesen, ohne für Kritiker eine klare Angriffsfläche zu bieten.

Aber die Gleichsetzung von Machtausübung und einer Nazi-Unkultur ist fraglos unzulässig.

Unterdrückung anderer Meinungen

Die Verfolgung von Ketzern, Leugnern und sonstigen Abtrünnigen hat offensichtlich anti-freiheitlichen Charakter und ist mit unserer Verfassung unvereinbar. Vor allem bei Ausübung staatlicher Gewalt ist ein offensichtlicher Verstoß erkennbar. Eine GeStaPo oder StaSi erzeugt angst und Schrecken. Nach Alexis de Tocqueville finden aber Demokratien ähnliche Mechanismen, wenngleich mit verfeinertem Instrumentarium:

Die natürliche Neigung der Menschen besteht allerdings darin, die Freiheit zu missbrauchen, um die der anderen zu beeinträchtigen. DIE GRÖSSTE BEDROHUNG DER FREIHEIT IST DIE FREIHEIT SELBST. Wie verteidigt man die Freiheit gegen sich selbst? Indem man allen Sicherheit garantiert. Sicherheit ist Freiheit. Sicherheit ist Schutz. Schutz ist Überwachung. ÜBERWACHUNG IST FREIHEIT.

Über die Gefährdung der Freiheit in der Demokratie

Hier gilt zu beachten: Wehret den Anfängen! Der Hebel bleibt, dass jede Freiheit notwendige Grenzen haben muss. Beliebige Beleidigungen, aufrufe zu Verbrechen oder Hasspropaganda muss eingeschränkt sein. Aber wo fängt diese notwendige Einschränkung an? Der Verdacht bleibt, dass sich die Mächtgen gerne ihrer Deutungshoheit der Grenzen bedienen, um die Meinungsfreiheit auszuhebeln, und mit unlauteren Methoden außer Kraft zu setzen.

Rassismus und Antisemitismus

Google bringt zu Rassismus einen Wörterbuch-Eintrag:

(meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen.

Duden

Diese Definition erscheint mir gut nachvollziehbar, unterscheidet sich aber von anderen Definitionen. Hier wird bereits die Unterscheidung von Merkmalen, die sich auf Kollektive Beziehen, auch wenn damit keine Wertung mit objektiven Anspruch verbunden ist, als Rassismus bezeichnet. Aber auch hier findet sich diese Passage:

Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden. Mit solchen Rassentheorien, die angeblich wissenschaftlich untermauert sind, wurden und werden diverse Handlungen gerechtfertigt, die den heute angewandten allgemeinen Menschenrechtenwidersprechen.

Wikipedia

Wo also fängt Rassismus an? Bei der Feststellung gruppenbezogener Unterschiede oder be der Diskriminierung bestimmter Gruppen?

Sind statistisch nachweisbare Besonderheiten, die der Kultur und Geschichte geschuldet sein können, bereits rassistisch? Es käme Denkverboten gleich, wenn man bestimmten, durchaus berechtigten Fragen nicht mehr nachgehen dürfte, weil diese Tabuisiert sind. Gerade eine sorgfältige Überprüfung wird aber erkennen lassen, dass sich die meisten Ressentiments nicht belegen lassen oder innerhalb einer so starken Schwankungsbreite liegt, dass sich eine Vorbeurteilung vieler Menschen aufgrund ihrer Herkunft als unberechtigt erweisen.

Antisemitismus ist das geläufige Wort für Judenfeindlichkeit. Es ist eine besondere Ausprägung des Rassismus, die allerdings über Jahrhunderte iin unterschiedliichen Kulturen ein starke Verbreitung fand, obwohl Juden stets in Minderheit war und sich häufig bestens integriert hatten. Ein geläufiges Erklärungsmuster, wie es sich ansonsten in Rassismustheorien findet, passt für den Antisemitismus nicht. Nicht zuletzt hat sich dieser in mehreren Beispielen als besonders aggressiv gezeigt, im Besonderen unter dem NS-Regime.

