Auf der Suche nach Glück

Für manche mag das Glück der Inbegriff des Lebenssinnes sein … oder: Der Sinn des Lebens ist die Grundlage des Glücks. Ist das also das höchst Ziel? Fraglos erscheint es das Recht jedes Menschen zu sein, sein Glück zu suchen und zu finden. So findet es sich auch in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:

The Declaration of Independence identified “the pursuit of happiness” as one of our unalienable rights, along with life and liberty. Rosen profiles six of the most influential founders—Benjamin Franklin, George Washington, John Adams, Thomas Jefferson, James Madison, and Alexander Hamilton—to show what pursuing happiness meant in their lives.

The Pursuit of Happiness: How Classical Writers on Virtue Inspired the Lives of the Founders and Defined America

Aber ist dies tatsächlich über allem? oder ist es nur ein untergeordnetes Ziel? Und was ist dieses Glück eigentlich? Gibt es das wahre Glück überhaupt? Oder ein Falsches?

Zu einer Diskussion über das Glück im metaphysischen Kontext verweise ich auf Gerechtigkeit, Gott und das Glück

Bereits in der griechischen Philosophie war das ein intensiv bearbeiteter Topos.

 In der Rhetorik I, 5–6 gibt Aristoteles einen Überblick über die Vorstellungen, die sich seine Zeitgenossen von der Eudaimonie machten: Alle stimmen darin überein, dass die E. »[a] Wohlergehen mit Tüchtigkeit oder [b] Autarkie des Lebens oder [c] genussvolles Leben mit Sicherheit oder [d] das Gedeihen des Besitzes und Körpers mit der Fähigkeit, sie zu bewahren und zu gebrauchen« sei. 

Eudaimonie

Aristoteles führt das weiter aus:

Im Folgenden gibt er eine nähere Ausführung der »Teile« des Glücks, die sich an der Unterteilung der Güter in äußere und innere orientiert. Äußere Güter sind z.B. Wohlgeborenheit, Freunde, Geld, Ehre; die inneren Güter unterteilen sich nach denen des Körpers (etwa Gesundheit, Schönheit, Körperkraft) und der Seele (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit, Großherzigkeit usw.): wem diese Güter zuteil geworden sind, der führt ein autarkes Leben.

Die E. ist das höchste Ziel des Strebens, das Gut, das um seiner selbst willen und um dessen willen alles andere erstrebt wird.

Eudaimonie

Das wird weiter diskutiert und von den unterschiedlichen Denkrichtungen vertieft.

Für die Stoa wie für Epikur ist – wohl auch aufgrund der Zeitumstände, die zu einem Rückgang der politischen Freiheit der polis führen – eine Haltung in Bezug auf die E. kennzeichnend, die man als »Abwertung des Unverfügbaren« bezeichnen könnte. Die äußeren Güter, über deren Verfügbarkeit man nie sicher sein kann, spielen für das Glück keine Rolle mehr, vielmehr nur die eigene innere Haltung. Für die Stoiker liegt das Glück in der Tugend, die als richtige Einsicht bestimmt wird. Wert hat nur die wahre Erkenntnis, die der Teilhabe an der göttlichen Weltvernunft entspringt. Die äußeren Güter tragen dazu nichts bei, da sie ethisch gleichgültig sind. Der Erkenntnis hinderlich sind die Affekte, die aufgrund falscher Urteile entstehen (die dem Trieb falsche Ziele setzen) und die wiederum die Tätigkeit der Vernunft behindern. Daher zeichnet sich der Weise durch die Freiheit von Leidenschaften aus (Apathie).

Eudaimonie

So sehr es vernünftig zu sein scheint und gar an den Buddhismus erinnert, so sehr steht es im Widerspruch zum dem Glück, das gewöhnliche Menschen suchen. Man sucht das Glück in der Familie, Karriere und Anerkennung, Reichtum und Macht, meist schlicht Bedürfnisbefriedigung und Sex. Sicher ist wohl jedem klar, dass der Lottogewinn und der Rausch der Sinne nicht auf Dauer bestand haben. Warum aber sollte Dauer an sich einen höheren Wert haben?

Zeit und Ewigkeit

Persönlich rechne ich dem Faktor Zeit einen hohen Wert zu. Christen folgen Jesus aber nicht nur darin, dass sie die Konsequenzen ihres Handelns in der Zeitlichkeit bedenken, sondern dass die Perspektive der Ewigkeit zentrale Bedeutung und Handlungsrelevanz bekommt.

 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?

Mk 8,36

Das wahre Glück ist für Christen also nicht nur das gute Gefühl, Zufriedenheit oder Ekstase, sondern die Einbettung in den Willen Gottes, der auf Ewigkeit angelegt ist.

Wer aber weder an Gott glaubt, noch an ein Leben über den Tod hinaus, wird das für sich eher irrelevant halten. Für ihn mag das wahre Glück in der Zufriedenheit im irdischen Sein. Aber auch jener, der das Leben in vollen Zügen im Hier und Jetzt will und das Linsengericht dem Erstgeburtsrecht vorzieht, muss seine eigenen Präferenzen wählen können:

29 Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde 30 und sprach zu Jakob: Lass mich schnell von dem Roten essen, dem Roten da; denn ich bin müde. Daher heißt er Edom. 31 Aber Jakob sprach: Verkaufe mir zuvor deine Erstgeburt. 32 Esau antwortete: Siehe, ich muss doch sterben; was soll mir da die Erstgeburt? 33 Jakob sprach: So schwöre mir zuvor. Und er schwor ihm und verkaufte so Jakob seine Erstgeburt. 34 Da gab ihm Jakob Brot und das Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon. So verachtete Esau seine Erstgeburt. 

1.Mose 25

Die Frage nach dem Glück ist also vor allem auf die Entscheidung und Weltanschauung jedes Einzelnen abhängig. Wenn sich jener Einzelne aber über die Konsequenzen seines Handelns nicht bewusst werden will, ist es wohl töricht, sein Leben auf unvernünftige Entscheidungen zu bauen. Ist es darum nicht sinnvoll, für Andere in den Fragen nach dem Lebensglück zu entscheiden, insbesondere jene, deren Mündigkeit im Zweifel steht?

Mündigkeit

Der Mensch als soziales Wesen lebt nicht isoliert und trifft auch keine Entscheidungen ohne Vorgeschichte und soziale Beziehungen. Die jeweiligen Kulturen liefern auch entsprechende Vorprägungen hinsichtlich der Werte. Allerdings kann sich der mündige Mensch auch über diese Vorgaben hinweg setzen und eigene Wege gehen. Entwicklungspsychologisch findet sich vor allem in der Pubertät eine Trotzreaktion statt um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen, der schließlich in mehr oder minder starker Beziehung zu den sozialisierten Werten steht. Die Würde des Menschen führt allerdings zur Freiheit, Vorgaben zu akzeptieren oder neue Wege zu gehen. Dies nennt man Mündigkeit, seine Werte und Präferenzen selbst zu verantworten.

In diesem Sinne wollen Eltern und andere gesellschaftliche Kräfte die Wertorientierung des Heranwachsenden in ihrem Sinn beeinflussen. Das ist auch notwendig, denn Werte kommen nicht aus dem Nichts. Traditionen stellen somit ein notwendiges Gerüst dar, das aber nicht als rigide Einengung verstanden werden muss, sondern auch viele Möglichkeiten beinhaltet, innerhalb oder außerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu leben.

Also ist wohl unstrittig, das Kleinkinder nicht mündig sind. Aber wann setzt die Mündigkeit ein? Starr nach einer Altersgrenze? Nach einer gewissen kognitiven Leistungsfähigkeit? Aus pragmatischen Gründen hat der Gesetzgeber die Volljährigkeit auf 18 Jahren gesetzt. Es ist darum müßig zu diskutieren, ob in Einzelfällen diese Mündigkeit bereits früher oder später erreicht werden kann. Ferner ist bei diversen psychischen Erkrankungen, vor allem Demenz, bei Suchtkranken oder nach ggf. anderen Kriterien die Mündigkeit in Frage gestellt werden muss.

Wie weit und eng allerdings die Vorgaben sind, ist nicht nur vom kulturellen Rahmen abhängig, sondern auch von der Ideologie, die sich jeweils innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens ausbildet. Sowohl religiöse Sekten als auch politische Gruppierungen können hier sehr restriktive und normative Vorgaben machen. So ist das sozialistische Menschenbild geeignet, die individuellen Freiheiten eher gering zu schätzen und das Idealbild des sozialistischen Menschen als normative Grundlage zu setzen. Glück ist für jene, dem sozialistischen Ideal zu folgen. Sozialisten neigen dazu, den Einzelnen als Produkt seiner gesellschaftlichen Rolle und Prägung nicht als mündig zu betrachten, bzw. dessen Wünsche ggf. zu missachten.

Gesellschaft und Politik

Der starke Einfluss auf die Entscheidungen des Einzelnen und der Menschen im gesellschaftlichen Kontext durch Ideologien ist augenfällig.

Ideologie kann zum Einen wertfrei als Ideengebäude und Synonym für ‚Weltanschauung‘ verstanden werden. In diesem Sinn gibt es keine Ideologiefreiheit, denn selbst eine minimalistische Ablehnung aller ‚fremden‘ Ideen muss als Ideologie in diesem Sinn verstanden werden.

Zum Anderen wird Ideologie als fremde und engführende weltanschauliche Lehre verstanden, die sich gegen die Freiheiten und den Common Sense richtet. In diesem Sinn ist ‚Ideologie‘ negativ konnotiert und der Wunsch nach Ideologiefreiheit ist nachvollziehbar. Da sich aber beide Wortverständnisse teilweise widersprechen ist es schwierig, hier eine allgemeinverständliche Aussage zu formulieren. Im Folgenden wird vor allem die wertfreie Bedeutung von Ideologie unterstellt.

Im politischen Raum gibt es eine mehr oder minder starke Ideologiebindung gesellschaftlicher Kräfte. Im Extremfall handelt es sich darin um Totalitarismus, also der Vorstellung, dass die Ideologie alle Bereiche des Lebens steuernd umfasst. In diesem Sinn wären die Menschen auch nicht mehr frei, sich selbst eigene Ziele zu setzen oder jene für die Suche nach dem Glück zu suchen. Gesellschaften auf dem Weg zu Totalitarismus bieten Menschen Surrogate für die Freiheit an. So soll sich jeder Bürger per Sprechakt einem Geschlecht zuordnen können oder dieses zu wechseln, nicht mehr jedoch, wie er sein Haus heizt oder wohin er reisen will.

Berüchtigt ist auch die Vision: Ihr werdet nichts besitzen, und ihr werdet glücklich sein.

Welcome to 2030. I own nothing, have no privacy, and life has never been better

Essay der dänischen Politikerin Ida Auken, veröffentlich auf dem WEF

Dies wurde zuweilen Klaus Schwab direkt zugeschrieben, hatte er aber so nicht gesagt … Das Essay von Ida Auken passt jedoch in die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des WEF.

Es knüpft an die Vorstellung, die in der Dystopie von Aldous Huxley Schöne neue Welt … allerdings weit unkritischer.

Im Gegensatz zu Orwells 1984 beruht die Herrschaft in der neuen Welt nicht auf Gewalt, sondern auf Bedürfnisbefriedigung und Zustimmung: Verführungen sind effektiver als Verhaftungen.[59] Huxley, der 1926 mit seiner Frau die USA bereiste, imaginierte danach eine konsumistische totalitäre „Herrschaft von innen“: Von Los Angeles spricht Huxley als ´City of Dreadful Joy´, Stadt des furchterregenden Vergnügens.[60] Schon 1928 publizierte er einen Aufsatz mit dem Titel „The Outlook for American Cultur: Some Reflections in a Machine Age“, der eine moderne Fertigungsarchitektur, Massenproduktion und Konsumbereitschaft als „Zukunft der Welt“ beschreibt.[61] Daraus wird später das Basiskonzept[62] von Schöne neue Welt, dieser „technologischen Diktatur“.[63] Diese praktiziert keinen offenen Terror, aber die Zerstörung jeglicher Individualität ist „nicht minder totalitär.“

Kommentar zu ‚Schöne neue Welt

Hannah Arendt hatte vermutlich auch das im Sinn, als sie die Gefahren der totalitären Herrschaft analysiert. Auch Cordwainer Smith greift in der 50er Jahren des letzten Jahrhunderts diesen Gedanken differenziert auf. Erst mit der von ihm beschriebenen ‚Wiederentdeckung des Menschen‘ wird diese schauerliche Vorstellung überwunden … allerdings erst nach Jahrhunderten.

Linebarger benutzte das Pseudonym Cordwainer Smith für Science-Fiction-Arbeiten. Viele von Cordwainer Smiths’ Werken sind im sogenannten Universum der „Instrumentalität der Menschheit“ angesiedelt: In einer fernen Zukunft hat die Menschheit das Weltall erobert, und sowohl die Erde als auch alle anderen von Menschen bewohnten Planeten werden von einer allumfassenden, wohlmeinenden Regierung, der „Instrumentalität“, regiert. Diese versucht zunächst in utilitaristischer Weise einen stabilen Frieden zu wahren, der durch Eugenik, Unterdrückung aller Leidenschaften und die Versklavung der „Untermenschen“ (aus genmanipulierten Tieren gezüchteter Humanoiden, s. u.) erkauft ist. Erst mit der ausgerechnet von den „Untermenschen“ ausgehenden „Wiederentdeckung des Menschen“ findet die Instrumentalität zu dem neuen Ziel, die Gesellschaft zu ihren Wurzeln zurückzubringen, Unvollkommenheit nicht nur zuzulassen, sondern als substantielles Merkmal der Menschlichkeit zu würdigen und die alten Fehler wie Sklaverei oder Ausbeutung zu vermeiden. 

Wikipedia zu Cordwainer Smith

Seinen Vorläufer hat der Gedanke in der Erzählung vom Schlaraffenland. Die Frage nach dem Glück für die Menschen wird im Kontext der Utopie diskutiert. Die ultimative Bedürfnisbefriedigung sei darin das Ziel der Maximierung des Glücks. Die Gefahr der aufkommenden Langeweile wird durch Beschäftigungsprogramme vermieden. Ähnliches finden wir in der Konzeption der Matrix. Während Literatur und Film diese Frage letztlich negativ beantworten – Dies ist nicht das ultimative Glück! – gibt es weiter Bestrebungen im realen politischen Raum nach einer Umsetzung dieser Ideen.

Aber auch andere politische Ideologien basieren auf jeweils einem Menschenbild, das das Glück der Menschen zum Ziel hat. Dies mag in der Freiheit und Wohlstand liegen (Liberale), in der Bewahrung von Traditionen (Konservative) oder in einem Ideal einer Volksgemeinschaft (Nationalisten). Sozialistische / kommunistische Ideale wurden bereits erwähnt.

In Literatur und Film wird oft das Bild des freien Outlaws entgegen gesetzt, der sich weniger um Politik und Ideale kümmert, sondern sein Glück in der Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Idealen findet. Exemplarisch sei hier auf Demolition Man verwiesen.

Glück – Liebe – Glaube

Literatur und Musik verweisen auf die besondere Bedeutung der Liebe für das Glück. Zu lieben und geliebt zu werden ist gegenüber einer nackten Bedürfnisbefriedigung die vorzüglichere Basis. Liebe ist aber heute sehr erklärungsbedürftig und keineswegs selbsterklärend. Zuweilen wird Liebe als emotionaler und irrationaler Aufruhr (Im Sturm der Liebe) verstanden, als sexuelle Attraktion, als aggressiver Besitzwunsch oder reine Zuneigung. Dies wären aber eher Missverständnisse. Liebe wird hier als bedingungslose Beziehung verstanden, als Hingabe … so, wie sie Paulus beschreibt:

3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

1.Korinther 13

In diesem Sinn verstehen viele Christen das wahre Glück in der Beziehung und Hingabe zu Gott. Dieser wird als die Reinform der Liebe verstanden. Wie sollte noch irgend etwas anderes Bedeutung haben können, wenn die Liebe Gottes das ultimative Glück ist?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert