Predigtentwurf. Anmerkung: Eine Predigt hat die Aufgabe, die Gegenwart Gottes nicht nur jenen zu vermitteln, die bereits ihr Vertrauen auf Gott gesetzt haben, sondern auch jenen, die Gott nicht kennen oder seine Existenz bestreiten.
Im Neuen Testament spricht Johannes:
Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.
1. Johannesbrief 4,8
Diese Diktion irritiert, denn Liebe wird zuweilen als Gefühl oder Lebenseinstellung verstanden, wohl kaum aber personal. Allerdings kann Liebe nicht unabhängig von Gott gedacht werden, denn woher sollte die Liebe kommen, wenn sich nicht aus Gott wäre. Könnte Gott schlicht die Liebe erfunden haben, so wie er alles geschaffen hat? Dann hätte es einen Zustand gegeben, in dem Gott noch ohne Liebe war … auch nicht recht vorstellbar. Also können wir den Satz des Johannes durch reines Nachdenken bestätigen: Die Liebe ist das Wesen Gottes. Aber das führt zu weiteren Herausforderungen der Vorstellung …
Zum Einen ist die Frage was denn nun die Liebe sei, und was dies für den Menschen, dich und mich bedeutet. zum Anderen stellt sich die Frage für jene, denen ein Glaube an Gott fremd ist. Letzteres wird weiter unten behandelt … nur Geduld.
Liebe wird häufig als Gefühl der starken Zuneigung verstanden. Oft wird es gleichgesetzt mit einer Verliebtheit, die andere wieder als hormonelle Erkrankung verstehen. Die Bedeutung wird häufig auch im Kontext sexueller Attraktion verstanden, mit all seinen sprachlichen Irritationen, die eher jene, die diesen Kontext exklusiv verwenden, als der Liebe fremd erscheinen lassen. Viele verbinden mit dem Wort Liebe eine klare Bedeutung, die aber von Dritten wieder ganz anders verstanden wird. Über die Liebe selbst wird überraschend wenig nachgedacht. Die Bibel kennt die Liebe an vielen Stellen ganz explizit, an anderen Stellen erschließt sie sich indirekt.
Unscharf bleibt das allgemeine Verständnis, dass man auch nachschlagen kann:
Nach engerem und verbreitetem Verständnis ist Liebe ein starkes Gefühl, mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person (oder Personengruppe), die den Zweck oder den Nutzen einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine entgegenkommende tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt. Liebe kann unabhängig davon empfunden werden, ob sie erwidert wird oder nicht.
Wikipedia: Liebe
Das kann aber kaum die Bedeutung erfassen, die Jesus im Doppelgebot der Liebe meint:
37 Jesus aber sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« 38 Dies ist das höchste und erste Gebot. 39 Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« 40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Matthäus 22
Jesus erfindet dies nicht, sondern zitiert das Alte Testament bei 5. Mose 6,5 (wie auch an mehreren anderen Stellen). Dies passt aber kaum zur Vorstellung, dass Liebe nur ein Gefühl sei, denn es wäre unpassend, jemanden zu einem Gefühl zu verpflichten, auf das er nur sehr begrenzt oder gar keinen Einfluss hat. In diesem Sinn ist die Liebe eher ein Entschluss der Hingabe, dass von einem Gefühl begleitet werden kann. Es würde darum auch keine Entschuldigung sein zu behaupten, man fühle dies eben so nicht. Jesus sieht den Menschen in der Pflicht, sich Kraft seines Entschlusses Gott hinzuwenden und darin seine Liebe zuzulassen. Andererseits aber ist der Mensch aus eigenen Kräften unfähig, dies zu bewirken. Das Neue Testament führt an vielen Stellen aus, dass der Mensch aus eigener Kraft stets versagt und nicht die Macht hat, auch nicht die Macht der Liebe.
Die Liebe ist die Kraft, die Gott verleiht. Somit kann der Mensch sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf herausziehen. Aus biblischer Sicht ist es die Hand Gottes, die dem Menschen im Sumpf gereicht wird, damit er diese ergreift und gerettet wird. Es ist darum nicht das Verdienst des Menschen, die rettende Hand der Liebe zu ergreifen, aber gegen seinen Willen wird er dieser Liebe nicht teilhaftig. Liebe ist darum nicht nur ein Entschluss, sich dem Geliebten zuzuwenden, aber es bedarf zumindest der passiven Zustimmung, genau das zu tun.
Der empfundene Mangel, nicht lieben zu können, hat zwar den Schmerz der Ohnmacht, aber auch Ehrlichkeit, sich jenes Mangels bewusst zu werden. Aus biblischer Sicht ist es aber die Wahrheit, die frei macht, nicht die Illusion, den Mangel zu übertünchen und Liebe vorzugaukeln, wo keine ist.
Hier gilt die Verheißung: Mt 7,8 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Gefahren des Missverständnisses
Gerade die genannte Gemengelage, der Sturm der Gefühle und die Kraft sexueller Attraktion aber führen bei Wortgleichheit immer wieder zu jenen Missverständnissen, die das Wort letztlich entwerten. Zwar ist die Fürsorge, die Eltern ihren Kindern gewähren, nicht im Widerspruch zu biblischen Lehre, und auch die Liebe zwischen Mann und Frau ist keineswegs grundverschieden zur biblischen Liebe, aber durch weitere Bestandteile jener Liebe kann der Fokus so verschoben werden, dass das Wesentliche der Liebe missverstanden wird.
Die Bedingtheit der Elternliebe oder die sozialen Bindungen haben natürlich einen funktionalen Charakter, der der Bedingungslosigkeit der Liebe widerspricht. Allerdings kann man die soziale Funktion, ebenso wie die sexuelle Attraktion als eine Art Brücke zur Liebe, als ein Weg zum Zugang zur Liebe verstehen. Dies wird deutlich, wenn man die Entartung jener Formen der Beziehungen sieht. So kann Elternliebe leicht zur Vereinnahmung führen und keineswegs mehr das Wohl des Geliebten im Blick behalten. Wie oft wurden Kinder in falscher Abhängigkeit gehalten? Wie oft wurden sie verstoßen, weil sie den Erwartungen nicht entsprachen? So lange die elterliche Führsorge das Wohl des Kindes im Mittelpunkt hat, kann sie den Zugang zu Liebe öffnen … aber das ist nicht selbstverständlich.
Ebenso ist die geschlechtliche Attraktion keineswegs der Liebe gleichzusetzen. Flüchtige sexuelle Beziehungen können wohl kaum Liebe genannt werden, aber auch langfristige Beziehungen können höchst toxisch werden. Selbst bei einer beidseitigen Bedürfnisbefriedigung ist hier nicht immer von Liebe auszugehen.
Menschliche Bedürftigkeit führt zu Spannungen im inneren Erleben, die die Möglichkeit der Liebe eröffnet, aber keineswegs Liebe garantiert. Menschliche Bedürfnisse sind darum eher als das Vehikel zu verstehen, dass zur Liebe führen kann.
Aber all diese Gedanken beantworten die Frage nach der Liebe höchst bruchstückhaft. Paulus erläutert diese so:
Das Hohelied der Liebe
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.
1. Korinther 13
Einigen wird warm ums Herz, wenn sie die zentrale Bedeutung der Liebe erkennen. Die Liebe ist der Angelpunkt für den Menschen und zielt direkt auf das Herz Gottes. Ohne Liebe verliert alles an Bedeutung. Andere werden ängstlich und fragen sich, ob sie denn die Liebe haben, wo sie doch bereit sind, alles zu geben. Dazu ist ein Verständnis dieser Warnung erforderlich.
Allein das Reden der Weisheit und des Wortes Gottes unterscheidet den Menschen noch nicht von einem Lautsprecher, auf dem diese Texte ausgegeben werden. Auch das Streben nach Erkenntnis und spiritueller Erfahrung ist noch keine Liebe, so wenig wie die Kraft des Glaubens, selbst wenn dieser stark ist. Der Vers 3. ist der schwierigste hier. Warum sollte ein Mensch seine Habe an die Armen geben uns sich selbst opfern? Paulus unterscheidet hier, dass sehr wohl die Liebe dazu Anlass geben kann, aber andere Gründe könnten ähnliches bewirken. Wer treu und gehorsam ist, kann zu ähnlichen Leistungen, die an sich fraglos vorbildlich sind, kommen. Pflichtbewusstsein und Unterordnung ist aber kein Wert an sich. Anerkennung oder ein himmlischer Lohn vermögen auch, eine starke Motivation zu liefern. Aber das ist noch keine Liebe und verliert damit an Wert.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Korinther 13
Nach all den Dingen, die nach Liebe aussehen, aber keine ist, wird hier klar gesagt was sie denn ist. Im Besonderen beeindruckt mich: ’sie sucht nicht das Ihre‘ – Natürlich will der Liebende auch geliebt werden. Das wird hier nicht bemängelt. Aber die Liebe ist nicht davon abhängig. Unerwiderte Liebe kann darum nicht Hass umschlagen, denn dann war es keine Liebe, sondern ein anderes Bedürfnis, dass sich als Liebe tarnte. Wer den Schmerz der Zurückweisung kennt und das dann Liebeskummer nennt, muss sich fragen, ob es wirklich Liebe ist, die ihn antreibt.
Im wirklichen Leben ereignen sich gerade in Ehen oft schreckliche Tragödien. Verletzungen, Unachtsamkeit und andere dunkle Treibe führen gerade dort, wo doch der heiligste Hort der Liebe sein sollte, zu furchtbaren Streit. Aber man fragt sich, wie es sein kann, wenn da die Liebe da herrschen sollte. Offensichtlich ist da die Liebe erkaltet. Jeder täte wohl daran, sich zu besinnen und zu jener Liebe zurück zu kehren, die ihn (hoffentlich) einst bewegte.
So wird aber auch klar, dass das Vorspielen von Liebe, um irgend etwas zu erreichen, eben nicht Liebe ist. Auch die Behauptung, man würde etwas in Liebe tun, gerät schnell unter Verdacht, dass man nur den Anschein erwecken will … denn Liebe bläht sich nicht auf. Jedem, der sich auf die Liebe beruft, sollten diese Worte Mahnung und Ansporn sein, die klare und unverfälschte Liebe zu suchen und sich nicht mit Halbheiten zufrieden zu geben. Liebe wird dann zu prägenden Lebensprinzip, dass jede Ungerechtigkeit ausschließt. Das Gebot der Liebe richtet sich auch stets an den Menschen selbst, nie auf Dritte. Nur Gott kann die Liebe fordern.
Kinder werden auch nicht aus Liebe verwöhnt, denn die Liebe sucht das Beste für den Geliebten. Wenn es für ein Kind schädlich ist und schlechte Eigenschaften fördert, wenn es verwöhnt wird und nicht für böse Taten getadelt wird, dann kann das keine Liebe sein, sondern nur ein Zerrbild davon.
8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. …
Korinther 13
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
So schließt sich der Kreis, denn das Wesen Gottes ist die Liebe. Diese ist Ursprung und Ziel allen Lebens und überragt Glaube und Hoffnung, die ihre großartige Bedeutung nur in diesem Zeitlauf haben.
Zweifel an der Liebe Gottes
Viele sehen sich in einer Welt, die von Leid und Elend geprägt sind. Verbrechen, Kriege und Not verhindern, dass sie überhaupt die Liebe als das tragende Prinzip und Gott dahinter erkennen können. Beweist das nicht, dass es nur schöne Worte sind, von der Liebe zu schwärmen? Sowohl jene, die nicht zuletzt deswegen nicht an Gott, und schon gar nicht an einen liebenden Gott glauben, als auch jene, die sich zu Jesus bekennen, haben Schwierigkeiten, den Glauben an die Liebe hoch zu halten.
Die Schwierigkeiten kann man in zwei Bereiche aufteilen:
- Das objektive Übel und das Leid.
- Die Perspektive, wie die Welt wahrgenommen wird.
Tatsächlich sind wir sehr weit von dem himmlischen Frieden entfernt. Die Welt stellt sich oft als ein Schlachtfeld dar. Und die Frage dahinter kammt selten ganz zur Ruhe: Warum lässt Gott das Böse zu?
Es würde den Rahmen sprengen dies in notwendiger Tiefe hier zu behandeln, aber verschweigen kann man das Thema in diesem Kontext nicht. Darum hier die Kurzfassung:
Bibeltreue verweisen hier auf den Sündenfall und den Heilsplan Gottes, nachdem es eben die Notwendigkeit sei, dass die Welt so ist, wie sie ist. Ich halte das nicht für falsch, aber dennoch für eine weitgehend unbefriedigende Erklärung. Denn die Bibel spricht oft in Bildern und Vergleichen, und es kommt eher darauf an, den Sinn der Botschaft zu verstehen, als sich an den Buchstaben zu klammern.
Mich überzeugt eher die Antwort von Leibniz in der Theodizee, die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Leibniz bezieht sich sehr wohl auf die Bibel. Er stellt nach reiflicher Überlegung das Postulat auf:
Wir leben in der Besten aller möglichen Welten!
Das bezieht sich auf die Verfasstheit der Welt, also von seinem Anbeginn zu seinem Ende, nicht auf den aktuellen Zustand. Denn wenn die Welt für uns Aufgabe und Anreiz ist zu lernen und zu werden, kann sie nicht in seinem Endzustand sein. Sonst gäbe es keine Aufgaben und Werden mehr. Gott hat die Welt nicht ohne Grund so erschaffen, In 1. Mose 1 wird gesagt, dass die Schöpfung gut sei. Bei näherer Betrachtung wird bereits in der Schöpfung die Liebe Gottes erkennbar.
Die Erzählung vom Sündenfall ist für viel eine gute Hilfe zu verstehen, warum wir eben nicht in den ersehnten paradiesischen Verhältnissen leben. Und das ist auch gut so. Anderen reicht das so nicht aus. Für diese ist die Erzählung vom Sündenfall nur der Anlass, tiefer nachzudenken … und hoffentlich in Leibniz die Antwort zu finden:
Wie hätte sonst die Welt aussehen können? Wenn die Menschen zu selbstständig liebenden Wesen heranwachsen sollen, brauchen sie die Freiheit, das zu tun, ohne dazu genötigt zu werden. Diese Anforderung ist sehr viel schwieriger umzusetzen, als es zunächst scheint. Leibniz erkennt die Notwendigkeit einer Welt, die uns schmerzlich unvollkommen erscheint. Alvin_Plantinga baut darauf auf und erläutert dies als notwendige Voraussetzung für den freien Willen.
Derartig Überlegung helfen die Welt und das Übel in ihr mit anderen Augen zu sehen. Es liefert keine erschöpfenden Antworten über den konkreten Schmerz, der dem Einen oder Andern begegnet und ihn verzweifeln lässt. Aber es zeigt, dass gedankliche Probleme sich sehr wohl beantworten lassen.
Die Perspektive, wie wir die Welt wahrnehmen, wird nicht nur von den objektiven Verhältnissen geprägt, denn die Welt ist derartig groß und umfassend, dass wir immer nur einen Teil davon erkennen können. Unser Weltbild, und damit auch die Frage nach dem Leid, wird also nicht nur von der Wahrnehmung, sondern von unserem Verständnis geprägt. Wo sehen wir hin, wo sehen wir weg? Wie deuten wir das Wahrgenommene? Gerade der Glaube an die Liebe Gottes und die Erklärung für das So-sein der Welt liefern ein völlig anderes Verständnis als der Glaube an eine seelenlose Zufälligkeit der Welt. Im Besonderen wenn dies gepaart mit der Einsicht ist, das auch unser Verständnis nur Bruchstückhaft sein kann.
Wenn unser Blick nicht in den Bann des Bösen und des Übels gezogen ist, werden wir so vieles anderes entdecken: Die Herrlichkeit der Schöpfung, die Wohltaten des Lebens, die Freiheiten und die Freude an den Gaben, die wir erhalten haben, die Erfahrungen und Begegnungen mit anderen Menschen. Schönheit und Kunst …
Gerade unter diesem Blickwinkel fällt es uns leichter, die Liebe Gottes zu erkennen. Jene, die dessen Existenz bestreiten, müssten sich dann fragen lassen, woher all diese Wunder denn kommen? Es sei reiner Zufall, dass es so viel Schönheit auf der Welt gibt? Dabei ist es eines der größten Wunder, dass es den Zufall überhaupt gibt …