Eine scharfe Ablehnung von jedweder scharfen Diskriminierung erscheint selbstverständlich. Aber heute wird der Rassismusvorwurf oft inflationär gebraucht: Es gehört mittlerweile zu akzeptierten Verkehrsformen, dem Meinungsgegner Rassismus vorzuwerfen, auch wenn in keiner Weise erkennbar ist, worin dieser denn bestehen möge. Dies aber verwischt Grenzen und entleert die Bedeutung der Begriffe.

Allerdings gabe es in der Geschichte wiederholt grauenhafte Regime, die auch ohne manifesten Rassismus Schrecken verbreiteten. Man erinnere sich an den Stalinismus und Maoismus.

Nationalismus

Auch hierzu gibt es oft widerprüchliche Definitionen

Nationalismus ist eine Ideologie, die eine Identifizierung und Solidarisierung aller Mitglieder einer Nation anstrebt und letztere mit einem souveränen Staat verbinden will. Nationalismen werden (zunächst) von Nationalbewegungen getragen und in Nationalstaaten auch durch das jeweilige Staatswesenreproduziert.

Wikipedia

Der Ideologiecharakter wird hieran aber nicht erkennbar. Tatsächlich beschreibt dies eine vorherrschende Ansicht der Menschheit in vielfältigsten Ausprägungen. Daran wird auch nicht erkennbar, dass diese Ansicht zwingend negativ sei sondern wird häufig als patrotisch verstanden. Auch das Grundgesetz basiert auf dem Begriff des Volkes. Das Denunzieren dieser Ausprägung als grundsätzlich negativ erscheint dagegen eher als ideologiegetrieben.
Gemeint ist jedoch zumeist:

(meist abwertend) übersteigertes Nationalbewusstsein

Duden

In diesem Sinn lehnt auch die Identitäre Bewegung den Nationalismus als Irrweg ab: Die Nation hat keinen Selbstzweck, dem man zu dienen habe. Sie stellt aber eine Identitätsfigur dar, die durchaus einem konservativen Sicht entspricht. Das aber wäre dann kein Nationalismus, denn man übersteigert die Rolle der Nation nicht.

Gegenwärtig ist aber ein Tendenz erkennbar, die jedwedem Bezug zur Nation und Volk als grundsätzlich negativ assoziiert. Dieser Trend erscheint irritierend, da er mit der Persönlichkeitsentwicklung und konkreten Sozialisation im Dissens steht. Viele versuchen darum ein Weltbürgertum zu imaginieren, die allerdings vom Lebensgefühl und denken jener anderen Kulturen oft erstaunliche Unkenntnis hat. Diese Ausprägung ist vermutlich geradezu ein Ergebnis einer unreflektierten Erinnerungskultur, die aus einem Sentiment heraus dem deutschen Volk gesamtheitlich eine besonder Schuld und Negativität unterstellt. Mit diesem hässlichen Deutschen will man nicht mehr assoziiert werden und gibt sich gerne als anti-deutsch.

Der Treppenwitz ist darin die Dissonanz, die einerseits den Deutschen ein besonderes, geradezu rassistischen Impetus unterstellt, zugleich die Berechtigung des Rassismus grundsätzlich scharf ablehnt.

Grausamkeit und industrielle Massenvernichtung

Voll entsetzen nehmen wir wahr, dass Menschen unglaublich grausam sein können. Ob dies nun in Form von individuellen Verbrechen oder von institutionalisierter Gewalt auf staatlicher Ebene geschieht, ob in Bürgerkriegen oder in Genoziden, sind darin nur abscheuliche Varianten, die jeglicher ethischen Einsicht Hohn sprechen. Einen Höhepunkt stellten die Schrecken der Nazi-Zeit mit ihrer industriellen Massenvernichtung dar, die völlig entmenschlicht wirkten. Ein Triebtäter oder Psychopath mag dagegen trotz des Entsetzens noch halbwegs verständlich wirken, aber Täter, die eigentlich ganz normale Leute waren, und dann zum Zahnrad im Getriebe der Vernichtung wurden, macht fassungslos.

Die Frage stellt sich hier: Was bedeutet das im Kontext von ‚Wehret den Anfängen‘ ? Ist jegliche Diskriminierung, selbst in homöopathischen Dosen, bereits der schlüpfrige Weg, der ins Verderben führt? Ist es zulässig, jede Ansicht, die der eigenen nicht entspricht, in die Nähe jenes Schreckens zu stellen und eine Verbindung zu konstruieren? Oder wird gerade die Monstrosität der geschichtlichen Verbrechen dazu instrumentalisiert, andere, als weniger schlimm empfundene Verbrechen, zu relativieren?

