Ein kurzer Text mit gewaltiger Sprengkraft in konzentrierter Form – nicht nur für jeden persönlich, sondern auch für die gesamte Geistesgeschichte. Dennoch wurde er oft unterschätzt … warum? Wird er schlicht nicht verstanden oder gar absichtlich umgedeutet? Erscheint er allzu selbst-evident? Ist der Text nur eine Sammlung allgemeiner Weisheit? Er ist es nicht, sondern ein logisches Kunstwerk:
19 Den Geist löscht nicht aus. 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.
1.Thessalonicher 5
Diese Grundregeln haben die Geistesgeschichte des Westens geprägt … und darüber auch den der übrigen Welt. Sie sind an Christen adressiert, die den Geist als Gabe Gottes verstehen. Aber selbst säkulare Menschen, die Gott und den Heiligen Geist ablehnen, finden einen Wiederhall, wenn sie dafür ‚Intuition‘ oder andere Formen irrationaler Erkenntnis einsetzen.
Was ist Geist?
Geist (altgriechisch πνεῦμα pneuma,[1] νοῦς nous[2] und auch ψυχή psyche,[3]lateinisch spiritus,[4]mens,[5]animus bzw. anima,[6]hebräisch ruach und arabisch rūh, englisch mind, spirit, französisch esprit) ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache.
Wikipedia Geist
Tatsächlich steht im Grundtext auch pneuma die Kontexte werden so beschrieben:
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- Allgemeinsprachlich steht geistig für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, während Geist meist ein Synonym für die individuelle menschliche Psyche (Wahrnehmung, Gefühl, Bewusstsein, Denken, Erinnerung, Motivation, Konzentration, Kreativität, Träume und vieles mehr) ist.
- In Wissenschaft und Philosophie wird die Bezeichnung Geist unterschiedlich und oft im Sinne der allgemeinsprachlichen Bedeutung verwendet. Wenn es um das Verhältnis zum Körperlichen geht, handelt es sich oftmals um einen Oberbegriff für jegliche Formen subjektiver Innerlichkeit von Lebewesen oder – je nach philosophischer Denkrichtung – darüber hinaus.
- Mit religiösen Vorstellungen von einer Seele bis hin zu Jenseitserwartungen verknüpft, umfasst Geist die oft als spirituell bezeichneten Annahmen einer nicht an den leiblichen Körper gebundenen, nur auf ihn einwirkenden reinen oder absoluten, transpersonalen oder gar transzendenten Geistigkeit, die als von Gott geschaffen oder ihm gleich oder wesensgleich, wenn nicht sogar mit ihm identisch gedacht wird. Heiliger Geist wird in der christlichen Vorstellungswelt dagegen der „Geist Gottes“ genannt, der als Person der göttlichen Dreieinigkeit verstanden wird.
Letzteres Verständnis kommt dem Kontext des Ausgangstextes am nächsten, wobei diese die vorgenannten einschließt und lediglich einen weiteren Deutungsrahmen hinzu fügt. Für den Text ist es aber angezeigt, sowohl die die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, als auch den Geist Gottes in diesem Oberbegriff vereint zu sehen.
Einige christliche Kommentare und Bibelübersetzungen reduzieren den Begriff auf den Geist Gottes, was aber nicht gut begründet ist, denn im Grundtext wird pneuma nicht näher spezifiziert. Es ist darum angemessen, Geist in jeder Gestalt zu inkludieren.
Nicht auslöschen?
Die Frage ist, was das Imperativ hier fordert. Wie kann der Geist ausgelöscht werden? Im Allgemeinen ist jede Form der Unterdrückung des Denkens, einschließlich Gesinnungsschnüffelei und Repressionen für Gedankenverbrechen, Dogmatismus bis hin zum Eskapismus (Weltflucht), Suchtverhalten und Betäubung sehr wohl geeignet, den Geist schlechthin zum Erlöschen zu führen. Dies ist allzu leicht Gefahr auf unterschiedlichen Ebenen. Im Persönlichen kann Habsucht, Völlerei und allerlei Laster die Würde des Geistes zu beschädigen.
Im Gesellschaftlichen sind die Megatrends, Denkmoden und faktischer Dogmatismus de Bedrohung des Geistes. Der Dogmatismus meint hier nicht die Anerkennung eines Lehrsatzes, der nicht Bewiesen werden kann, aber durchaus hinterfragt wird, sondern die Einstellung, dass jenes Dogma eben nicht mehr hinterfragt werden darf. Dies ist in modernen Zeit weit weniger formal als man noch Institutionen als Wächter von Dogmen auserkoren hat. Moderne Dogmen, wie z.B. von der menschengemachten Klimakatastrophe, gelten als unhinterfragbar – er das dennoch wagt, erhält das Urteil eines ‚Leugners‘, was faktisch dem Ketzer entspricht.
In diesem Sinn ist auch die Neigung in christlichen Gemeinschaften, unkonventionelles Denken zu sanktionieren, bereits ein Verstoß gegen jenes Imperativ. Es ist jedoch kein Verbot, eine eigene Deutung zu gewinnen, die der Lehrmeinung anderer entspricht, und diese zu vertreten und zu propagieren. Die Trennlinie ist erst da, wo andere Menschengehindert werden, dies zu akzeptieren oder eine andere Lehre für zutreffend zu halten.
All das ist in der Mahnung, den Geist nicht erlöschen zu lassen, eingeschlossen.
Prophetische Rede?
Der Geist Gottes teilt sich auf unterschiedliche Weisen mit. Manche hören gesprochene Worte, andere haben auffällige Träume und Visionen, andere gewinnen eine Gewissheit zu Sachverhalten, die sie nicht erklären können. Menschen glauben oder glauben nicht dem Zeugnis Dritter, die den Anspruch haben, von Gott her Kenntnisse geschenkt bekommen zu haben. Ähnliches Empfinden gibt es auch im nicht-christlichen und säkularen Bereichen. Das Gewahr werden von Aussagen, die nicht rational ergründet werden können, wird zuweilen ‚Bauchgefühl‘, ‚Intuition‘ oder ähnliches genannt. So ist nahezu jede Entscheidung immer von einem mehr oder minder großem Anteil irrationaler Antreibe zurück zu führen. Im Besonderen ist die Entscheidung, sich der Liebe zu einem Anderen zu öffnen, selten von einer logischen Kalkulation begleitet.
Gemeinsam ist allen, dass es sich nicht um eine rationale Herleitung handelt.
Dies wird vor allem in der Form der Rede genannt, also der Mitteilung jener Inhalte die (möglicherweise) wahr sind.
Der Positivismus, also jene Denkrichtung, die nur das Beobachtbare und Herleitbare für gültig erachtete, wird heutzutage weitgehend abgelehnt. Er findet sich aber hin und wieder auf auch in anderem Denken, dass keineswegs nur den Lehren des Positivismus folgen wollen.
Verachtung prophetischer Rede schließt meist aus, dass es so etwas wie das Geistige von außerhalb des Menschen kommen kann. Damit entzieht sich jener Mensch die Offenheit für jene Welt, die das Denken jenes Menschen übersteigt. Offensichtlich müssen sich säkulare Zeitgenossen und Traditionalisten fragen lassen, wie Gott mit ihnen reden kann – direkt oder durch Dritte – Wenn sie von vorne herein jene Mitteilungen zurück weisen. Auch eine Art, den Geist zum erlöschen zu führen.
Ein enges Weltbild, rigide Dogmen und schlicht die Denkfaulheit lassen der Verachtung Raum. Auch die Angst, liebgewordene Vorstellungen bedroht zu sehen, lässt Menschen radikale Ablehnung erwachsen. Menschen schirmen sich dagegen ab, eine ungewünschte Realität wahrnehmen zu können.
Die Gegenseite, jedem Eindruck und Gefühl, jedem Anspruch Dritter unkritisches Vertrauen entgegen zu bringen, ist nicht notwendig, um jene Botschaften nicht zu verachten.
Radikale Prüfung
Wirklich alles soll geprüft werden? Auch das Wort Gottes? Auch das scheinbar Selbstverständliche? Oder doch nur jene prophetische Rede, von der zuvor gesprochen wurde? Hier steht ‚ALLES‘, und genau das ist auch gemeint. Dieses gnadenlose Hinterfragen ist weder Selbstverständlich noch völlig neu. Platon unterstellt diese Haltung seinem Lehrer Sokrates, der deswegen von seinen Zeitgenossen der Blasphemie wegen zum Tode verurteilt wurde.
Jedoch, Platon formuliert das weder so prägnant und schnörkellos, noch waren die Schriften Platons nur annähernd so prominent wie das Neue Testament. Wir finden diese Haltung sehr oft in der Geschichte wieder, so in der Scholastik, die sich strenger Logik unterwarf und nichts einfach stehen lassen wollte. Wir finden diesen Ansatz bei Rene Descartes, selbst ein frommer Philosoph, der seine eigene Existenz begründete. Wir finden diese Disziplin bei der Entstehung der modernen Wissenschaften, ohne die es keine Wissenschaft geben würde. Und schließlich finden wir diesen Ansatz im kritischen Rationalismus, der in der Philosophie auch heute noch bedeutsam ist.
Es liegt nahe, dass dieses Imperativ der radikalen Prüfung, über viele Jahrhunderte das Denken der Menschen prägte. Vielleicht nicht immer in der expliziten Form, der diese Aufforderung bewusst durchdachte. Vielleicht, in dem man die scheinbare Selbstverständlichkeit wie die Muttermilch in sich aufsog. Es ist kein Zufall, dass die christlich-jüdische Kultur sich über lange Zeiträume weiter entwickelte und Bestand hatte, obwohl es doch ganz hervorragende Hochkulturen gab, die bereits vorher phantastische Leistungen hervor brachten, und dennoch verblassten.
Gerade jener Geist, der auch Liebgewonnenes schmerzhaft in Frage stellt, ist die Wurzel des geistigen Lebens und der steten Erneuerung, sowohl im Gesellschaftlichen, als auch im inneren Lebensvollzug.
Die Prüfung ist ein höchst rationaler Vorgang. Je nach Aussage muss die Prüfung seine Methoden finden. Zumeist stellen sich die Fragen: Ist der Sachverhalt so wie behauptet? Oder handelt es sich um Irrtum und Betrug? Ist die Aussage also wahr? Ist die Behauptung gut? Hier wird das Denken der Menschen gefordert, also jener Gabe des Geistes, die dem Menschen von Gott verliehen wurde im Sinne der Ebenbildlichkeit.
Prüfung heißt, dass ein Sachverhalt oder eine Deutung inkorrekt sein kann. Es heißt nicht, dass wenn noch Reste von Unsicherheit besteht und Fragen offen bleiben, die Annahme der Aussage verweigert wird, auch wenn es keine deutlichen Argumente existieren, die eine Falschheit und Irrtum nahe legen. Vielmehr muss bei dem positiven Prüfergebnis, bei dem nicht alle Restzweifel ausgeräumt werden können, eine Annahme unter dem Vorbehalt erfolgen, dass bei eine weiteren Erkenntnis dieses Ergebnis revidiert werden kann. Die Verweigerung der Annahme einer Aussage, die durch keine starken Gründe zurück gewiesen wird, kann schließlich nicht als ein Handeln im Geste der radikalen Prüfung sein, sondern wäre ein Missbrauch dieses Prinzips. Denn wenn eine Prüfung bestanden wurde, oder nur Spitzfindigkeiten als vorgeschobene Gründe genannt werden, die Aussage nicht anzunehmen, wäre es keine Prüfung, die der Prüfung stand hielte.
Wir wissen, das jene, die Dogmen und eigenen Überzeugungen folgen, sich sehr schwer tun, jener Aufforderung in dieser Radikalität zu folgen. Sie versuchen, der Aufforderung die Schärfe zu nehmen, in dem sie behaupten, das ALLES eben nicht ALLES sei, sondern nur das, was ihnen als Prüfung genehm sei. Der Vers würde wegen des Zusammenhangs auf die gerade genannte prophetische Rede zu beschränken sein. Aber das steht da nicht und macht auch keinen Sinn. Denn die Quelle, der 1. Thessalonicherbrief im Neuen Testament, wird als kanonisch Gottes Offenbarung zugeschrieben. Diesem Wort die literale Bedeutung zu nehmen setzte sich der Gefahr aus, jene prophetische Rede zu verachten. Wenn nun das Prinzip der radikalen Prüfung auf diesen Vers und deren Interpretation selbst angewendet wird, kann eine Entschärfung des Textes nicht angewendet werden.
Engel des Lichts
Die radikale Prüfaufforderung hat universellen Charakter gemäß seiner inneren Logik: Warum sollt irgend etwas von der Prüfung ausgenommen werden? Aber gerade die prophetische Rede, die es eben nicht zu verachten gilt, ist besonders anfällig dafür, zum Opfer des Irrtums und des Betruges zu werden. Immerhin wird diese Rede ja nicht von einer logischen Herleitung bestimmt, sondern entzieht sich dem Wesen nach einer einfachen Prüfung. An anderer Stelle heißt es entsprechend:
13 Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die die Gestalt von Aposteln Christi annehmen. 14 Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an; 15 es ist daher nichts Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt von Dienern der Gerechtigkeit annehmen; und ihr Ende wird ihren Werken entsprechen.
2.Korinther 11
Dies sind beunruhigende Aussagen, denn eine dem Anschein nach gute und richtige prophetische Rede könnte sich als Lug und Trug erweisen. Geist ist hier nicht mehr der unhinterfragbar positiv besetzte Begriff, sondern macht eine Prüfung unabdingbar. In der Tat finden wir in der Kirchengeschichte viele zweifelhafte Gestalten und Bewegungen, sektenhafte Abspaltungen und allerlei Unrat.
Somit führt der Text in das Abenteuer, einerseits prophetische Rede nicht grundsätzlich zu verachten und so den Geist zu dämpfen, andererseits aber nicht Opfer von Irrtum und Betrug zu werden. Der Geist liefert hier keine einfache Regel, sondern die Herausforderung, sich in Demut der Ungewissheit zu stellen. Die Prüfung, also der Zweifel, bleibt damit die Kehrseite der Medaille des Glaubens und Vertrauens, die aber unverzichtbar bleiben.
Einschränkungen und Grenzen
Viele mögen sich überfordert sehen, derartige Prüfungen in der geforderten Radikalität durchzuführen. Sie erkennen, dass nicht nur das Wissen der Menschheit bruchstückhaft ist, sondern ihr persönliches Vermögen allzu schnell an seine Grenzen stößt. Es ist aber festzuhalten, dass der Text nicht ausschließlich den Einzelnen adressiert, sondern die Gemeinschaft, in der die Gaben ungleichmäßig verteilt sind.
Die Prüfung kann darum mehr als eine Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden, die den Einzelnen nicht gänzlich aus der Verantwortung entlässt, aber der Schwäche abhilft, sich selbst in selbstzerstörerischer Absicht auf ein Terrain zu begeben, bei der kein Fortschritt zu erwarten ist.
Reale Gemeinschaften entwickeln leider oft eine eigene Dynamik, die der Pluralität der Aufgaben und Gaben schwerlich gerecht wird. Wir finden oft genug Vereinsmeierei vor, die von persönlichen Animositäten markiert ist, einen plumpen Konservativismus oder eine Annäherung an den gesellschaftlichen Mainstream, ein emotionalisierter Glaube, der sich vor dem Denken fürchtet, oder einen abgehobener Intellektualismus, ein Leitungsdenken, in dem die Gaben der Mitglieder sekundär werden … kurz: Reale Gemeinschaften erfüllen oft nicht die Aufgabe, die sich aus einem pluralen Gaben-Mix ergeben müsste.
All dessen zum Trotz blieben die Gemeinschaften dennoch im Sturm der Zeit hinreichend beständig, dass sie – wenngleich nicht mit der möglichen Durchschlagskraft – den Glauben und den Geist in der Welt repräsentierten.
… das Gute behaltet!
Auch hier ist die vermeintliche Selbstverständlichkeit keine. Denn allzu sehr fixieren sich Menschen und Gemeinschaften an negativen Erkenntnissen. Klassisch sind die oft selbsternannten Hexenjäger, die ihrerseits dämonische Züge annahmen. Das Gebot aber soll sich vom Bösen abkehren und sich dem Guten, dem Wahren und Schönen, der Liebe und der Vergebung zuwenden.
Diese Neigung, vom Bösen angezogen u werden, scheint eine menschliche Grundbefindlichkeit zu sein. Vermutlich die umfangreichte Gattung der Belletristik sind eben nicht Romanzen oder positive Utopien, sondern Krimis und Thriller, in der das Böse meist die Hauptrolle spielt. Auch erfreuen sich Horrorgeschichten einer guten Beliebtheit …
Das Gute, der Lobpreis Gottes, die Liebe zwischen den Menschen erscheint so Manchen als zu langweilig. Auch wenn dies selten offen gesagt wird, so zeigt das reale Verhalten und die Selbstbeobachtung genau das. Warum ist das so?
Hier trifft die Aufforderung, das Gute zu behalten offensichtlich in eine Lücke im menschlichen Denken. Es geht also nicht darum, das Gute als Negation des Bösen zu verstehen, sondern das Gute als einen Wert an sich, der aus Gott kommt, schätzen zu lernen. Gerade die Konzentration auf das Gute lässt die Kraft Gottes immer klarer erkennbar werden und vertreibt die Angst, in irgend etwas schlechtes abzutreiben.
Was ist das Gute?
Diese Frage ist oft ernst gemeint, denn manchen erscheint das Prädikat GUT nicht selbsterklärend sein. Das beginnt mit der Frage der Wahrheit. Denn etwas das wahr ist, kann nicht schlecht sein. Auch schwierige Sachverhalte, z.B. dass es Verbrechen und Lüge gibt, können nicht dadurch gut werden, in dem man sie leugnet. Es bleibt also gut, jegliche Wahrheit zu erkennen, da sich aus dieser die Aufgabe zur Korrektur ergibt. Die Wahrheit wird uns frei machen.
Dies schließt auch den Erkenntnisdrang des Menschen ein. Manchen macht die Wissenschaft Angst, denn sie könnte den eigenen Glauben, der ja als gut erkannt wurde, erschüttern. Allerdings ist die Wissenschaft an sich weder gut noch schlecht, denn es gibt einerseits wahre Erkenntnis, die zum Preise Gottes führen kann, wie wohl auch ‚bad science‘, also jener, die mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit daher kommt, aber letztlich die Menschen zum Bösen verführt. Somit muss selbstverständlich auch die Wissenschaft der Prüfung unterzogen werden.
Das Grundprinzip der Naturwissenschaft, der methodische Naturalismus, besagt, dass man voraussetzt keine Beobachtung übernatürlich zu erklären, sondern Gründe und Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Natur zu erkennen versucht. Dies hat sich in weiten Teilen als sehr erfolgreich erwiesen. Gleichsam zeigt sich die Schwäche dieses Prinzip, wenn es nicht nur der methodische Ansatz der Untersuchung – also die Arbeitshypothese – ist, sondern als Grundverfasstheit der Realität missverstanden wird. Es wird zum Dogma, denn die Welt kann sich grundsätzlich nicht vollständig aus der erkennbaren Natur erklären.
Die Annahme, das das Universum und alle Naturgesetze und die persönliche Existenz das Werk Gottes sei, kann nicht mit der bloßen Annahme, dass man wo möglich andere Gründe finden könnte, zurück gewiesen werden. Die Wissenschaft muss sich ihrer grundsätzlichen und praktischen Grenzen bewusst sein, sonst widerspricht es dem Anspruch, die Wahrheit zu erforschen und wird übergriffig. Der methodische Naturalismus ist kein Wiederspruch zum Glauben an die Schöpfung an sich, sondern lediglich eine methodische Grundannahme, die sich oft bewährt hat. Diese kann keine wahren Aussagen treffen, wenn sie an die Grenze ihres Gültigkeitsbereiches stößt. Denn wenn es tatsächlich Gottes Wirken ist, der hinter erkennbaren Sachveralten steht, kann die Naturwissenschaft dies nicht erkennen. Alternative Erklärungen würden zur bloßen Fabrikation.
Folglich ist es weder die Wissenschaft an sich, noch der methodische Naturalismus, der den guten Glauben bedroht, sondern eine übergriffige Wissenschaft, die ihre Grenzen nicht erkennen will. Wissenschaft ist darum per se eher gut, die aber dies nur sein kann, wo sie die Prüfung besteht.
Andererseits ist ein Glaube, der sich vor dem Verstand, der Logik und der Wissenschaft fürchtet, wohl kaum gut zu nennen, denn er will sich vor der Erkenntnis der Wahrheit abschotten und liebgewordene Vorstellungen beschützen. Was ist aber ein Glaube wert, wenn das Ziel nicht die Erkenntnis der Wahrheit ist?
Sicher liegt eine Gefahr in scheinbar logischen Aussagen, die aber keineswegs dem Anspruch der Wahrheit genügen, aber sehr zu überzeugen vermögen und so den Glauben mit Lügen ins Wanken bringt. Gegen diesen zunächst mit Vorsicht, dann aber mit Prüfung zu reagieren wäre durchaus angemessen.
Das Gute ist zugleich auch eine moralische Dimension. Denn wahre Aussagen und korrekte Wissenschaft können perfide Waffen hervorbringen, bösartige Pläne zum Erfolg verhelfen. Wahrheit alleine ist kein hinreichendes Kriterium, das Gute zu erkennen. Das Gute findet sich in der Ausrichtung auf Gott, der als das absolut Gute verstanden wird. Ein Wissenschaft oder menschliches Bestreben, die das Gute suchen, aber jenen Gott nicht kennen, müssen darum keineswegs dem Guten abhold sein. Denn das Streben nach dem Guten mag jenen, die da aufrichtig forschen, zu Gott führen. Auch können jene die vorgeben, Gott und das Gute zu kennen, faktisch das Werk des Bösen tun. Denn das absolut Gute kann von Menschen nicht irrtumsfrei erkannt werden. Jede menschliche Erkenntnis bleibt unter dem Irrtumsvorbehalt und der Perspektivität. Denn Aussagen die sich scheinbar widersprechen, können dennoch in Harmonie sein, wenn man die unterschiedlichen Perspektiven beachtet.
Wird aber der Gedanke an das absolute Gute nicht nur durch seine Perspektivität verstanden, sondern als mehr oder minder subjektives Urteil negiert ohne einen realen Kern, zerfällt das Gute an sich in der Anschauung. Ein subjektives Urteil ist dann weder an Kultur, noch an die Realität gebunden, sondern kann sich sowohl in einer ehrlichen, aber unverbindlichen Ansicht äußern oder bewusst als Lüge vorgebrachten Behauptung darstellen. Der Gegensatz zu dem Urteil jener, die von dem absoluten Guten ausgehen, diesen aber wegen der eigenen Unzulänglichkeit nur unter Vorbehalt zu erkennen vermögen, mag auf dem ersten Blick gering sein. Denn beide können nicht beanspruchen, jenes absolute Gute zu repräsentieren.
Im zweiten Blick ist der Unterschied so gewaltig, wie er größer kaum sein könnte. Denn jener der das Gute als rein subjektiv ohne Verankerung in der Realität ansieht, kann sich dem absoluten Guten auch nicht annähern und kann nicht mit Fug und recht seine moralischen Überzeugungen von Dritten beanspruchen. Jeder mag dann seine eigenen Überzeugungen haben, zwischen denen man nicht mehr richten kann – ein drüber hinaus gehender Maßstab wird ja abgelehnt.
Der aber, der das absolute Gute als Ausgangspunkt seines Denkens ansieht, sich aber seiner Grenzen und Irrtumsanfälligkeit bewusst beleibt, kann durch Forschen und Streben eine Annährung an jenes absolut Gute suchen, in dem man sich der Irrtümer bewusst wird und diese eliminiert.
In der Praxis kann aber nicht entscheiden werden, welcher sich als moralisch besser erweist. Denn der Subjektivist, der von der Liebe angerührt ist, kann durchaus das richtige und vorbildliche tun, auch wenn ihm die Begründung dazu fehlt. Der Nachfolger des absoluten Guten mag die bessere Theorie haben, sich aber als Heuchler erweisen. Ein Urteil über die Gründe des Guten ist demnach nicht ein Urteil über die Moralität des jeweiligen Vertreters. Man sollte aber dem Geist den Raum geben, vom Denken zum Handeln zu kommen.
In der Realität finden sich aber selten jene beiden Einstellungen in Reinform. Vielmehr gibt es jene, die das Absolute grundsätzlich ablehnen, zugleich aber die universelle Gültigkeit ihrer Überzeugungen praktisch verstehen und in diesem Sinn Urteile über Dritte fällen. Das geht dann so weit, dass man jene, die Hitler nicht für das absolute Böse halten, selbst scharf ablehnen.
Andererseits sind Anhänger des absoluten Guten nicht jener Inkonsistenz zu beschuldigen, fallen aber oft in den Irrtum, dass sie ihre eigene begrenzte Erkenntnis für absolut setzen und damit den Geist auslöschen, der eine grundsätzliche Prüfung fordert.
Um so mehr wird die Weisheit des Textes deutlich, dass die Gefahr der Auslöschung des Geistes nur allzu präsent ist. Sei es durch die eigene Überheblichkeit und Dogmatik, seine eigene Erkenntnis zu überschätzen, oder durch ein Mangel an Prüfung dem Irrtum und dem Bösen Tür und Tor zu öffnen.
Meidet das Böse in jeder Gestalt!
Die logische Konsequenz ist, dass man sich dem Bösen entschlägt. Wie aber bereits genannt, scheint das Böse eine starke Attraktion auszuüben. Der gewöhnliche Mensch sucht den Schauer aus der Entfernung, wo tunlichst jenes Böse letztlich vom Guten besiegt wird. Das aber dürfte wohl kaum mehr als eine Kaschierung jener gefährlichen Anziehung zu sein. Das Böse zieht immer wieder die Menschen in seinen Bann.
Welches sind die Gestalten des Bösen? Sicher ist es die rohe Gewalt, die mordet und brandschatzt. Verbrechen aller Art, so die Vergewaltigung, das Berauschen an der Macht über andere. Aber auch die subtileren Formen wie der Habsucht, die das angehäufte Geld legal zur Machtausübung nutzt und Ansehen gewinnt. Nicht zu vergessen die kleinen Gemeinheiten, die Missgunst, die den anderen schaden will. Aber auch Formen der Machtausübung mittels Ideologie, in Sekten und politischen Bewegungen, die sich als Menschenfreund mit hehrem Anliegen gerieren, aber unter dieser Maske ein zerstörerisches Werk betreiben. Spott und Hohn, auch gerade gegenüber Gott mag die Distanz zu jenem vergrößern, der zu erretten vermag. Aber auch aus der Gleichgültigkeit gegen andere, das sich dem Nächsten verweigern ist eine Zurückweisung der Liebe, die in die Kälte führt.
Letztlich sind es alle selbstzerstörerische Handlungen und Neigungen, Süchte und schädliche Verlangen, die den Geist dämpfen. Etwas so anscheinend harmloses, wie das Konsumieren von Kriminalromanen, Pornographie oder Filmen trägt in sich bereits einen Keim des Bösen. Wissen nicht alle, dass dies oftmals einem Selbst nicht gut tun? Aber wie schwer fällt es, dies alles wirklich zu meiden. Der erste Schritt ist die Erkenntnis, das es eben das Böse ist, das einem aus dem Abgrund ansieht.