Es ist bitter zu sehen, wenn sich besondere Menschen selbst verzwergen. Sabine Hossenfelder ist eine herausragende theoretische Physikerin, Wissenschaftsjournalistin und Webvideoproduzentin, die sich durch unkonventionelle und hervorragende Beiträge empfohlen hat. Ihr Ansatz ist geprägt von einem unbändigen Interesse am Verständnis der Wirklichkeit und verfügt über beachtliche intellektuelle Ressourcen. Sie scheint sich nicht durch Vorgaben und äußere Zwänge beeindrucken zu lassen. Also beste Voraussetzungen, wesentliche Beiträge zur Philosophie zu liefern.
Was aber ist passiert? In der Reihe SRF Kultur Sternstunden wurde am 03.12.23 ein Gespräch mit ihr und Yves Bossart veröffentlicht unter dem Titel: «Freier Wille – das macht keinen Sinn» | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur Wäre es nicht ratsam, die vorgetragenen Argumente respektvoll zu würdigen, anstelle ein harschen Urteils darüber abzugeben? Damit wäre man aber nur dann gut beraten, wenn denn stichhaltige Argumente vorgetragen worden wären … aber das war nicht der Fall. Hier eine Replik, die sich nicht nur auf die eingeengte Mono-Perspektivität bezieht, sondern auch auf die Dogmatik und Inkonsistenz ihres eigenen Ansatzes. Zunächst der Reihe nach …
Das Weltbild der Physik
Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass die verbreitete Grundansicht die Welt als etwas objektiv Gegebenes versteht. Der Mensch kann diese Welt zunächst durch seine Sinneswahrnehmung erkennen und durch vertiefte Forschung, vor allem durch die Naturwissenschaften zunehmend besser verstehen. Diese Ansicht ist keineswegs die einzig mögliche, aber offensichtlich der Ausgangspunkt auch dieser Diskussion. Allerdings zeigte sich, dass die Physik immer an ihre Grenzen stieß im Verständnis jener Realität. Davor aber, bei gegebenen Kenntnissen der Physik, bekam die Vorstellung der Menschen arge Probleme, im Besonderen bei der Relativitätstheorie und Quantenmechanik: Wie kann man sich eine Welt Vorstellen, die auf scheinbaren Paradoxien aufbaut? Hossenfelder nennt auch die Grundfrage: Warum gibt es überhaupt etwas und nicht Nichts?
Wissenschaft, im Besonderen Naturwissenschaft, ist die systematische Erforschung kritischer Fragestellungen. Eines der Grundlagen dieses Vorhabens ist die Arbeitshypothese des methodischen Atheismus. Diese sagt, dass man Beobachtungen immanent aus dem physikalischen Kontext heraus erklären muss und nicht auf transzendente Ursachen zurück greifen kann. Dies ist auch sinnvoll, denn ein allzu schneller Verweis auf Gott oder den Geist, der hier Antriebskraft sein könnte, würde die Suche nach den wahren Zusammenhängen erschweren oder gar unmöglich machen. Dieses Prinzip hat sich auch als sehr fruchtbar erwiesen – die Erfolge der Wissenschaften geben beredtes Zeugnis davon.
Allerdings kann eine Arbeitshypothese keineswegs als ein unumstößliches Dogma angesehen werden, ohne in eine Ersatzreligion abzurutschen. Denn wir haben a priori eben keine gesicherte Erkenntnis über das Wesen der Realität. Wir können lediglich im Sinne von Occam’s Razor die einfachste schlüssige Erklärung als die wohl zutreffende annehmen. Was aber, wenn wir im Grenzbereich gar keine schlüssigen Erklärungen finden? Was aber, wenn es tatsächlich jenen Gott gibt, der letztlich alles bewirkt?
Offensichtlich kann die Physik grundsätzlich und methodisch keine Antworten finden, die sie als Prämisse ausgeschlossen hat. Da die Physik keine zwingende Beweise kennt, jenen Gott – in welcher Variante auch immer – faktisch auszuschließen, bleiben alle deren Erkenntnisse stets unter dem Vorbehalt, nur unter dem Rahmen der Arbeitshypothese auch antworten zu liefern.
Hossenfelder zeigt sich nicht nur in dem zitierten Gespräch als brillant und entlarvt Ansätze wie ‚Schönheit‘ und ‚Symmetrie‘ als willkürlich und keineswegs als zwingende Grundlage zur Erkenntnis der Wirklichkeit. Sie erkennt die Grenzen der Erkenntnis und vermutet, das fabrizierte Theorien, die auf immer dünneren Beinen ruhen, eben nicht wirklich der Erkenntnis der Wirklichkeit dienen. Allerdings vermeidet Hossenfelder, den Gültigkeitsbereich der physikalischen Arbeitshypothesen kritisch zu prüfen.
Dabei weiß sie, dass die Quantensprünge zufällig aus Sicht der Physik sind und einen strengen Determinismus ausschließen. Vgl. ab 20:14. Dennoch mogelt sie sich aus dem Problem heraus und macht einen neuen Aufguss von dem Laplaceschen Dämon. Vgl. ab 20:45
Ihr scheint nicht aufzufallen, dass es vor allem Ereignisse im Bereich der Bewusstseinsprozesse gibt, die wir keineswegs hinreichend durchdrungen haben. Wir haben nur das Dogma, dass das Bewusstsein ein Epiphänomen von neuronalen Prozessen sei, die ihrerseits weitgehend einer deterministischen Physik unterliegen. Nichts davon ist zwingend und die Ansätze der sogenannten Neurophilosophie laufen ins Leere. Es wird in dem Gespräch nicht klar, warum Hossenfelder trotz ihrer Kenntnisse an dem überkommenen physikalischen Determinismus festhält.
Die Diskussion erscheint eher wie Selbstüberlistung. Denn aus dem vermeintlichen Zufall des Quantensprung folgt lediglich, dass es keine physikalisch bekannten Ursachen gibt, die den Zeitpunkt des Quantensprungs festlegt. Wird aber der Geist als nicht-physikalische Entität angenommen, könnte ein ansonsten nicht erkennbarer Einfluss auf Quantenereignisse gedacht werden. Also: Quantenereignisse als das Interface des Geistes zur physikalischen Welt. Aber auch das wäre nur ein Ansatz die unbekannte Natur vieler intentionaler Ereignisse zu beschreiben. Schließt man aber a priori eine geistige Welt aus, die nicht vollständig von physikalischen Ereignissen bestimmt wird, kann keine Untersuchungsergebnis gefunden werden, die der Prämisse widerspricht.
Ab 22:49 kommt sie dann zu dem fatalen Satz: ‚Freier Wille ergibt keinen Sinn. Wieso reden wir darüber?‘ Ihr scheinen die Implikationen nicht klar zu sein. Denn dies bedeutet nicht nur, dass der Wille, die Entscheidungen und damit die konkreten Ereignisse determiniert seien, sondern auch jeder Gedanke, jede Erkenntnis und jeder Glaube zwingendes Ergebnis physikalischer Kausalketten sei.
Hossenfelder sagt, dass ihr diese vermeintliche Erkenntnis erhebliche Probleme verursachte (ab 23:18). Erstaunlich, denn es ist keine zwingende Erkenntnis, sondern nur zwingende Konsequenz fragwürdiger Prämissen. Sie erklärt ferner, dass sie diese Frage für irrelevant hält, denn sie müsse sich ja entscheiden. Das aber bleibt denkbar inkonsequent, denn einerseits zu meinen, dass die Welt einschließlich der eigenen Gedanken hinreichend determiniert sei, aber mit dieser ‚Erkenntnis‘ nichts anzufangen ist die Preisgabe der Vernunft. Sie sollte eher dazu führen, die vermeintliche Erkenntnis als falsch zu erkennen. Einen ähnlichen Schritt vollzog Kant, als er die Gottesbeweise in der reinen Vernunft zurück wies, aber den moralischen Gottesbeweis in der praktischen Vernunft als zutreffend akzeptierte.
Mit dem Determinismus wird aber jede Erkenntnis ad absurdum geführt, denn jede vermeintliche Erkenntnis ist dann letztlich nicht Ergebnis einer intrinsischen Schlussfolgerung, sondern auch diese blieben ebenso Illusion neuronaler Kaskaden, die eben Urteile jenseits des Sachthemas, sondern ausschließlich der physikalischen Bedingtheit getroffen – Argumente und Logik blieben nur der Firnis und Rechtfertigungsfilm. Sowohl die eine Überzeugung, als auch deren Gegenteil wären zwingende Folgen des Determinismus. Es gäbe keine Möglichkeit, richtig von falsch zu unterscheiden, denn das Urteil dazu unterläge ja ebenso der physikalischen Kausalkette, nicht mehr dem abstrakt-logischen Gedanken. Der eine Mensch müsste den Determinismus für richtig halten und der Andere den Indeterminismus. Ein Meinungswechsel wäre auch nicht frei, sondern von deterministischen Prozessen abhängig. Darum kann der Determinismus grundsätzlich nicht wahre Erkenntnis sein. Im Determinismus gibt es keine wahre Erkenntnis, sondern nur die Illusion einer ‚beliebigen‘ Erkenntnis. Warum diese dann weiter für wahr halten?
Kompatibilismus und Inkompatibilismus
Yves Bossart bringt den Kompatibilismus ins Spiel, den Wikipedia als auch „weicher Determinismus“ bezeichnet. Ich vermag darin kaum mehr als Wortklauberei zu erkennen, denn Einsicht in Notwendigkeit ist keineswegs Freiheit. Freiheit wäre, dagegen, gegen unbefriedigende Zwänge zu rebellieren, unabhängig vom Erfolg der Rebellion, aber unter der Option, diese Zwänge auch akzeptieren zu können. Kompatibilismus ist darum eher ein schwacher Kunstgriff, trotz schwacher Prämissen an einem Determinismus festzuhalten, auch wenn die Konsequenzen eigentlich unakzeptabel sind – nämlich die Selbstentmündigung des Menschen.
Bossart argumentiert schwach, wenn er am Beispiel eines Drogensüchtigen von inneren Zwängen spricht. Denn es ist unbestreitbar, dass der Mensch stets unter mehr oder minder starken Zwängen lebt. Kultur, Erziehung, Verpflichtungen und autoritäre Herrscher, aber auch schlicht die Biologie engen den Entscheidungsspielraum stets ein. Die Freiheit des Menschen kann nicht als eine weite Ebene verstanden werden, in der der Wanderer sich einen beliebigen Weg suchen kann, sondern sie ähnelt eher dem Zug, der sein Gleisbett nicht verlassen kann. Der Vertreter des freien Willens geht nur von der Erkenntnis der Weichen aus, die dafür sorgen, dass das Ziel des Zuges völlig unterschiedlich sein kann. Der Mensch ist substanziell in der Lage, die Rolle des Weichenstellers einzunehmen, oder darauf zu verzichten und sich den Ereignissen hinzugeben.
Um bei Bossart zu bleiben: Drogenabhängige stehen in der Tat unter einem starken Zwang, vergleichbar mit dem Zwangsneurotiker. Aber auch trotz dieser Zwänge schaffen es Drogenabhängige, aus ihrer Sucht zu entkommen. Und Zwangsneurotiker suchen sich Therapeuten, um diesem Zwang nicht ausgeliefert zu bleiben. Freier Wille heißt nicht, dass es leicht ist, die Freiheit auch auszuüben.
Bossart bringt ab 28:15 den starken freien Willen der Libertarier ins Spiel. Meine Erachtens ist dies die einzig konsequent vertretbare Position. Mich wundert lediglich, dass dies nicht als Allgemeinwissen anerkannt wird. Diese besagt ja nicht, dass es keine Zwänge gäbe, dem der Mensch nicht unterliegen würde, sondern dass er lediglich nicht völlig ohnmächtig Sklave jener Zwänge ist. Sklavenaufstände sind das Muster des Libertarismus, und das gilt auch für vermeintliche Zwänge der Physik und der Psychologie.
Es gäbe keinen Hinweis auf den Einfluss von Nicht-Physikalischen auf das Physikalische … meint Hossenfelder (ab 28:55) und erstaunt damit jene, deren Weltsicht nicht von ihren Dogmen eingezimmert ist. Denn nicht nur eine Vielzahl von Erfahrungen, die nur schwerlich mit der physikalischen Weltsicht zu vereinen sind – z.B. Nahtod-Erfahrungen, Out-of-Body Erfahrungen, Spontanheilungen, bezeugte Wunder uvm. – sondern bereits die Alltagserfahrung des Bewusstseins lässt sich nur durch gedankliche Zumutungen in einer aufs Physikalische reduzierte Weltsicht deuten.
Entscheidungstabelle
Gehen wir davon aus, dass es unbekannt ist, ob die Welt im Sinne von Hossenfelder et al. hinreichend determiniert ist, dass man nicht von einem freien Willen sprechen könne … oder gerade nicht – dann ergeben sich vereinfacht 4 Fälle:
- Der Determinist hat eine zutreffende Weltsicht
- Der Determinist hat keine zutreffende Weltsicht
- Der Libertarier hat eine zutreffende Weltsicht
- Der Libertarier hat keine zutreffende Weltsicht
Für den Fall 1 gilt, dass die Korrespondenz der Ansicht des Deterministen nicht auf einer freien Erkenntnis beruhen kann, denn diese Ansicht schließt die freie Erkenntnis aus. Der Indeterminist müsste aus entsprechenden Kausalketten zur gegenteiligen Ansicht kommen und hätte nicht die Wahl, anders zu denken als das Gegenteil. Im Grunde ist es also bedeutungslos, was der Determinist meint, denn er kann ja gar nicht anders denken.
Für den Fall 2 gilt, dass der Determinist seine eigene Entscheidungen für letztlich irrelevant erklärt, denn er meint ja, er könnte keine andere treffen. Er hat darum weder die Verantwortung für sein tun, noch über seine Überzeugung … er erklärt sich selbst raus aus der Gleichung der Ereignisse und ist Sklave determinierter Prozesse. Das ist im Fall 2 fatal, denn der Irrtum führt zu dramatischen Fehlleistungen der Erkenntnis und der Moral … es sei denn, dass der Determinist zwar diese Ansicht vertritt, sie aber praktisch nicht umsetzt und so tut, als hätte er einen freien Willen. In dieser Variante wäre es nur lächerlich und irreführend, eine falsche Position zu vertreten, die er auch nicht umsetzt.
Im Fall 3 wird der Vertreter des Freien Willens aufgrund seiner wahren Erkenntnis korrekte Schlussfolgerungen ziehen. Er weiß, dass er sich auch irren kann und das er qua seiner Entscheidung eine Lüge leben könnte. Aber er zieht die Wahrheit und Verantwortung vor.
Im Fall 4 wäre der Indeterminist objektiv im Irrtum, subjektiv aber im Recht, denn er hätte ja keine Alternative zu denken, wie er denkt. Er würde durch den Irrtum keinen Nachteil haben, denn er könnte diesen auch gar nicht vermeiden.
Daraus folgt, dass der Determinist im besten Falle nur Opfer einer Vorherbestimmung zu sein, ohne dass er sich dessen erwehren kann. Also letztlich ein Loose-Situation. Im Fall des Irrtums erweist sich sein falsches Denken als fatal. Also eine Loose-Loose-Situation.
Der Vertreter des freien Willens verliert selbst im Worst Case nichts, denn noch nicht einmal den Irrtum kann man ihm vorwerfen, denn er hätte diesen nicht aus schuldhafter Ignoranz zu vertreten.
Die strategische Lösung daraus ist, dass man unbedingt den freien Willen als sein Position annehmen sollte – wenn es einem möglich ist. Dies wäre nur unter einer Annahme nicht vorteilhaft: Wenn man die Verantwortung ablehnt, die sich aus dem freien Willen ergibt, kann man die vermeintliche Unfreiheit als Alibi für seine falschen Entscheidungen heranziehen.
Perspektiven
Die implizite Position von Hossenfelder ist die der Beobachterin von Außen auf das Weltgeschehen. Sie will eine Erkenntnis der Realität, die sich möglichst rein aus den Beobachtungen und Schlussfolgerungen ergibt. Eine Reflektion dieser Ansicht zeigt aber deren Widersprüche: Sie könnte diese Position gedanklich nur dann einnehmen, wenn sie über hinreichende Freiheitsgrade verfügt, die ihre Theorie aber gerade ausschloss. Denn auch Hossenfelder ist ihrer Ansicht nach selbst Teil der physikalischen Welt, die ihrerseits hinreichend determiniert ist und keine freien Entscheidungen zulässt. Sie wäre demnach in der Illusion gefangen, sich selbst als eine Beobachterin außerhalb des Systems zu verstehen, obwohl sie dessen Voraussetzungen nicht erfüllen kann.
Ganz offensichtlich nahmen und nehmen Menschen aber völlig verschiedene Standpunkte und damit Perspektiven ein. Der Einfachheit halber wollen wir die deterministische Varianten nicht näher betrachten, denn diese wären ja lediglich kausal bedingte Positionen, die immer bedeutungslos bleiben müssten.
Um die Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven zu beleuchten, sollten wenigstens einige Erwähnung finden. Das Höhlengleichnis Platons zweifelt die Wahrnehmung und Erkenntnis als eine zuverlässige Erkenntnis der Realität an. Die Weltsicht bleibt damit stets unter Vorbehalt, denn die unverstellt volle Erkenntnis bleibt jedem Menschen verborgen.
Aus dieser Grundüberlegung, die eine Erkennbarkeit der Physik als der ausschließlichen Quelle der Realität massiv in Zweifel zieht, leiten sich viele andere Ansätze ab. So auch Descartes, der keine Wahrnehmung und Erkenntnis als unkritisch gegeben für wahr hielt. Sein archimedischer Punkt war die Selbsterfahrung: ‚Ich denke, also bin ich‘ . Kurioser Wise ist es gerade die Selbsterfahrung, die Deterministen für eine Illusion halten.
Schopenhauer sah die Welt als eine Vorstellung, die sich aus der Sinneserfahrung erst ergibt. Die Welt ist in diesem Sinne weder notwendig rein subjektiv, noch objektiv zu erkennen, sondern die Vorstellung der Welt bekommt eine eigene Qualität, die sich ganz im Sinne des Höhlengleichnisses mehr oder minder aus der undurchdringlichen Realität herleitet. In diesem Sinn ist auch der kritische Rationalismus von dem Vorbehalt des Irrtums gekennzeichnet. Kein Dogma, auch kein physikalisches, kann als fester Grund des Denkens und der Realität verstanden werden.
Der Existenzialismus setzt weit weniger bei der Erkenntnis der Welt im objektiven Sinn an, sondern an der eigenen Existenz, die in ihren Bedingtheiten aber den Charakter einer eigenen Identität gewinnt. Erst aus dieser subjektiv verstanden Welt beginnt die Existenz eines jeden Menschen Sinn zu machen. Die suche nach der objektiven physikalischen Realität wäre aus dieser Perspektive ein Irrweg und ein Haschen nach dem Winde.
Martin Buber verstand den Modus, sich in einer unbekannten Welt zurecht zu finden als das orientierende Denken. Dies bleibt fraglos wichtig für den Lebensvollzug und bleibet eine Voraussetzung für das eigentlich Wichtige, dass in dieser Perspektive noch gar nicht berührt wird. Erst in der Beziehung des Menschen zu anderen Menschen, Dingen und Gott entsteht das eigentliche Leben … alles Andere ist eigentlich nur das Vorspiel. Die Begegnung, der Dialog ist das Ziel menschlichen Seins. Eine Reduktion auf eine rein orientierende Perspektive versäumt das wesentliche.
Es mag viele weitere Perspektiven geben, aber auch so wird deutlich, dass ein physikalischer Reduktionismus weder eine zwingende und stringente Perspektive liefert, noch wirklich zur Erkenntnis beiträgt. Wer sich auf derartige Dogmen fixiert, vertritt eher eine Manie als eine reife philosophische Erkenntnis. In diesem Sinn bleibt es nur zu hoffen, dass Hossenfelder ihr Denken nicht weiter verengt und sich damit selbst verzwergt, sondern das Potential ihres Verstandes entdecken lernt.