Ich fürchte, man findet alle diese Muster, je nach Opportunität im öffentlichen Diskurs.

Totalitarismus

Eine beachtenswerte Erklärung hier:

Totalitarismus bezeichnet in der Politikwissenschaft eine diktatorische Form von Herrschaft, die, im Unterschied zu einer autoritären Diktatur, in alle sozialen Verhältnisse hinein zu wirken strebt, oft verbunden mit dem Anspruch, einen „neuen Menschen“ gemäß einer bestimmten Ideologie zu formen. Während eine autoritäre Diktatur den Status quo aufrechtzuerhalten sucht, fordert eine totalitäre Diktatur von den Beherrschten eine äußerst aktive Beteiligung am Staatsleben sowie dessen Weiterentwicklung in eine Richtung, die durch die jeweilige Ideologie angewiesen wird.

Typisch sind somit die dauerhafte Mobilisierung in Massenorganisationen und die Ausgrenzung bis hin zur Tötung derer, die sich den totalen Herrschaftsansprüchen tatsächlich oder möglicherweise widersetzen.

Wikipedia

Meines Erachtens ist der Totalitarismus das am ehesten charakteristische Merkmal der Nazi-Zeit, dass alle weiteren Wirrungen hervorbrachte. Es ist kein exklusives Merkmal, dann es gab auch immer wieder ander Formen des Totalitarismus, sei es der Sozialismus oder der Scharia-Islamismus.

Auch in heutiger Zeit, im Stile der Political Correctness orwellscher Prägung sind ansätze erkennbar, die den vollständigen Lebensentwurf der Menschen ideologisch bestimmen will. Die westlichen Gesellschaften sind glücklicherweise noch weit vom Totalitarismus entfernt, aber die Bestrebungen erscheinen in einigen Aspekten beängstigend.

In einer eher unernsten Weise zeichnet der Film ‚Demolition Man‚ eine zukünftige Gesellschaft, die auf sanfte Art und Weise dennoch totalitär war. Notwendig kam es zu Renegaten und der vermeintlichen Notwendigkeit, diese mit moralisch unzulässigen Mitteln zu bekämpfen. Das Erscheinbild könnte nicht unterschiedlicher zum Nationalsozialismus sein, aber die innere Verbindung bleibt erkennbar.

Im Sinn der Erinnerungskultur gilt hier das Imperativ: ‚Wehret den Anfängen!‘ in besonderer Weise. Erinnerungskultur sollte uns immer wieder sensibilisieren, Tendenzen, die in einen neuen Totalitarismus führen, zu erkennen und zu bekämpfen. Ein Heilmittel ist der Pflege des Wertes der Freiheit, die eine große Bandbreite von Meinungen und Lebensentwürfen in Selbstbestimmung voraussetzt.

Ein Gedanke zu „Erinnerungskultur und Gedenken“

  1. Eine Erinnerungskultur, die einzig den 12 Nazi-Jahren eine Sonderstellung für das „Nie wieder“ zuordnet, desavouriert sich selbst. Die vielen Millionen Opfer des Kommunismus, des Sozialismus, des Islam, uam dürfen keine „vernachlässigbaren“ Opfer sein. Um zu einer „guten“ Erinnerungskultur zu kommen, müssen wir speziell in Deutschland eine „Wende um 180 Grad“ hinlegen. In Schulen und anderswo muß ganz neu gefragt werden: welche Ideen oder Ideologien oder Machtstrukturen usw verlangen am Ende Millionen von Opfern ? Woher kommt deren Furor zu töten ? Wie schüren sie Haß, Kriege und Ausgrenzung ? All sowas muß ( endlich ! ) vergleichend aufgearbeitet werden.
    Schaut man dagegen auf die real existierende „Erinnerungskultur“ bei uns, muß ( leider ) ein vollständiges Versagen konstatiert werden. Rationale Analysen wurden und werden ersetzt durch einen irrationalen Glauben an ein in der Tiefe der Volksseele „teuflisches Deutschland“. Und genau das ist eine Lüge !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert