Rationalisiertes Gottvertrauen

Die Science Fiction Serie ‚3 Body Problem‘ wirft eine Reihe von philosophischen und moralischen Fragen auf. Hier geht es um die strukturelle Gleichheit eines jeden Gottvertrauens, einschließlich des Christentums, mit jenem Vertrauen in die überlegene Macht der Trisolarier. Diese seien in diesem Gedankenexperiment erwiesener Weise real (im Gegensatz zu Gott der jeweiligen Religionen) und nahezu allmächtig und allwissend, den Menschen weit überlegen. Als nun die Sekte auffliegt und weitgehend ausgelöscht wird, beginnen die Gläubigen zu zweifeln. Wie konnte ihr Lord das zulassen?

Sowohl  die Astrophysikerin Ye Wenjie, als auch der US-Milliardär und Umweltaktivist Mike Evans erklären es den Zweiflern so: Die Intelligenz der Trisolarier ist den Menschen so weit überlegen, dass sie den Plan der Trisolarier nicht verstehen können, aber das sollte das Vertrauen in die Trisolarier nicht erschüttern.
Der Zuschauer erfährt aber, dass sich die Trisolarier von jener Sekte abgewandt haben und sie schlicht nicht mehr beschützen. Somit liegt eine klassische Rationalisierung vor, um den Glauben gegen Zweifel zu schützen. Die Parallelen zum christlichen Gottesglauben sind offensichtlich … oder doch nicht?

Worin unterscheidet sich nun jener fiktive Glaube vom Gottvertrauen, wie wir sie im Christentum und anderen Religionen kennen. Denn auch hier werden Katastrophen und andere enttäuschte Hoffnungen mit der überlegenen Weisheit Gottes erklärt, die wir Menschen nicht verstehen können. In der Tat ist das menschliche Verständnis begrenzt und eine überlegene Intelligenz könnte Pläne haben, die sich unserem Verständnis entziehen müssten. Im gegebenen Beispiel aber wird offensichtlich, dass diese Erklärung auf der falschen Annahme beruht, dass jene Macht tatsächlich das Ziel hat, den Menschen das Gute zu bringen. Andere bekämpften nun jene Trisolarier, die diesen Glauben nicht teilten.

Dass wir als Wesen sehr begrenzten Wissens und sehr begrenzten Denkvermögen nicht erwarten können, das Handeln einer überragenden Intelligenz, das zudem noch als Allwissend angesehen wird , zu verstehen und zu beurteilen, liegt auf der Hand. Aber es ist gleichsam unbefriedigend, denn es kann nicht klären, ob hier überhaupt ein intelligentes Handeln vorliegt. Selbst bei der angenommenen Existenz eines Planes bleibt das Ziel jener Superintelligenz unklar: Sollten wir uns auch denn jenem Ziel unterwerfen, wenn es unseren Interessen und Rechtsverständnis zuwider läuft? Wäre es nicht lediglich eine Übertragung des Prinzips des Rechts des Stärkeren?

Handelt es sich hier also um eine gültige Metapher, die die Blauäugigkeit der Sektenmitglieder gegen das gesunde Selbsterhaltungsinteresse der Gegner / Atheisten stellt? Das bedarf der näheren Betrachtung.

Glaube und Realität

Jeder Glaube im Sinne einer lebensprägenden Überzeugung beruht auf mehreren Merkmalen:

  • Die Realität fußt auf einem Kerndogma, im Christentum die Existenz des allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gott.
  • Der zwingende Beweis für die Richtigkeit dieses Dogmas kann letztlich nicht erbracht werden, auch wenn Fakten und Indizien dazu vorgetragen werden.
  • Aber auch die Widerlegung des Dogmas, z.B. durch die Kohärenztheorie der Wahrheit, ist nicht möglich.

Fakten und Indizien müssen also näher betrachtet werden, um die Plausibilität jenes Glaubens zu untermauern oder zu unterminieren.

Im Fall der Serie ist die Realität jener Trisolarier völlig unstrittig und empirisch belegt. Unbelegt bleibt aber, ob jene Trisolarier wohlmeinend, also gut, sind. Wie also kommen jene Protagonisten auf die Idee, dass dem so sei? Dieser Glaube basiert auf der Überzeugung, dass überragendes Wissen auch moralisch sei und darum gut sein müsse. Die Erfahrung menschliche Bosheit und Unfähigkeit, reale Probleme zu lösen, macht jene überlegenen Wesen zum Projektionspunkt gutmenschlicher Hoffnungen … die sich aber als unbegründet und falsch erweisen. Die Trisolarier wollen die Menschen schließlich als Ungeziefer (Bugs) vernichten.

Im Christentum werden dagegen – auch in der Serie – Zweifel an der Existenz Gottes gesät. Der christliche Glaube basiert auf folgenden Punkten:

  • Gott ist der Ursprung aller Dinge, der Schöpfer des Himmel und der Erde. Wie sonst könnt man die philosophische Frage beantworten: Warum existiert überhaupt etwas und nicht nichts? Die alternative Annahme eines blinden Zufalls ist darin wenig überzeugend, zumal auch die Herstellung eines Zufallsgenerators sehr viel Kompetenz erfordert.
  • Dieser Gott hat sich den Menschen in der Bibel offenbart und somit seinen Willen und Güte gezeigt.
  • Durch das Heilshandeln in Jesus Christus ermöglicht Gott den Menschen ein himmlisches und unbegrenztes Leben.

Im direkten Vergleich zwischen dem Christentum (oder einer anderen Religion) und dem Glauben an die Trisolarier bleibt die Verankerung zur Existenz jenes Gottes in der Realität schwächer belegt. Dagegen leitet sich der Glaube an die Güte Gottes aus dem Gesamtkonzept konsequent her, Trisolarier werden nur aufgrund einer unbelegten Hoffnung für gut gehalten.

Die Güte Gottes

Atheisten zweifeln mit Verweis auf Katastrophen, Elend und Bosheit daran, dass Gott, sollte er existieren, auch gut sein könne. Es ist die Frage der Gerechtigkeit, und ob diese ein willkürliches Konstrukt ohne reale Bedeutung sei. Siehe hierzu: Gerechtigkeit, Gott und das Glück

Würden wir also den Gedanken der Existenz Gottes, oder der Glaube an seine Güte und Gerechtigkeit zurück weisen, hätte das Konsequenzen: Die Gerechtigkeit bleibe ein willkürliches Konzept, dass sich hinsichtlich der Ausprägung und Durchsetzung auf den Zufall bezöge. Jede natürlich Herleitung bliebe beliebig. Als einzige Referenz wäre das vermeintliche Gerechtigkeitsgefühl, dass aber in Konflikt mit den Ansichten andere Menschen stünde. Letztlich bleibt es das Recht des Stärkeren, nur um die Schnörkel und Überbau jener erweitert, die die Macht haben, ihre Vorstellungen auch durchsetzen zu können. Kant lehnte diesen Ansatz ab und hielt den Moralischen Gottesbeweis in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) für gültig.

Prima Facie -‚dem ersten Anschein nach‘ – ist die Güte Gottes also nicht von einem Wunschdenken zu unterscheiden, aber nach Kant und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) Die Theodicee nicht nur denkbar, sondern nahe liegend. Aber ein zwingender Beweis ist das nicht.

Der Unterschied zu dem Glauben an die Güte Gottes und der Ansatz der Serie – der Güte der Trisolarier – ist gewaltig. Denn der Glaube an die Güte Gottes hat alle notwendige Konsistenz, im Gegensatz zum Konstrukt der Serie. Folglich ist die strukturelle Ähnlichkeit der rationalen Begründung des Göttlichen Plans kein valides Argument, den Glauben in Zweifel zu ziehen.

Der ‚Leap of Faith‘, die Entscheidung, etwas ohne zwingenden Beweis für wahr zu halten, ist für den Glauben eine unverzichtbare Notwendigkeit. Eine Garantie, dass es sich nicht um einen Irrtum handele, gibt es nicht … aber auch ebenso wenig für das Gegenteil: Keine Entscheidung, auch nicht die Vertagung jener Entscheidung, kann sich der Irrtumsfreiheit sicher sein. Sämtliche Argumente zeigen, dass der Glaube an die Güte Gottes eine naheliegende Grundlage hat, aber keine Sicherheit. Meine Empfehlung daraus:

Lasst uns den Glauben wagen!

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